Indonesien: Fanatische Moslems zünden Kirchen an

Fanatische Moslems zuenden Kirchen
Fanatische Moslems zuenden Kirchen(c) EPA (TITIAN SILABAN)
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Nachdem ein Gericht einen Christen wegen Blasphemie verurteilt hatte, brachen auf Java Unruhen aus. Der Mob empfand das Urteil als zu mild. Mehr als 1000 Demonstranten haben ein Gerichtsgebäude gestürmt.

Bangkok/Yogyakarta. Mehr als 1000 Demonstranten haben am Dienstag in Zentraljava, Indonesien, ein Gerichtsgebäude gestürmt und anschließend zwei Kirchen in Brand gesteckt sowie eine weitere schwer beschädigt. Die Gewalt in Temanggung, rund 60 Kilometer nordwestlich von Yogyakarta, brach aus, nachdem das Gericht einen Christen wegen Blasphemie zu fünf Jahren Haft verurteilt hatte.

Der Mann soll Flugblätter verteilt haben, die das Gericht als „beleidigend gegenüber dem Islam“ einstufte. Was genau auf diesen Zetteln stand, drang aber nicht nach außen. Durch das Vorlesen des Flugblattes hätten der Richter oder der Staatsanwalt selbst Blasphemie begangen. Die Polizei erklärte, die Demonstranten hätten das Urteil als zu milde empfunden und die Todesstrafe verlangt.

Italiens Außenminister Franco Frattini und sein tschechischer Kollege Karel Schwarzenberg verurteilten die Angriffe und sprachen von einem „ernsten Ausdruck eines antichristlichen Fanatismus“.Es ist der zweite schwere Übergriff auf Anhänger einer religiösen Minderheit innerhalb von zwei Tagen. Erst am Wochenende hat im Westen Javas ein aufgebrachter Mob ein Ahmadiyya-Gebetshaus gestürmt und mehrere Anhänger der Gruppe getötet. Die Ahmadiyya verstehen sich als pazifistische islamische Reformbewegung, konservative Kräfte betrachten sie jedoch als Häretiker. Die Gruppe darf sich seit einem Erlass der indonesischen Regierung 2008 nicht mehr religiös betätigen.

Mehrere Fernsehsender haben am Dienstag ein Video von dem brutalen Übergriff ausgestrahlt. Darauf ist zu sehen, wie hunderte Angreifer rund zwei Dutzend Ahmadiyya-Anhänger in dem Dorf Cikeusik dazu zwingen, sich auszuziehen, bevor sie mit Stöcken und Macheten auf sie einprügeln. Mehrere der Opfer wurden getötet. Polizisten, die am Tatort anwesend waren, haben nichts unternommen, um die Morde zu verhindern. Die Regierung hat den Angriff verurteilt und Ermittlungen angekündigt.

Die schweren Angriffe der vergangenen Tage sind nur zwei von Dutzenden Übergriffen gegen Vertreter religiöser Minderheiten in den vergangenen Jahren. Dabei ist die überwiegende Mehrheit der Menschen in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt, religiös sehr tolerant eingestellt. Doch lautstarke, gewaltbereite Gruppen treten immer stärker in Erscheinung.

Stachelt Armee Islamisten auf?

In der Zunahme dieser religiösen Gewalt spiegelt sich der Machtkampf zwischen den liberalen politischen Kräften des Landes und der Armee wider. In den 90er-Jahren, als das Suharto-Militärregime immer stärker unter Druck geriet, ging die Armee eine regelrechte Allianz mit Islamistengruppen ein.

Die Fanatiker sollten den Machtverlust der Generäle verhindern und stellten sich offen auf die Seite des Regimes. Diese Kontakte sind nach wie vor intakt. Daher legt die Zunahme der Gewaltakte gegen Anhänger religiöser Minderheiten nahe, dass die Armee hinter den Kulissen versucht, über ihnen nahestehende Islamistengruppen den Staat zu destabilisieren und verlorenen Einfluss zurückzugewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2011)

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