Italien: „Circus maximus“ ums Kolosseum

(c) AP (BEATRICE LARCO)
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Ein Unternehmer will die Restaurierung des Kolosseums mit 25 Millionen Euro sponsern. Dafür bekommt er es nun mit der Justiz zu tun. Gut fünf Mio. Touristen pro Jahr besuchen die Arena.

Rom. Das Kolosseum in Rom hat wahrlich schon bessere Zeiten erlebt: Vergangenen Herbst ist es bei einem Wolkenbruch derart vollgelaufen, dass man in der Arena – wie die alten Römer – gleich Seeschlachten hätte veranstalten können. Zu Weihnachten ist wieder einmal Tuffstein herabgebrochen, ein Geländer hat nachgegeben.

„Das Kolosseum zerfällt“, ruft voller Aufregung der Bürgermeister von Rom, und alle sind sich schon lange mit ihm einig: Diese weltberühmte Stätte antiker Volksbelustigung, heute bedrängt von gut fünf Mio. Touristen pro Jahr, hat eine Generalüberholung nötig.

Nicht, dass es an Geld fehlte, im Gegenteil. 25 Mio. Euro liegen bereit, mehr wollten die Denkmalschützer gar nicht. Im März sollen die Arbeiten losgehen. Besser gesagt: sollten. Denn auf einmal gibt es um die Millionen großen Ärger: Staatsanwälte ermitteln, der Rechnungshof obendrein; das Verwaltungsgericht kann, wenn es will, alles blockieren.

Gespendet hat das Geld der italienische Schuh- und Luxusmodenhersteller Diego Della Valle, genannt „DDV“ oder „Mister Tod's“, seiner Hauptmarke wegen. DDV also sagt, er habe aus reiner Vaterlandsliebe gehandelt. Angesichts beständig klammer Staatskassen sei es ihm als erfolgreichem Privatmann „eine Ehre, das Symboldenkmal Italiens zu restaurieren“.

Niemand wollte Risiko schultern

Von wegen, wettern Leitartikler und Gewerkschaften: Della Valle wolle das Kolosseum nur zu Werbezwecken missbrauchen. Ihm das Anbringen von Plakaten, die Reklame auf Eintrittskarten und für 15 Jahre – wie im Vertrag vorgesehen – die Exklusiv-Vermarktungsrechte zu überlassen, das sei ein „Kniefall“ vor privatem Profit, ein „Ausverkauf“ nationaler Symbole. Da hätte DDV schon viel mehr Geld auf den Tisch legen müssen.

Die Gewerkschaft der Kulturbeschäftigten hat die Lawine losgetreten. Sie hält den Zuschlag für die Restaurierung an DDV für ungesetzlich. Und das kam so: Mangels rechtlicher Regelungen für Kultur-Sponsoring hatten die Denkmalschützer die Restaurierung ausgeschrieben wie einen öffentlichen Bauauftrag. Der Übernehmende hätte also nicht nur zahlen, sondern alles tun müssen: die Arbeiten planen und leiten, geeignete Firmen suchen, abrechnen. Dieses Gesamtrisiko aber wollte sich bei einem historisch so heiklen Bauwerk wie dem Kolosseum kein Privater aufhalsen.

Als das Ministerium am Ende der Frist mit leeren Händen dastand, schlug DDV zur Erleichterung der Restauratoren sowie zur Verzweiflung der Juristen und Bürokraten vor, die Arbeiten lediglich zu bezahlen, die Ausführung aber der Fachwelt zu überlassen. Darauf ließen die Behörden alle öffentlichen Ausschreibungen sein und vergaben den „Auftrag“ in Privatverhandlungen an Della Valle.

Dies könnte formal unrechtmäßig gewesen sein. Kritiker vermuten: Hätte das Ministerium unter den neuen Bedingungen noch einmal ausgeschrieben, hätten sich weitere Sponsoren gemeldet – und womöglich mehr Geld geboten. Dass Details aus Della Valles Vertrag nie ganz offengelegt wurden, nährte den Verdacht, da solle eine in Wahrheit hoch kommerzielle Nutzung verschleiert werden.

„Wir zahlen einfach so“

Eine „Ausbeutung“ dieser Art aber, versichert Della Valle noch unverdrossen, sei absolut nicht geplant. Andersrum werde ein Schuh daraus: „Wir zahlen einfach so, um das Kolosseum vor jedweder kommerzieller Spekulation zu bewahren."  Wenn es bei den Plänen bleibt. Denn genervt, wie er inzwischen ist, denkt DDV bereits über einen Rückzug nach - und den seiner 25 Millionen.

Lexikon

Das Kolosseum, bis heute Wahrzeichen Roms, ist der größte noch erhaltene Bau der römischen Antike. Kaiser Vespasian gab 72 n.Chr. den Bau in Auftrag. Eröffnet wurde die Arena im Jahr 80 mit 100-tägigen Spielen, Gladiatoren- und Tierkämpfen. Auf den Tribünen fanden 50.000 Zuschauer Platz, dennoch konnten sie innerhalb von nur fünf Minuten geräumt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2012)

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