Todesurteil im Iran: "Sie darf nicht gesteinigt werden"

Iran darf nicht gesteinigt
Iran darf nicht gesteinigt(c) EPA (STEPHANIE�PILICK)
  • Drucken

Der Anwalt der zum Tod durch Steinigung verurteilten Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani erklärt der "Presse" den "komplizierten Fall". Er selbst sei so unter Druck gesetzt worden, dass er nach Oslo flüchtete.

Teheran/Oslo/Wien (mp, red.). Ende Juli floh Mohammad Mostafaie aus seiner Heimat Iran. Per Auto, auf einem Pferd und zu Fuß überquerte der Jurist die iranische Grenze in die Türkei, wo er vorübergehend verhaftet wurde. Doch schließlich schaffte er es bis nach Norwegen. Seither führt er von Oslo aus eine internationale Kampagne, um seine Mandantin Sakineh Mohammadi Ashtiani vor der Steinigung zu retten.

„Da nun die ganze Welt auf ihren Fall schaut, besteht Hoffnung, dass sie dem Tod durch Steinigung entkommt“, sagt Mohammad Mostafaie, als ihn „Die Presse“ telefonisch in seinem Osloer Exil erreicht. „Das Wichtigste ist, dass sie nicht gesteinigt wird.“

Der Fall der 43-jährigen Mutter zweier Kinder, die im Iran wegen Ehebruchs zum Tod verurteilt wurde, hat weltweit Proteste ausgelöst. Brasiliens Präsident Lula da Silva wollte der Frau Asyl gewähren. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton hat protestiert, Norwegen zitierte den iranischen Botschafter ins Osloer Außenministerium.

Beihilfe zum Mord am Gatten

„Doch der Fall ist kompliziert“, sagt Anwalt Mostafaie. Denn seiner Mandantin werden gleich zwei Verbrechen vorgeworfen: Ehebruch sowie Beihilfe zum Mord. „Das Urteil von fünf Jahren Gefängnis für Beihilfe zum Mord akzeptiert sie“, sagt der Anwalt. Der Akt sei abgeschlossen, und Mostafaie erklärt nur knapp, was damals geschah: Sie habe ein menschenunwürdiges Leben geführt und sei von ihrem Mann gedemütigt worden. „Sie hasste ihn.“

In dieser Situation trat ein anderer Mann in Erscheinung: Mohammadi Ashtianis Cousin. Nachdem sie auf der Straße miteinander gesehen worden waren, wurde sie verhaftet, man warf ihr Ehebruch vor, sie wurde deswegen mit 99 Peitschenhieben bestraft.

Nach Vollstreckung der Strafe sei der Cousin mit dem Vorschlag an sie herangetreten, ihren Mann zu ermorden. Und tatsächlich, so der Anwalt, habe sie dabei geholfen: Sie habe ihrem Gatten ein Beruhigungs- bzw. Schlafmittel injiziert. Der Cousin habe ihn dann umgebracht.

Der Mörder selbst wurde ursprünglich zum Tod durch Erhängen verurteilt, das Urteil wurde aber später in eine langjährige Haftstrafe umgewandelt. Im Iran besteht die gesetzliche Regelung, wonach die Familie des Ermordeten entscheiden kann, ob der Täter exekutiert werden soll oder nicht. Damit wird der Familie die Möglichkeit gegeben, Blutrache zu üben. In diesem Fall entschieden sich aber die nächsten Angehörigen des Ermordeten für die zweite Möglichkeit: dem Täter zu vergeben.

Keine Vergebung bei Ehebruch

Im Zuge dieser Verhandlung rollte die iranische Justiz noch einmal den bereits mit Peitschenhieben bestraften Fall des Ehebruchs auf. Drei von fünf Richtern wollten die bereits vollzogene Strafe nicht gelten lassen und sprachen sich für die Steinigung der Frau wegen Ehebruchs aus – sie setzten sich durch. Dreimal stellte Ashtiani Ansuchen auf Vergebung, jedoch erfolglos. Begründung: Da das Urteil der Steinigung von der Justiz verhängt, aber vom Volk vollzogen wird, kann die Steinigung laut iranischer Rechtslage nicht, wie etwa bei Mord, vergeben und in eine Haftstrafe umgewandelt werden.

Seither sitzt die 43-Jährige in Täbris im Gefängnis, wo sie misshandelt werde. Zu einem Geständnis im Fernsehen, das vergangene Woche zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde, sei sie durch Prügel gezwungen worden.

Anwalt Mostafaie sei so unter Druck gesetzt worden, dass er nach Oslo flüchtete. „Meine Frau wurde grundlos 14 Tage inhaftiert. Die einzige Möglichkeit, die ich sah, ihr Leben zu retten, war, das Land zu verlassen.“ Seither, sagt er, wurde im Iran „eine Kampagne“ gegen ihn gestartet. Das iranische Fernsehen warf ihm vor, nur wegen seiner Schulden nach Norwegen geflüchtet zu sein. „Ich werde aber keinen Asylantrag stellen“, so Mostafaie. Er wolle in den Iran zurückkehren, aber nur, wenn er Garantien für seine Sicherheit bekäme.

AUF EINEN BLICK

Sakineh Mohammadi Ashtiani (r.) wurde von einem iranischen Gericht des Ehebruchs für schuldig befunden und soll nun gesteinigt werden. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

Hintergrund: Tod unter einem Steinhaufen

In mehreren islamischen Ländern gilt Steinigung als gerechte Strafe für (vermeintliche) Ehebrecher. Weltweit werden mehrere Dutzend Menschen pro Jahr gesteinigt, die Zahl hat in den vergangenen 20 Jahren zugenommen.
Kommentare

Kulturkampf um Steinigung

Dass in einzelnen islamischen Ländern gesteinigt wird, ist menschenverachtend. Für einen Showdown zwischen Christentum und Islam eignet sich die Thematik allerdings nicht.
Sakineh Mohammadi Ashtiani
Weltjournal

Heftige Kritik an geplanter Hinrichtung im Iran

Von einer "widerwärtigen Inszenierung" spricht der Generalsekretär von Amnesty-Österreich angesichts der drohenden Hinrichtung von Sakineh Mohammadi Ashtiani.
Iran Verurteilte muss TVBeichte
Weltjournal

Iran: Zum Tod Verurteilte muss TV-Beichte ablegen

Teheran hält am Todesurteil der angeblicher Ehebrecherin Sakineh Mohammadi Ashtiani fest. Die Exekution wurde zwar im Juli auf internationalen Druck ausgesetzt, doch auf völlig unbestimmte Zeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.