Ausbeutung: Die Sklaven der Diplomaten

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Das Personal in Diplomatenhaushalten ist oft völlig dem Arbeitgeber ausgeliefert. Erstmals nimmt ein Bericht dazu Stellung, wie Diplomaten und hochrangige Botschaftsangestellte ihre Haushaltshilfen ausbeuten.

Wien. So hatte sich Frau P. ihr neues Leben in Österreich nicht vorgestellt: 16 Stunden pro Tag musste sie in einem arabischen Diplomatenhaushalt in Wien putzen, waschen und bügeln, sieben Tage die Woche. Pro Monat verdiente sie 150 Euro, das Haus ihres Arbeitgebers durfte sie nicht verlassen. Frei bekam sie höchsten einen Tag im Monat. Der Besitz eines Mobiltelefons wurde ihr untersagt. Und mit ihrer Familie, die zu Hause in Asien geblieben war, durfte sie nur telefonieren, wenn ihr Chef dabei war.

Frau P., die ihre Identität nicht preisgeben will, ist kein Einzelschicksal. Immer wieder kommen Fälle ans Tageslicht, in denen Diplomaten und hochrangige Botschaftsangestellte ihre Haushaltshilfen ausbeuten: In Berlin hielt ein Diplomat aus dem Jemen seine Angestellte aus Indonesien wie eine Sklavin, schlug sie und gab ihr kaum zu essen. Nach sieben Jahren konnte sich die Frau 2008 aus ihrer Gefangenschaft befreien. In Genf fand vor einigen Jahren ein Prozess gegen einen früheren Botschafter aus Nigeria statt, der seine philippinische Hausangestellte mehrfach vergewaltigt hatte. Oder der Fall einer Frau aus Eritrea, die von ihrem Arbeitgeber – einem Diplomaten aus dem arabischen Raum – von Belgien mit an den neuen Einsatzort Wien gebracht wurde. In Wien musste sie sich stets für Arbeiten aller Art zur Verfügung halten, durfte nicht zur Toilette gehen oder duschen.

Fast immer sind es Frauen

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (IOL) werden weltweit rund 12,3 Millionen Menschen als Arbeitssklaven ausgebeutet. Wie viele Betroffene es in Diplomatenhaushalten gibt, ist unklar. In Österreich spricht man von Einzelfällen, laut Bundeskriminalamt handelte es sich im Vorjahr um zwei bis drei Vorfälle.

Die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels in Wien (Lefö) bekommt pro Monat rund eine Anfrage einer in Österreich tätigen Hausangestellten, die Rat und Hilfe benötigt. Von vier bis acht Fällen in Deutschland ist bei der Berliner Beratungsstelle „Ban Ying“ die Rede. Meist sind es Frauen aus Indonesien, Sri Lanka, Thailand oder den Philippinen, die in Botschaftervillen schuften.

Erstmals wird in einem internationalen Bericht über „Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung in Haushalten“ das Thema Versklavung in diplomatischen Haushalten nicht ausgespart. Dass der Report von einer internationalen Organisation herausgegeben wird – der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Sitz in Wien – zeigt, dass Behörden erkannt haben, dass im scheinbar gepflegten Umfeld der Diplomatie Dienstboten oft sehr schlecht behandelt werden.

„Völlig an Haushalt gekettet“

Diplomatische Haushalte rekrutieren ihr Personal fast immer in ihren Heimatländern und bringen sie dann in die Gastländer mit. Dazu können Botschaften eigene diplomatische Visa für Arbeitskräfte beantragen. In den meisten Staaten ist diese Legitimierung aber an den Arbeitgeber gekoppelt und nicht an den Arbeitnehmer. „Bei Diplomaten angestellte Personen sind völlig an diesen einen Haushalt gekettet“, erklärt Evelyn Probst von Lefö.

