Afghanistan: UN-Drogenpolitik hat versagt

Afghanistan. Mehr Opium denn je, Anbauflächen verlagert.

Wien. Vier Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes droht das Drogenproblem in Afghanistan außer Kontrolle zu geraten. Während der Opiumanbau laut "World Drug Report 2005" weltweit stagniert oder sogar rückläufig ist, steigt die Produktion in Afghanistan stetig an. 87 Prozent des weltweiten Rohopiums wächst hier.

Die Strategie der UNO, Opiumanbauflächen zu zerstören, trägt bisher kaum Früchte. Sie heizt lediglich den Zorn der afghanischen Bevölkerung an. Denn Bauern, deren Opiumfelder vernichtet werden, stehen von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts. Ihre Wut lassen sie immer öfter an den im Hindukusch stationierten Nato-Soldaten aus. Als hätten die nicht ohnehin alle Hände voll zu tun, die wiedererstarkten radikal-islamistischen Taliban zu bekämpfen.

Antonio Maria Costa, Generaldirektor des in Wien ansässigen UN-Büros zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) glaubt dennoch, dass die Zerstörung illegaler Anbaufelder zielführend ist. "Laos ist heute opiumfrei", bilanzierte er während des 49. Meetings der Suchtgiftkommission der UNODC, das heute, Freitag, zu Ende geht.

Darauf könne man keineswegs stolz sein, heißt es beim Senlis Council, einem internationalen Netzwerk von Experten aus Wissenschaft und Politik. In Laos habe die Zerstörung der Anbaufelder tausende Bauern hilf- und mittellos zurückgelassen. "Es gibt keine Hilfsprogramme für die Betroffenen. Die Drogenpolitik der UNO hat komplett versagt," meint Emmanuel Reinert, leitender Direktor des Senlis Council. "Unter dem derzeitigen Drogenkontrollsystem steuern wir auf eine ernst zu nehmende Krisensituation zu."

Reinert verweist auf eine interne UNO-Studie, die die bisherige Arbeit der UNODC im Bereich der "alternativen Entwicklung" ehemaliger Drogenanbaugebiete als ineffizient, langsam und bruchstückhaft bezeichnet. Ein einziger Mitarbeiter sei für das gesamte weltweite Programm zuständig.

Die Vernichtung der Opiumfelder in Afghanistan müsse gestoppt werden, fordert das Senlis Council. Der Drogenanbau würde dadurch nicht verhindert, sondern nur verlagert.

Vielmehr solle man den Opiumanbau lizenzieren und für humanitäre Zwecke nützen, schlägt Reinert vor. Der weltweite Mangel an Morphinen und Codeinen zur Schmerzbehandlung könne durch einen großflächigen legalen Anbau von Opium in Afghanistan behoben werden. Laut Senlis Council hat 80 Prozent der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Schmerzmitteln. "Wir würden also eine weitere Krise in den Griff bekommen und afghanische Bauern würden ihre Einkommensquelle legal behalten", argumentiert Senlis-Direktor Reinert.

Mit dem "Fair-Trade"-Opium aus Afghanistan wolle man nicht in den bestehenden Markt eingreifen, sondern ein "Parallelsystem" entwickeln, das sich auf Länder beschränkt, in denen Schmerzmittel bisher nicht erhältlich sind, etwa in Lateinamerika.

"Zumindest für einen Teil der Bauern könnte das eine Lösung sein", meint Jorrit Kamminga, Leiter der Strategieforschung bei Senlis. Das würde sofort funktionieren, meint er. Während es Jahre dauere, bis Opiumfelder für den Anbau von Kaffee oder anderen Produkten umgewandelt würden.

Dass es in diesem Bereich noch Handlungsbedarf gibt, sieht auch UNODC-Generaldirektor Costa. Er forderte reiche Länder zu mehr finanzieller Unterstützung auf. "Nicht einmal zehn Prozent der Betroffenen weltweit erhalten die Hilfe, die sie benötigen würden", resümiert Costa.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.