Am Freitag trat die "Atlantis" den letzten Flug einer amerikanischen Raumfähre an. Hunderttausende Zuseher trotzten in Cape Canaveral in Florida den Regen und die Schwüle. Und Russland ist die neue Allmacht.
Und dann geschah es doch: Am Freitag um 11.30 Ortszeit (17.30 MESZ) hob die „Atlantis“, das letzte aktive amerikanische Spaceshuttle, von Cape Canaveral in Florida zum allerletzten US-Raumfährenflug überhaupt ab. Dabei war die Wetterlage in den vergangenen Tagen suboptimal, die Chance für den Start war mit nur 30 Prozent eingeschätzt worden. Zudem gab es 31 Sekunden vor Zündung der Raketen eine Schrecksekunde, weil unklar war, ob sich ein Ausleger des Startturms richtig zurückgezogen hatte; nach drei Minuten war die Lage geklärt, der Countdown ging weiter.
An Bord sind vier Crewmitglieder, darunter eine Frau (siehe „Hintergrund“). Normalerweise haben sieben bis acht Personen Platz, aber man musste Raum für zwei russische Sojus-Kapseln als Fluchtgeräte machen – es gibt kein anderes Shuttle mehr, um der Crew im All zu helfen. Das Schiff bringt in erster Linie den italienischen Versorgungscontainer „Raffaello“ zur Raumstation ISS, der mit vier Tonnen Nachschub für die ISS, – Bedarf für ein Jahr – gefüllt ist. Zudem wird ein experimentelles System zur robotischen Betankung von Satelliten mitgeführt. Die Mission soll zwölf Tage dauern.
Die Raumfähre "Atlantis" ist zu Mittag erfolgreich in Cape Canaveral gelandet. Am 8. Juli war die Raumfähre zu ihrer letzten Mission ins All gestartet, denn die USA werden das Space-Shuttle-Programm nach 30 Jahren einstellen. (c) AP (John Raoux)
Die Bedingungen bei der Landung waren ideal. (c) AP (Bill Ingalls)
Die NASA-Mitarbeiter im Johnson Space Center in Houston bejubelten die erfolgreiche Landung. (c) REUTERS (NASA TV)
Auch zahlreiche Schaulustige verfolgten die Landung mit Spannung. (c) AP (David J. Phillip)
Das Shuttle ist mit einer Minute Verspätung gelandet. (c) REUTERS (NASA TV)
An Bord der "Atlantis" befinden sich rund zwei Tonnen altes Gerät und Abfall aus der ISS. (c) AP (Terry Renna)
Die Raumfähre setzt zur Landung an. (c) EPA (GARY I ROTHSTEIN)
Aus dieser Perspektive haben die Astronauten der "Atlantis" die Landung erlebt. (c) AP
Die Besatzung hat die Mission gut überstanden. Chris Ferguson bedankt sich bei seinem Piloten Doug Hurley. (c) AP (Scott Audette)
Hurley inspiziert ein letztes Mal das Fahrwerk der "Atlantis". (c) AP (Scott Audette)
Zahlreiche Journalisten hatten sich auf die Landung der Raumfähre vorbereitet. (c) EPA (GARY I ROTHSTEIN)
Die vierköpfige Crew nach der letzten Pressekonferenz vor der Landung. "Der Space Shuttle war für uns das Herz und die Seele der bemannten Raumfahrt und es ist ein bisschen traurig, es gehen zu sehen", sagte Kommandant Chris Ferguson. (c) Reuters (NASA)
Die Besatzung der "Atlantis" wirft einen letzten Blick auf die Internationale Raumstation ISS. (c) Reuters (NASA)
Die Crew der Raumfähre "Atlantis" verabschiedet sich von der ISS-Besatzung. (c) REUTERS (NASA TV)
Die beiden Besatzungen bei einem der letzten Abendessen vor der Rückreise des Shuttles. (c) REUTERS (NASA)
