Krankenpflegerin erstellt „Hitparade der letzten Reue“

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Eine australische Krankenpflegerin hat über Jahre notiert, was Sterbende am Ende ihres Lebens am meisten bereuten. Unter den Top Five der Reue: "Hätte ich nur nicht so viel gearbeitet!"

Sydney/Wien/Wg. Wenn erst einmal das Dunkel naht, geht es nicht mehr ums Geld. Um Macht. Um Ruhm. Oder Sex (nämlich um den, den man nicht hatte): Eine Australierin, die mehr als acht Jahre lang als Betreuerin von Palliativpatienten, also unheilbar Kranken mit sehr begrenzter Lebenserwartung, arbeitete, hat zusammengefasst, was diese am Ende ihres Lebens am meisten bereuten. Unter der „Hitparade der letzten Reue“ ganz vorn liegen: Man hätte lieber weniger gearbeitet. Kontakte zu Freunden nicht verloren. Und sich weniger herumkommandieren lassen.

Bronnie Ware, eine Anfangvierzigerin, zieht ihre teils verstörenden Erkenntnisse aus Gesprächen, die in den letzten zwölf Lebenswochen ihrer Patienten stattfanden. Darüber hat sie ein Buch verfasst („The Top Five Regrets of the Dying: A Life Transformed by the Dearly Departing“), das unter anderem auf „Amazon“ erhältlich ist (244 Seiten, etwa 22 Euro), derzeit aber nur auf Englisch.

Ware beschreibt die „phänomenale Klarheit der Einsicht“, die Menschen am Ende überkomme. Generell gehe es darum, dass sich die meisten von Umwelt, Mitmenschen und Vorgesetzten zu sehr verpflichten ließen und die wirklich höchstpersönlich wichtigen Dinge vernachlässigten. Viele hätten Angst vor eigenem Humor und dem Sich-gehen-Lassen, aber auch Angst, ihre Wünsche umzusetzen – und Furcht, Widerspruch zu erheben. Speziell Männer klagten unisono über die „Tretmühle Arbeit“.

Die Australierin war Bankangestellte, bis sie mit Ende 20 ihren Job aufgab und auf südpazifischen Inseln kellnerte. Später zog sie nach Südengland, wo sie einen Job als Palliativpflegerin annahm. Mit ihrem Buch möchte sie auch zeigen, was Lebende besser beachten (oder auch weniger beachten) sollten. Die Top Five der Reue sind:

5. „Hätte ich mir doch nur erlaubt, glücklicher zu sein.“

Viele Menschen hätten nicht erkannt oder erkennen wollen, dass man bewusst glücklich sein könne. Etwa durch Verzicht auf unhinterfragte Traditionen und Sitten. Die meisten würden tun, was „man“ tun soll, obwohl sie oft gern ausgeschert wären, um zu tun, was sie selbst wollten. Die Gemütlichkeit des Gewohnten, ja Gewöhnlichen trüge: Menschen spielten sich selbst und anderen vor, dass alles okay sei, wenngleich es im Inneren arbeitete, sie „anders“ und „unkonventionell“ sein wollten.

4. „Hätte ich nur den Kontakt zu meinen Freunden erhalten.“

Am Ende überkomme einen oft die Sehnsucht nach alten, doch verlorenen Freunden, und auch die Reue, Kontakte irgendwann nicht weiter gepflegt zu haben. Oft gebe es zudem auch noch etwas zu „regeln“ oder zu besprechen, doch die (Ex-)Freunde seien meist nicht mehr auffindbar oder selbst tot. Viele Befragte beklagten, sie seien zu sehr mit ihrem engeren Lebenskreis beschäftigt gewesen und hätten dadurch die weitere Sicht samt den Menschen dort verloren.

3. „Hätte ich nur den Mut gehabt, meine Gefühle zu zeigen!“

Viele hätten sich selbst und ihre Gefühle unterdrückt, meist des lieben Friedens willen, oder aus Angst vor mächtigeren Menschen, vor Rivalen – und sogar, um Freunde nicht, wie sie fürchteten, zu verstören. Am Ende hätten viele eine „mittelmäßige Existenz“ geführt, ohne Aussicht auf volle Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Erreichung ihrer Wünsche. Viele seien aus Gram auch krank geworden.

2. „Hätte ich doch bloß nicht so viel gearbeitet!“

„Der Satz kam von jedem Mann“, sagt Ware. Sie hätten die „Tretmühle Arbeit“ bedauert, mangelnde Zeit für Familie und Kinder und sich selbst. Am Ende bedauerten das auch Karrieristen. Frauen hätten das seltener bereut – vielleicht, weil die Befragten meist Hausfrauen waren und sich nicht so sehr hätten extern abrackern müssen.

1. „Hätte ich doch den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu führen!“

Jeder beklage unerfüllte Träume, sie wiegen schwerer als erfüllte. Viele hätten ihre Träume kaum zur Hälfte erfüllt. Das liege oft an Trägheit, aber auch massiv daran, dass man anderen Macht über sich einräume. „Viele Menschen gehen durchs Leben und tun die meiste Zeit Dinge, von denen sie glauben, dass andere sie von ihnen erwarten“, schreibt Ware. Wie wahr...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2012)

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