Occupy Wall Street: Polizei löst Protestcamps auf

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New Yorks Bürgermeister Bloomberg ordnete die Reinigung des Hauptquartiers der Protestbewegung im Zuccotti Park im Finanzdistrikt in Lower Manhattan an. In den USA greift die Polizei mit harten Mitteln durch.

Washington. Unsanft und frühzeitig endete die Nacht für die Demonstranten der „Occupy Wall Street“-Bewegung, die seit fast zwei Monaten in ihrem Camp im Zuccotti Park in New York ausgeharrt haben. In den frühen Dienstagmorgenstunden machte die New Yorker Polizei nicht viel Federlesens bei der von Bürgermeister Michael Bloomberg angeordneten Räumung des Platzes im Finanzdistrikt in Lower Manhattan.

Ausgerüstet mit Brustpanzern, Helmen und Schutzschilden rückte sie in einem Kontingent von 1000 Mann über die Brooklyn Bridge an und nahm 70 Demonstranten fest. Die Polizisten zerrten hartnäckige Aktivisten aus ihren Zelten und Schlafsäcken, manche hatten sich mit Fahrradketten an Bäume gebunden. Die meisten verließen das Kristallisationszentrum der Proteste jedoch aus freien Stücken, um sich rasch auf dem nahen Foley Square zu gruppieren.

Klagen über sexuelle Übergriffe

„Wir sind die 99 Prozent“, skandierten sie ihren Slogan, der längst weltweit zur Kennmelodie ihrer Bewegung geworden ist. Und sie stimmten auch „We Shall Overcome“ an, die Hymne der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre. Joan Baez hatte sie einst populär gemacht. Wie Stephen Sills und David Crosby hat die Folk-Sängerin den Demonstranten neulich eine Stippvisite abgestattet.

Überall in den USA beginnt indessen die Moral der „Occupy Wall Street“-Bewegung zu erodieren, allenthalben häufen sich die Klagen der Anrainer und die Beschwerden über Chaos, mangelnde Hygiene und sexuelle Übergriffe. In Oakland und Portland, zwei traditionell linksliberalen Hochburgen an der Westküste, hat die Polizei in den vergangenen Tagen die Protestcamps denn auch mit drastischen Maßnahmen aufgelöst. Auch in Zürich schritt die Polizei ein und räumte eine Zeltstadt.

In den USA sind die Auflösungserscheinungen evident. Der nahende Winter lässt die Schar der Aktivisten auf einen harten Kern schmelzen. Michael McCarthy aus Providence, ein ehemaliger Marine-Sanitäter, verglich sich indes mit den Truppen George Washingtons, die während des Unabhängigkeitskriegs im Freien überwintert hatten. „In den Bergen Afghanistans wird es auch ziemlich kalt“, sagte Dwayne Hudson aus Denver trotzig. Manch einer denkt spaßhalber an den Bau von Iglus. Die Bewegung verlagert sich tendenziell an die Universitäten. In Berkeley, Harvard und anderen Unis schlugen Studenten Zeltlager auf dem Campus auf. Zugang finden dort allerdings nur Studenten mit gültigem Ausweis. „Berufsdemonstranten“ und Anarchisten, Kriegsveteranen und Obdachlose, die einen Gutteil der Demonstranten ausmachen, bleiben ausgesperrt.

In New York lavierte Bürgermeister Bloomberg lange herum. Einerseits machte er von Anfang an kein Hehl aus seiner Abneigung gegen Anliegen der Demonstranten. In der Besetzung des Zuccotti Parks wähnte er eine Keimzelle für Unruhen und eine Gefahr für die Finanzindustrie und für den Tourismus der Metropole. Zum anderen stand der Milliardär und Gründer der gleichnamigen Finanznachrichtenagentur – und als solcher eine deklarierte Zielscheibe der Bewegung – als Garant für Rede- und Meinungsfreiheit ein. Eine erste Reinigungsaktion hatte der Bürgermeister vor einem Monat wieder abgeblasen. Jetzt sicherte er den Demonstranten eine Rückkehr auf den Platz zu – freilich ohne Zelt und Schlafsack.

Die Wall-Street-Kritiker erhoffen sich neuen Zulauf. Für Donnerstag, zwei Monate nach Beginn der Proteste, haben sie eine Blockade des Finanzzentrums angekündigt. Mit einem Straßenkarneval wollen sie den bisher größten Protestzug starten. Es ist zu bezweifeln, dass die Polizei dem Treiben tatenlos zusehen wird.

Auf einen Blick

Die Protestbewegung „Occupy Wall Street“ kämpft mit dem nahenden Winter und der Polizei. In New York ließ Bürgermeister Michael Bloomberg den Zuccotti Park, das Epizentrum der Demonstranten, vorübergehend räumen. Für Donnerstag kündigten die Aktivisten die Blockade der Wall Street an. Auch in anderen US-Städten, in Oakland und Portland an der Westküste, griff die Polizei hart durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2011)

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