Von der ISS aus kann man das Aurora australis sehen. Das Leuchtphänomen wird auch als Südlicht bezeichnet. (c) REUTERS (NASA)
Das grüne Licht entsteht, wenn elektrisch geladene Teilchen auf die oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen. (c) AP
Der Astronaut Mike Fossum bei dem letzten Außeneinsatz in der Shuttle-Ära. Eine defekte Kühlpumpe musste von der Internationalen Raumstation ISS abmontiert und anschließend in der Raumfähre "Atlantis" verstaut werden. (c) REUTERS (NASA)
Der Einsatz wurde am vergangenen Mittwoch durchgeführt und dauerte mehrere Stunden. Derartige Einsätze werden in Zukunft nicht mehr möglich sein: Die einzigen Raumfahrzeuge, die es nach dem Ende des Shuttle-Programms bis zur ISS schaffen, sind viel zu klein für so eine Mission. (c) REUTERS (NASA)
Der Astronaut Doug Hurley bereitet die Ausrüstung für den komplizierten Außeneinsatz vor. (c) REUTERS (NASA)
Zunächst musste die hunderte Kilo schwere Pumpe abmontiert werden. Die Astronauten wurden dabei von einem Roboterarm unterstützt, der von der ISS aus gesteuert werden kann. (c) AP
Anschließend wurde die Pumpe in der "Atlantis" verstaut. Der Einsatz dauerte mehr als sechs Stunden. (c) EPA (NASA T.V./HANDOUT)
Die beeindruckende Aussicht konnten die Astronauten während der Arbeiten wohl nicht genießen. (c) AP
Am 8. Juli war mit der "Atlantis" zum letzten Mal ein Space-Shuttle in den Weltraum gestartet. "Die Schönheit des Shuttles, sein Sound, die Vibration - das ist eine Ganzkörper-Erfahrung", schwärmte ein Zaungast. Er war von Virginia die Nacht durchgefahren, um den Start aus der Nähe mitzuerleben. (c) AP (Dave Martin)
Hunderttausende Schaulustige in der Region um das Kennedy Space Center wurden Zeugen des historischen Shuttle-Starts. Um 11.30 Uhr Ortszeit hob die "Atlantis" zur 135. und letzten Mission einer US-Raumfähre ab. (c) REUTERS (HANS DERYK)
Die Raumfahrtbehörde Nasa sprach von einem "problemlosen Start". Allerdings musste der Countdown 31 Sekunden vor dem geplanten Abflug um 11.26 Uhr unterbrochen werden, weil befürchtet wurde, dass sich ein Haltearm nicht komplett von der "Atlantis" gelöst hatte. Die Entwarnung kam rechtzeitig. (c) EPA (Nasa)
Der lang angekündigte Flugtermin hatte bis zuletzt wegen des schlechten Wetters gewackelt. Feuchtes Tropenwetter aus der Karibik hatte dicke Wolken über die Atlantikküste in Florida geschoben. Die Startchancen lagen bis zuletzt nur bei 30 Prozent - doch pünktlich zum Abflug klarte es ausreichend auf. (c) REUTERS (SCOTT AUDETTE)
Bereits am Vortag waren in Titusville die Campingplätze, Rasenflächen und Betonparkplätze von Supermärkten mit Zelten und Wohnmobilen übersät. Tausende fanden keinen Ort zum Übernachten und mussten die regnerische Nacht im Auto oder im Freien auf Stühlen sitzend verbringen. (c) AP (Chris O'Meara)
„Ich war so aufgeregt, dass ich nicht schlief“, erzählte die Texanerin Ruth über das Gemeinschaftserlebnis mit zahllosen Gleichgesinnten in Zelten und Schlafsäcken, die sich unter freiem Himmel zum letzten Hurra nach 30 Jahren Space-Shuttle scharten. (c) AP (Dave Martin)