In Österreich haben 240 der insgesamt rund 3300 akkreditierten Diplomaten solch eine Legitimationskarte für eine oder maximal zwei Hausangestellte gelöst. Dazu muss der Diplomat bereits vor der Einreise dem Wiener Außenministerium Verträge und Papiere vorlegen. Dazu zählt ein Wohnungsplan, in dem das eigene Zimmer des Hausangestellten markiert sein muss. „Eine Matratze im Heizungsraum reicht da nicht“, sagt Probst. Außerdem muss auch der Abschluss einer Krankenversicherung vorgelegt werden.

Musterschüler Österreich

Im OSZE-Bericht wird Österreich als Musterschüler angeführt: Denn anders als in den meisten Ländern der Welt muss sich in Wien eine Hausangestellte persönlich beim Außenministerium registrieren lassen. Und bei dieser Gelegenheit werden auch gleich Kontaktadressen von Beratungsstellen weitergegeben, die bei Bedarf kontaktiert werden können. Außerdem muss seit vergangenen Oktober ein Diplomat die korrekte Bezahlung des Personals mittels eines Kontoauszuges belegen. Schummeln ist da kaum noch möglich, heißt es aus dem Außenministerium. Ist der Papierkram abgeschlossen, wird die auf ein Jahr begrenzte Legitimationskarte ausgegeben.

In Deutschland etwa erledigt all das der Arbeitgeber – dazu muss eine Hausangestellte dem Diplomaten nicht nur ihren Pass in die Hand geben, sie kann auch nicht persönlich über ihre Recht aufgeklärt werden.

Doch das wirklich Prekäre bei Fällen der sklavenähnlichen Ausbeutung: Die Staatenvertreter genießen in ihren Gastländern Immunität, daher ist es nahezu unmöglich, sie für ihre Straftaten zu belangen. „Für Diplomaten kann das ein Druckmittel sein, Hausangestellten zu drohen, sie zurück ins Heimatland zu schicken“, sagt Gerald Tatzgern von der „Zentralstelle zur Bekämpfung von Menschenhandel und Schlepperkriminalität“ im Bundeskriminalamt in Wien. Einen „Freibrief zur Versklavung“ nennt Probst von „Lefö“ die diplomatische Immunität.

Für eine ausgenutzte Hausangestellte kann eine polizeiliche Anzeige indes zur Falle werden: Ein Opfer von Menschenhandel darf nur so lange legal im Land bleiben, wie das Ermittlungsverfahren läuft. Aufgrund der diplomatischen Immunität wird ein solches Verfahren meist rasch eingestellt. Dann droht die Abschiebung ins Heimatland. „Das ist das absolut falsche Signal“, sagt Tatzgern, „da geht doch niemand mehr zur Polizei, wenn dann so was passiert.“

Frau P. droht die Abschiebung

In genau dieser Situation befindet sich derzeit Frau P. Sie hat es zwar geschafft, sich aus der Unterdrückung durch ihren Diplomaten-Chef zu befreien. Die Ermittlungen gegen ihren Ex-Arbeitgeber wurden aber eingestellt. Ob sie es nun schafft, gegen die ihr drohende Abschiebung aus Österreich anzukämpfen, ist noch ungewiss.

Auf einen Blick

In Österreich sind rund 3300 Diplomaten akkreditiert. Von diesen haben laut Außenministerium 240 eine „Legitimationskarte“ gelöst. Diese berechtigt sie dazu, eine Hausangestellte mit nach Österreich zu nehmen, die nicht dem österreichischen Fremdenrecht unterliegt. Zur Ausstellung einer Karte müssen eine Reihe von Verträgen und Papieren vorgelegt werden.

Im jüngsten Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Ausbeutung von Haushaltshilfen wird eine Liste der häufigsten Arten des Missbrauchs von Angestellten in Diplomatenhäusern angeführt: 83 % der Befragten mussten ihren Reisepass abgeben, 89 % mussten sich 24 Stunden täglich auf Abruf zur Verfügung halten, 79 % verdienten weniger als 150 Euro im Monat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2011)

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