Defekte Implantate: "Will wissen, wer betrogen hat"

Brustimplantate Kontrolle
Brustimplantate Kontrolle(c) REUTERS (Eric Gaillard)
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Der französische Gesundheitsminister will strengere Zulassungsverfahren von Medizinprodukten. Auch Männer könnten Opfer von defekten Implantaten sein.

Im Skandal um defekte Billig-Brustimplantate hat sich die französische Regierung für strengere Regeln auf EU-Ebene bei der Zulassung von Medizinprodukten ausgesprochen. Gesundheitsminister Xavier Bertrand sagte am Donnerstag dem Sender LCI in Paris, er werde in einer Telefonkonferenz mit anderen europäischen Gesundheitsministern darüber sprechen. "Für Medizinprodukte brauchen wir andere Regeln, nur einfach ein Prüfzeichen reicht nicht." Während Medikamente eine strenge Zulassungsprozedur durchlaufen müssen, sind die Kontrollen bei Medizinprodukten weit weniger streng.

Bei der EU-Kommission stößt er dabei auf offene Ohren: Die will unter anderem die Rückverfolgbarkeit solcher Prothesen und anderer medizinischer Geräte in den nächsten Monaten verbessern. Außerdem soll das Genehmigungsverfahren schärfer gestaltet werden. Noch im ersten Halbjahr soll eine Neufassung der Richtlinie aus dem Jahr 2007 präsentiert werden.

Der Minister forderte auch Aufklärung in der Frage nach den Verantwortlichkeiten in dem Skandal. "Ich will wissen, wer Fehler gemacht hat, wer betrogen hat", sagte er. Bertrand wollte zunächst keine Angaben zu Presseberichten machen, wonach auch Männern PIP-Produkte zur Brustmuskel-Vergrößerung beziehungsweise an den Hoden eingesetzt worden seien. Der Minister sagte, dazu habe er noch keine zuverlässigen Informationen. Es müsse auch abgewartet werden, wieviele Personen betroffen seien und was in diesen Prothesen für Männer enthalten sei.

Implantate in Deutschland geprüft

Die 2010 aufgelöste Firma PIP hatte weltweit hunderttausende mit einem Billig-Silikon gefüllte Brustimplantate verkauft. Danach war es vermehrt zu Rissen in den Einlagen und in der Folge zu Entzündungen bei den betroffenen Frauen gekommen. Der Firma wird vorgeworfen, sie habe medizinisches Silikongel aus Kostengründen durch Industriesilikon ersetzt. Der TÜV Rheinland, der das europaweite Zertifikat für das Produkt ausgestellt hatte, sieht sich selbst durch die Firma getäuscht und hat deshalb bereits Anzeige erstattet.

In einem bisher einzigartigen Aufruf hatten die Behörden in Frankreich rund 30.000 Frauen empfohlen, sich die PIP-Silikonkissen vorsichtshalber wieder entfernen zu lassen. Nach jüngsten Angaben sind inzwischen 20 Frauen mit PIP-Implantaten an Krebs erkrankt. Einen Beweis für einen Zusammenhang zu den Silikonkissen gibt es aber nicht. Auch Frauen in Deutschland tragen die Einlagen, offizielle Zahlen liegen nicht vor. In anderen Ländern sind zehntausende Frauen betroffen, allein in Großbritannien sollen es bis zu 50.000 sein.

(Ag.)

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