„Es ist wie zu Zeiten von Apollo“, sagt Roy Whitson (74), ein Nasa-Veteran, in Erinnerung an die Mondflüge der 60er- und 70er. Er stellte sich noch einmal unentgeltlich in den Dienst der Nasa. „Es liegt mir einfach im Blut. Meine Frau findet zwar, dass ich spinne. Irgendwie aber fühle ich mich wie ein Rädchen im Getriebe.“ (c) AP (Chris O'Meara)
Die Fans hatten sich an den umliegenden Stränden die Plätze mit der besten Sicht auf den Himmel über dem Weltraumbahnhof gesichert. Vor dem Start ging auch auf den Highways gar nichts mehr. Es dauert nicht einmals eine Minute, dann verschwand die Raumfähre über dem Atlantik aus dem Blick der Schaulustigen. (c) REUTERS (GARY HERSHORN)
An Bord sind vier Crewmitglieder: Commander Chris Ferguson (49), Pilot Douglas Hurley (34), die Missionsspezialisten Sandra Magnus (36) und Rex Walheim (38). Im Bild: Shuttle-Fans in Nasa-Overalls. Normalerweise haben sieben bis acht Personen Platz, aber man musste Raum für zwei russische Sojus-Kapseln als Fluchtgeräte machen – es gibt kein anderes Shuttle mehr, um der Crew im All zu helfen. (c) AP (David J. Phillip)
Ziel der 135. Shuttle-Mission ist es, einen Jahresvorrat von mehr als 3,8 Tonnen Proviant, Ausrüstung und Ersatzteilen zur ISS zu bringen. Zudem soll eine neue Methode getestet werden, Satelliten im Weltall von Robotern betanken zu lassen. (c) AP (Reinhold Matay)
Die Mission der "Atlantis" hat dreizehn Tage gedauert. Jetzt verfügen die USA zumindest für mehrere Jahre über keine Weltraumvehikel, die Astronauten ins All befördern können. (c) REUTERS (NASA TV)
Die Landung der ''Atlantis''
Der Regen hatte ein Ende
Am Donnerstag hatte tropischer Regen die Aussichten auf einen pünktlichen Start verwässert. Regen in allen Formen ging auf die Massen von Raumfahrtfans nieder, die im Space View Park in Titusville vis-à-vis von Cape Canaveral, durch einen Meeresarm vom Weltraumzentrum getrennt, ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Er träufelte, trommelte, peitschte. Grau und trüb wie auch am Freitag hing der Himmel über der „Space Coast“, schwere Wolken drückten über den Mangrovenwäldern und Marschen rund ums Kennedy Space Center. Blitze schlugen nahe der Abschussrampe ein. Die methodistische Kirchengemeinde auf Cape Canaveral flehte in einem Spruchband um himmlische Hilfe: „Gott segne Atlantis.“
Die Texanerin Ruth und ihre Schwiegertochter Carrie ließen sich ihr Camping-Abenteuer nicht verdrießen. „Ich war so aufgeregt, dass ich nicht schlief“, erzählt Ruth über das Gemeinschaftserlebnis mit zahllosen Gleichgesinnten in Zelten und Schlafsäcken, die sich trotz Blitz und Donner unter freiem Himmel zum letzten Hurra nach 30 Jahren Space-Shuttle scharten. Auch Terry Hawkings und seine beiden Söhne hatten die Nacht im Zelt dank einer prall gefüllten Tasche mit Proviant und einem Karton Bier überstanden. Sie hatten eine 16-stündige Autofahrt aus Houston auf sich genommen; es war für sie Ehrensache, den vorläufig letzten Akt der US-Raumfahrt mitzuerleben.
