Norwegen: Moderatorin kündigt live im Radio

(c) AP (Keith Srakocic)
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Die norwegische Radio-Sprecherin Pia Beathe Pedersen kündigte live im Radio. Sie wollte auf die schlechte Arbeitsbedingungen hinweisen. Der öffentlich-rechtliche Sender NRK steht schon seit längerem in der Kritik.

Kopenhagen/Oslo. Die Hörer, die morgens um acht das Radio einschalteten, glaubten, sie seien im falschen Programm. „Guten Morgen“, sagte die Sprecherin, „ich heiße Pia Beathe Pedersen.“ Doch statt die Nachrichten aus der Region Oslo vorzulesen, sagte sie mit nervöser Stimme: „Jetzt tue ich etwas, das ich nicht darf, und das mir viel Ärger einbringen wird. Aber ich sehe keinen anderen Weg.“

Jetzt ist die 42-Jährige die Heldin in Norwegens Journalistenchor, auf Facebook haben sich Fanseiten zu ihrer Unterstützung gebildet, auf Twitter laufen die Solidaritätserklärungen ein, und von Kollegen und Konkurrenten prasselt Lob auf die Radiofrau nieder, die gewagt hat, den Frustrationen Worte zu geben, die viele in ihrer Branche plagen.

„Nachrichten gibt es keine, aber es ist ohnedies nichts los“, beschied sie den Hörern und wandte sich stattdessen an ihren Chef: „Hans Tore, du musst helfen, denn deinen Mitarbeitern geht es nicht gut.“ Der Stress, die Unsicherheit seien zu viel. Sie habe es satt, verzweifelt zu sein, „ich schaffe es nicht mehr, ständig Bauchweh zu haben, ich will wieder essen und atmen können. So, ich kündige jetzt und gehe. Tschüss und habt es gut!“ Dann schloss sie das Mikrofon, verließ das Studio, stieg aufs Fahrrad und fuhr heim.

Mit Kurzverträgen abgespeist

Seit Langem steht der öffentlich-rechtliche Sender NRK in der Kritik, weil er die Journalisten mit Kurzanstellungen abspeist und entlässt, ehe sie sich das Recht auf einen festen Job erdient haben. „Es ist bekannt, dass die Medienbranche einen Überverbrauch an Taglöhnern hat, und NRK ist keine Ausnahme“, sagt Elin Floberghagen, die Chefin der Journalistengewerkschaft.

„Waghalsig“, heißt es anonym in den NRK-Gängen über Pedersens Aktion. „Das, was sie gesagt hat, fühlen hier viele. Aber öffentlich kündigen? Niemals!“ Eine „traurige Geschichte, die wir nicht weiter kommentieren, da es sich um eine persönliche Geschichte handelt“, sagt Otto Haug, Chef der Regionalstation.

Doch Pedersen meint, dass ihr Protest mehr als das sei. „Ich hoffe, dass der Fokus sich von meiner Person auf die Sache verlagert.“ Sie wünscht sich eine Debatte über die Arbeitsbedingungen. „Pia hat recht mit allen, was sie gesagt hat“, meint ihre Ex-Kollegin Mina Lunde, „aber NRK ist ein so attraktiver Arbeitsplatz, dass man arrogant zu den Mitarbeitern sein kann. Und das nützt man aus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2010)

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