EHEC-Keim: Erste Fälle in Österreich bestätigt

EHECKeim Erste Verdachtsfaelle oesterreich
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In Oberösterreich liegen zwei Deutsche im Spital. Sie haben sich mit dem EHEC-Keim infiziert, der bereits neun Tote gefordert hat. Deutsche Bauern proben unterdessen den Aufstand - Salat sei praktisch nicht zu verkaufen.

Der EHEC-Keim, eine gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli, ist weiter aktiv. Bisher wurden deutschlandweit rund 1000 bestätigte sowie Verdachtsfälle registriert. Laut dem Robert Koch-Instituts starben bisher acht Menschen an dem Darmbakterium. In Österreich wurden bisher bei zwei Personen EHEC-Erkrankungen nachgewiesen. Die beiden Betroffenen waren mit dem Fahrrad von Norddeutschland gekommen. Die beiden Männer sind allerdings schon auf dem Weg der Besserung. Einer konnte das Krankenhaus wieder verlassen.

"Wir müssen aufgrund der steigenden Zahlen immer noch von einem dynamischen Geschehen ausgehen", hieß es aus dem niedersächsischen Gesundheitsministerium in Hannover. Nach Einschätzung von Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) ist der Höhepunkt der Krankheitswelle noch nicht erreicht, da bis zu zehn Tage zwischen einer Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit liegen könnten. Er gehe außerdem davon aus, dass es außer den spanischen Salatgurken noch weitere Ansteckungsquellen geben müsse.

Spanische Betriebe doch nicht geschlossen

Die spanischen Behörden haben Informationen der EU-Kommission dementiert, wonach zwei Agrarbetriebe in Südspanien wegen EHEC-Verdachts vorübergehend geschlossen worden seien. In den beiden Betrieben in den Provinzen Almeria und Malaga seien lediglich bestimmte Mengen von abgeernteten Gurken vorsichtshalber sichergestellt worden, die möglicherweise mit den in Deutschland aufgetretenen EHEC-Infektionen in Verbindung stehen könnten, teilte das Gesundheitsministerium der Region Andalusien in der Nacht auf Samstag in Sevilla mit. Die Produktion in den beiden Betrieben sei in keiner Weise gestoppt worden

Die Suche nach dem Ursprung des schlimmsten bisher in Deutschland registrierten EHEC-Ausbruchs geht also weiter. Für viele Landwirte im Norden Deutschlands wird das Ergebnis in jedem Fall zu spät kommen: Sie sind gezwungen, tonnenweise Gemüse wegzuwerfen. Der Vizepräsident des Bauernverbands im norddeutschen Bundesland Schleswig-Holstein, Hans-Peter Witt, sieht "irrsinnige Schäden" bei heimischen Bauern. Salat sei praktisch nicht zu verkaufen, sogar bei Erdbeeren sei der Verkauf mancherorts um 50 Prozent zurückgegangen. Da es sich bei den Bauernhöfen heute hauptsächlich um Spezialbetriebe handle, die sich auf den Anbau eines Produktes konzentrieren, sei dies existenzgefährdend.

1000 Verdachtsfälle sind keine Epidemie

Von einer EHEC-Epidemie wollte man beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin noch nicht sprechen. Der Ausbruch sei noch zu regional und dauere nicht lange genug an, sagte eine Sprecherin. Bisher wurden - binnen etwa einer Woche - insgesamt rund 1000 bestätigte und EHEC-Verdachtsfälle registriert. Normalerweise werden in Deutschland im gesamten Jahr etwa 900 Infektionen mit den Bakterien gemeldet.

Erstmals beim aktuellen Ausbruch starb ein Mann an den EHEC-Folgen. In Deutschland gibt des bereits neun Todesopfer, die auf den EHEC-Erreger zurückgeführt werden.
Krankheitsfälle gibt es auch im Ausland: Schweden hat bisher 25 nachgewiesene EHEC-Erkrankungen, Dänemark sieben, Großbritannien drei, Österreich zwei und die Niederlande sowie die Schweiz je eine. Die beiden Betroffenen in Österreich waren mit dem Fahrrad von Norddeutschland gekommen.

Tirol und Vorarlberg nicht betroffen

Entwarnung gab unterdessen der Lebensmitteldiskonter Lidl: Laut internen Untersuchungen sind diese Woche zwar in Tirol und Vorarlberg spanische Salatgurken verkauft worden, diese stammen laut Lidl aber nicht aus den verseuchten Chargen. Das Gemüse wurde dennoch bereits am Donnerstag aus dem Handel genommen, die Kunden wurden informiert.

Aus Spanien und den Niederlanden wurde unterdessen heftige Kritik an den Veröffentlichungen deutscher Behörden zu EHEC-Quellen laut. Man habe bei der Europäischen Union (EU) eine Beschwerde gegen die deutschen Berichte eingelegt, teilte das Madrider Agrarministerium mit. Deutschland habe gegen EU-Regeln verstoßen, sagte der Staatssekretär Josep Puxeu. Die Behörden hätten zuerst die Presse unterrichtet und nicht - wie vorgeschrieben - die Instanzen der EU. Dadurch drohten der spanischen Landwirtschaft große Verluste.

Auch der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL) hat das staatliche Krisenmanagement kritisiert. "Obwohl wir in der Lebensmittelkette das letzte Glied vor dem Verbraucher sind und deshalb hohe Verantwortung tragen, haben wir vom Ehec-Darmkeim erst aus den Medien erfahren", sagte der Sprecher. Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE), Jürgen Abraham, befürchtete gegenüber der Zeitung einen wirtschaftlichen Schaden von 15 bis 40 Millionen Euro, falls die Quelle für den EHEC-Erreger nicht bald klar identifiziert sei.

"Ernster als die Schweinegrippe"

In Hamburg erreichten die Kliniken wegen der zahlreichen EHEC-Fälle die Kapazitätsgrenze bei der Versorgung der Patienten. "Für mich ist diese EHEC-Welle viel ernster als die Schweinegrippe", sagte Reinhard Brunkhorst, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie. Vor allem gesundheitsbewusste Frauen seien betroffen. "Es ist absolut schockierend, wenn man eine Patientin Anfang 30 hat, die kaum noch sprechen kann und Krampfanfälle hat."

Lexikon: EHEC-Keime

EHEC-Keime sind eine besonders gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli. Der Erreger ist vor allem deshalb gefährlich, weil nach Expertenangaben rund zehn bis 100 der winzigen Bakterien ausreichen, um den Durchfall auszulösen.

Bei anderen Infektionen sind um ein Vielfaches mehr Erreger nötig, damit es zur Erkrankung kommt. Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) ist eine schwere EHEC-Verlaufsform, bei der giftige Stoffwechselprodukte des Bakteriums zu Nierenschäden führen können.

(APA)

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