Schätzungsweise eine Million Menschen säumte den Küstenstreifen nahe des Raumfahrtzentrums. Eine Blechlawine schlängelte sich entlang der Bundesstraße 1, der Interstate I-95 und Zubringerstraßen. Weiße VIP-Zelte mit Logen-Aussicht reihten sich aneinander. „Es ist wie zu Zeiten von Apollo“, sagt Roy Whitson (74), ein Nasa-Veteran, in Erinnerung an die Mondflüge der 60er- und 70er. Er stellte sich noch einmal unentgeltlich in den Dienst der Nasa. „Es liegt mir einfach im Blut. Meine Frau findet zwar, dass ich spinne. Irgendwie aber fühle ich mich wie ein Rädchen im Getriebe.“
Eine Region sorgt sich um die Zukunft
Zum vorläufig letzten Mal riss der Ansturm das Städtchen Titusville aus seinem Schlaf. Und wie stets bei derlei Anlässen witterten manche das große Geschäft. Schäbige Motels setzten ihren Preis ums Dreifache hinauf. Mark Concan, Chef des Unternehmerverbandes, kassiert 30 Dollar für einen Parkplatz mit guter Aussicht – und für einen guten Zweck, wie er betont. Er plant ein Shuttle-Denkmal – eine Attraktion für eine Stadt, die unter dem Exodus tausender Nasa-Mitarbeiter leidet, die es in die Boeing-Zentrale nach Seattle zieht, ins Nasa-Hauptquartier nach Washington, oder ins berufliche Nirgendwo.
Er bleibt Optimist: „Wir haben das Ende der Apollo-Mission überlebt, die Zwangspause nach den Katastrophen der Shuttles Challenger und Columbia. Wir werden uns wieder erfangen. Es ist ja nie gut, alle Eier in einen Korb zu legen.“ Erste Gehversuche im Ökotourismus seien vielversprechend. „Manche meinen ja, man müsse das Alte niederreißen, um Neues zu erfinden.“
Neues erfinden müssen die USA in der Tat: Da man sich in den vergangenen 30 Jahren exklusiv auf die Shuttles verließ, hat die Nasa nun, obwohl das Ende des Shuttleprogramms 2004 beschlossen worden war, kein anderes Schiff, um Personen oder Fracht zur ISS zu schicken; nur Satellitenstarts sind möglich. Überhaupt besitzen nur die Russen Raumschiffe, die altgedienten Sojus, um Menschen zur ISS zu fliegen, weshalb die USA nun Sitze in Sojus-Kapseln mieten müssen – zum Preis von derzeit jeweils rund 44 Millionen Dollar, später 63 Mio. Dollar.
Neue Raumschiffe gesucht
Zwar sollen private Firmen ab 2012 Frachtflüge durchführen, aber bemannte Schiffe, an denen Private und Nasa arbeiten, sind nicht vor 2016 realistisch. Und es wirkt wie Hohn: Diese werden mit den Shuttles kaum noch etwas gemein haben, sondern sich an den Apollo-Kapseln orientieren, mit denen Amerika einst zum Mond flog.
Hintergrund
STS-135 (STS steht für Space Transportation System) lautet der Code der 135. und letzten Mission eines Shuttles. Das Missionswappen zeigt die Fähre Atlantis und den griechischen Buchstaben Omega – der letzte im griechischen Alphabet und Symbol des Endes der Shuttle-Ära nach 30 Jahren. Darüber stehen die Namen der Crewmitglieder: Commander Chris Ferguson (49), Pilot Douglas Hurley (34), die Missionsspezialisten Sandra Magnus (36) und Rex Walheim (38). Die allerersten Shuttle-Flieger waren im April 1981 übrigens John Young(*1930) aus San Francisco und Robert Crippen(*1937) aus Beaumont, Texas.
Das Aus für die Spaceshuttle-Flüge stürzt die einst ruhmreiche Weltraumbehörde der USA in eine Krise, die sich als jüngstes Indiz für den schleichenden Niedergang der Supermacht deuten lässt.
Das Grundkonzept aller Raumfähren fußt in Plänen des Luft- und Raumfahrtpioniers Eugen Sänger aus den 1930er-Jahren. Nazideutschland hätte daraus fast einen Bomber gegen Ziele in den USA gemacht.