Permafrostböden tauen schneller als erwartet auf

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Man habe in Modellberechnungen ermittelt, dass bis zum Jahr 2200 ein bis zwei Drittel der Permafrostregionen der Erde auftauen. Die Folge davon wäre eine stärkere Erderwärmung.

Ottawa/Washington. Auf das Weltklima kommt laut US-Forschern eine zusätzliche Belastung zu: Das unerwartet schnelle Auftauen sogenannter Permafrostregionen, wie es sie etwa in den polaren Regionen der Erde gibt, wird gewaltige Mengen an Kohlendioxid schneller als bisher berechnet freisetzen. Damit würde die Durchschnittstemperatur der Luft noch schneller steigen und das Erreichen der bisher gesetzten Klimaschutzziele der UNO erschweren.

„Es ist ohnehin schwer genug, die menschlichen Emissionen zu senken, aber wir werden sie noch mehr senken müssen“, sagt Professor Kevin Schaefer, einer der Verfasser der Studie des Nationalen Schnee- und Eisdatenzentrums an der Universität von Colorado (USA). Allerdings gelingt es schon mit den bisherigen Klimaschutzabkommen nicht, die von Menschen verursachten Kohlendioxyd-Emissionen dauerhaft zu senken.

Man habe in Modellberechnungen ermittelt, dass bis zum Jahr 2200 ein bis zwei Drittel der Permafrostregionen der Erde auftauen und große Mengen Kohlenstoff in die Atmosphäre abgeben werden. Diese Mengen würden etwa 20 Prozent der bereits jetzt in der Atmosphäre befindlichen CO2-Menge entsprechen. Schaefer und seine Kollegen modellierten das Auftauen und den Zerfall von organischen Stoffen, hauptsächlich Pflanzenmaterial, die gegenwärtig im Permafrost in gefrorenem Zustand eingeschlossen sind. „Es dauerte Zehntausende von Jahren, dass sich dieser Permafrost bildete, nun wird er in weniger als 200 Jahren schmelzen“, sagt Schaefer.

Bis zu 254 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich

Damit, so die Schätzung, würden zusätzlich 190 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Kohlendioxyd in die Atmosphäre austreten. Die Bandbreite dieses Wertes betrage plus/minus 64 Gigatonnen, sodass er zwischen 124 und 254 Milliarden Tonnen pendeln könne.

Nach Angaben des in Bremerhaven ansässigen Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung sind etwa 25 Prozent der Landmasse der Erde von Permafrostgebieten bedeckt. Permafrost ist ein Boden, der das ganze Jahr gefroren ist, er bildet sich, wenn die Temperatur im Jahresmittel unter minus ein Grad Celsius liegt und es weniger als 1000 Milliliter Niederschlag pro Jahr gibt. Diese gefrorenen Landschaften decken sich mit den Regionen der baumlosen Tundra und der nördlichen Nadelwaldzone (auch „Taiga“) und liegen zum überwiegenden Teil in polnahen Regionen: also im Norden Kanadas, Russlands und Skandinaviens, in Alaska sowie auf arktischen Inseln wie Grönland und Spitzbergen. Kleinere Permafrostgebiete gibt es in der Antarktis und auf Inseln des Südmeeres wie Südgeorgien.

Permafrostböden gibt es auch in hoch gelegenen Regionen, etwa in den Alpen, im Kaukasus, im Himalaja und im Hochland von Tibet. Die Fläche Chinas etwa besteht bis zu 20 Prozent aus Permafrostböden. In Kanada und Russland sind es 40 bis 50 Prozent, in Alaska 80 Prozent. Die nicht mit Eis bedeckten Gebiete Grönlands, der Antarktis und der nord- und südpolaren Inseln sind zu fast 100 Prozent ganzjährig gefroren.

Bis zu 1500 Meter Tiefe gefroren

In Zentralsibirien kann der Boden bis zu einer Tiefe von über 1500 Metern gefroren sein, sagt Professor Hans Wolfgang Hubberten vom Alfred-Wegener-Institut. In Skandinavien beträgt die Tiefe hingegen weniger als 20 Meter. Das Institut hat in Permafrostgebieten mehr als 600 Bohrlöcher mit Thermometern ausgestattet und beobachtet, dass sich in vielen Regionen Alaskas, Kanadas und Sibiriens der Boden bis in Tiefen von 40 Metern dauerhaft erwärmt.

Allerdings tauen viele Permafrostböden im Sommer oberflächlich auf, in Tiefen von 30 Zentimetern bis zwei Metern – stehen darauf Gebäude, muss man sie auf tief in den Boden gerammte Säulen stellen, sonst würden sie einsinken. Diese Bauweise ist etwa in Sibirien weitverbreitet.

Zusätzliche Gefahr durch Methan

Neben CO2 kann dauerhaft aufgetauter Permafrostboden auch das viel gefährlichere Methan freisetzen, nämlich, wenn Sümpfe entstehen. Methan ist als Treibhausgas 25-fach stärker als CO2, das heißt, eine Tonne davon in der Atmosphäre stört die Abstrahlung von Wärme ins All so stark wie 25 Tonnen CO2.

Lexikon

Permafrostregionen sind Gebiete, in denen der Boden permanent gefroren ist und höchstens im Sommer oberflächlich bis in einige Meter Tiefe taut. Sie entstehen in Gebieten, in denen es im Jahr im Mittel weniger als minus ein Grad Celsius hat, und liegen daher vor allem in polnahen Gebieten wie in Sibirien, Alaska, im Norden Kanadas und Skandinaviens sowie in eisfreien Randzonen der Antarktis und auf polaren Inseln wie Grönland, Spitzbergen, Südgeorgien. Es gibt sie auch in hoch gelegenen Gebieten, etwa in den Alpen und im Himalaja. Die vorherrschende Vegetation dort ist baumlose Tundra oder Nadelwald (Taiga).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2011)

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