Japan: Beben beschädigt weitere Atomanlage

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Ein starkes Nachbeben hat die Bebenopfer in den Notlagern in Angst versetzt. Am Atomkraftwerk Onagawa, das abgeschaltet war, wurden leichte Schäden festgestellt.

Tokio/Wien/Ag. Erst am Tag nach dem neuerlichen schweren Erdbeben im Nordosten Japans wurden die Folgen sichtbar: Mindestens vier Menschen kamen ums Leben, rund 140 wurden verletzt.

Die Atomruine Fukushima I blieb zwar vom Beben der Stärke 7,1 verschont, das in der Nacht auf Freitag die Insel Honshu erschütterte. Doch im AKW Onagawa, rund 180 Kilometer nördlich von Fukushima, sind Probleme aufgetreten. Eine kleine Menge des leicht verstrahlten Wassers aus einem Becken für Brennstäbe schwappte über. Außerdem wurden Lecks an acht Stellen in der Anlage gefunden, heißt es seitens des Betreibers Tohoku Electric Power. Die Strahlung rund um den Meiler sei aber nicht erhöht. In mehreren Kernkraftwerken im Nordosten des Landes gibt es Probleme mit dem Strom, die Notversorgung funktioniert aber.

Die Anlagen in Onagawa, die ebenfalls in der Katastrophenprovinz Miyagi liegen, sind zwar seit dem verheerenden Erdbeben der Stärke 9,0 und dem Tsunami vom 11. März abgeschaltet. Die Brennelemente müssen aber weiter gekühlt werden, wofür Strom nötig ist. Nach dem Nachbeben von Donnerstag fiel vielerorts der Strom aus, auch die Kühlung setzte kurzfristig aus. In einem weiteren AKW in der Präfektur Aomori und in der Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho wurde ebenfalls die externe Stromversorgung unterbrochen. Die Notversorgung funktioniert aber an beiden Orten.

Die jüngsten Erdstöße lösten zahlreiche Brände aus. Straßen wurden gesperrt und Züge angehalten. Vereinzelt fielen Telefonnetze aus. Unzählige Haushalte waren ohne Wasser und Strom. Drei Menschen starben in Spitälern. Bei einer Patientin fiel die Beatmungsmaschine aus, weil die Stromversorgung unterbrochen worden war.

In einem Sportstadion in der vom Tsunami zerstörten Stadt Minamisanriku liegen die Nerven blank, wie Augenzeugen berichten. Hunderte Menschen, die dort Unterschlupf gefunden haben, stürmten nach draußen. Viele fürchteten, unter Trümmern begraben zu werden.

Die Behörden warnten vor möglichen weiteren schweren Nachbeben in der Region. Seit dem 11. März hat es bereits mehr als 1000 spürbare Beben gegeben.

Im – durch das erste Erdbeben schwer beschädigten – AKW Fukushima kämpfen Techniker seit Wochen gegen einen drohenden Super-GAU. Laut Betreiber Tepco funktioniert die Kühlung der Reaktoren mit Wasser auch nach dem Beben. Die Arbeiter, die kurzzeitig wegen des ausgelösten Tsunamialarms das AKW verlassen mussten, leiten seit mehreren Tagen Stickstoff in das Reaktorgehäuse im Block 1 ein. Das Gas soll das brisante Luftgemisch im Inneren verdünnen und verhindern, dass es neuerlich zu Wasserstoffexplosionen wie kurz nach der Havarie kommt. Vermutlich muss die Prozedur in den Reaktorblöcken 2 und 3 wiederholt werden.

Kaiser besuchte Notlager

Außergewöhnliche Umstände fordern außergewöhnliche Maßnahmen: Das japanische Kaiserpaar, das üblicherweise äußerst selten in der Öffentlichkeit auftritt, besuchte gestern, Freitag, bereits zum zweiten Mal seit der Katastrophe eine Notunterkunft. In der Provinz Saitama traf es mit Betroffenen zusammen, die ihre Häuser in der Nachbarschaft des AKWs Fukushima räumen mussten. Kaiser Akihito (77) und seine Frau Michiko (76) nahmen sich Zeit für lange Gespräche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2011)

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