"Costa Concordia": Spekulation über blinde Passagiere

Costa Concordia Rettungsaktion erneut
Costa Concordia Rettungsaktion erneut(c) REUTERS (PAUL HANNA)
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Jene Ungarin, die am Sonntag tot geborgen wurde, war nicht in der Passagierliste eingetragen. Die Zahl der Vermissten ist auf 24 gestiegen.

Am neunten Tag nach dem Schiffsunglück vor der toskanischen Küste wurde die Suche nach Vermissten fortgesetzt, nachdem es am Sonntag weiter in die Tiefe abgerutscht war. Die Rettungstrupps konzentrierten sich am Montag zunächst auf Deck vier. Dort werden im Bereich eines Restaurants weitere Opfer vermutet, wie ein Feuerwehr-Hauptmann sagte. Erneut wollen sich die Tauchmannschaften mit Sprengkörpern Zugang zu jenen Teilen des Wracks verschaffen, zu denen sie bisher noch nicht vordringen konnten.

Die Behörden rechnen inzwischen damit, dass sich mehrere blinde Passagiere an Bord befunden haben könnten. Am Sonntag wurde die Leiche einer Ungarin entdeckt. Die Frau sei aber nicht in den offiziellen Listen eingetragen gewesen, erklärte Zivilschutz-Einsatzleiter Franco Gabrielli. Vier weitere Leichen seien bisher ebenfalls nicht identifiziert worden, anhand der Passagierlisten sei dies nicht möglich. Wegen dieser Ungenauigkeiten müsse noch von mindestens 24 Vermissten ausgegangen werden. Bisher wurden 13 Tote geborgen.

Suche nach Laptop des Kapitäns

Die ermittlenden Staatsanwälte suchen nach einem Laptop von Kapitän Francesco Schettino. Nach Angaben italienischer Medien habe der Kapitän das Notebook am Tag nach dem Unglück einer blonden Frau übergeben. Das Gerät könnte für die Ermittlungen wichtige Informationen enthalten, meinen die Staatsanwälte. Der Kapitän hatte vor dem Unfall keine Drogen eingenommen. Dies ergab ein entsprechender Test, dem der 52-Jährige unterzogen wurde. "Wir hatten über das Ergebnis des Tests keine Zweifel", kommentierte Schettinos Rechtsanwalt Bruno Leporatti.

Jeder gegen jeden

Indes berichtet der unter Hausarrest stehende Schettino im Verhör von haarsträubenden Szenen nach dem Unfall. Demnach sei der erste Passagier, der starb – ein Franzose–, jäh einem Herzinfarkt erlegen. Schettino will von einem Rettungsboot aus die Hilfe koordiniert haben, es sei im Dunklen gegen Menschen gestoßen, die im Meer schwammen. Zeugen ergänzten, hunderte Senioren und Behinderte seien sich selbst überlassen worden, Erwachsene hätten sich vor Kindern in die Boote gedrängt. Kein Passagier habe Rücksicht auf andere genommen.

Schettino, dem die Hauptschuld am Unglück gegeben wird, bestritt, dass er lange vor Ende der Evakuierung das Schiff verlassen habe. „Ich hatte nicht einmal eine Schwimmweste, ich gab sie einem anderen Passagier.“ Zudem will er nach der Kollision mit einem Felsen beim Kreuzfahrtunternehmen Costa angerufen und Schleppkähne und Hubschrauber angefordert haben; die Aussagen könnten anhand der geborgenen Blackbox des Schiffs überprüft werden.

Entlastet eine Moldawierin den Kapitän?

Eine junge Frau aus Moldawien, die laut Medienberichten als wichtige Zeugin des Unglücks gilt, soll von der moldawischen Polizei im Auftrag der italienischen Behörden über die Ereignisse an Bord des am 13. Jänner havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" befragt werden. Dies berichteten italienische Medien. Ein Termin für die Befragung sei bereits vereinbart worden.

Die Frau hatte vergangene Woche in einem Interview mit dem moldawischen Fernsehen Kapitän Schettino verteidigt und ihn als Held bezeichnet. Zugleich hatte sie bestritten, dass sie seine Geliebte sei. Die 25-jährige Domnica Tschemortan hatte behauptet, dass sich alle Besatzungsmitglieder an Bord des havarierten Schiffes professionell verhalten hätten.

Die blonde Balletttänzerin hätte angegeben, sie sei mit Schettino zusammen gewesen, als das Schiff einen Felsen rammte. Die 25-Jährige sei auch auf der Kommandobrücke des Schiffes gewesen. Laut italienischen Medien war die Frau als Gast des Kapitäns an Bord gewesen. Sie soll auf der Passagierliste gestanden sei.

Tschemortan sagte, sie habe für die Costa-Reederei auf anderen Schiffen gearbeitet und habe an Bord der "Concordia" ihren 25. Geburtstag feiern wollen. Zum Zeitpunkt des Unglücks habe sie mit Freunden zu Abend gegessen. Sie bestritt, dass Schettino auf der Brücke Drinks genommen habe. Um 23.50 Uhr sei sie ins Wasser gesprungen, sagte sie. "Der Kapitän hat da noch auf der Brücke gearbeitet."

Wrack als Attraktion

Die havarierte Concordia mutiert derweil zur Touristenattraktion. Tausende Neugierige kamen bereits nach Giglio, Touristen versuchen, Boote zu mieten, um sich dem Wrack zu nähern.

(Ag.)

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