Lettland: Marsch der SS-Veteranen in Riga

(c) AP (Roman Koksarov)
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In der Hauptstadt gedachten Nationalisten der im Zweiten Weltkrieg gefallenen "Lettischen Legionäre", einer Abteilung der Waffen-SS. Ein Fest für Rechtsradikale. Gedenkfeiern spalten seit Jahren die Gesellschaft.

Kopenhagen/Riga. Von 1200 Polizisten bewacht und von Gegendemonstranten abgeschirmt haben rund 2000 Letten am Freitag der im Zweiten Weltkrieg gefallenen „Lettischen Legionäre“ gedacht, einer Abteilung der Waffen-SS, die in der Armee Hitler-Deutschlands gegen die Rote Armee kämpfte. Sie marschierten durch Rigas Innenstadt, um am Freiheitsdenkmal Blumen niederzulegen.

Dort hatten sich auch etwa hundert Anhänger eines antifaschistischen Bündnisses zu einer Gegendemonstration versammelt, teils als KZ-Häftlinge verkleidet. Die Kundgebungen verliefen ohne Zwischenfälle, drei Teilnehmer wurden wegen des Tragens von Nazi- beziehungsweise Sowjetsymbolen und wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ festgenommen.

Die Gedenkfeiern am 16. März spalten seit Jahren die lettische Gesellschaft und lösen vor allem in Russland, aber auch im westlichen Ausland Proteste aus.

Moskau und die russische Minderheit in Lettland sehen darin eine Verherrlichung des Nazi-Regimes, den Letten gelten die Legionäre hingegen als Patrioten, die nicht für Hitler, sondern gegen die Sowjetunion und für die Freiheit Lettlands gekämpft hätten.

Regierung versuchte zu kalmieren

Rund 140.000 Männer wurden großteils zwangsweise zur Waffen-SS eingezogen, 50.000 starben an der Front. Die baltischen Einheiten werden nicht generell für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht, ihnen traten jedoch Freiwilligentrupps bei, die bei der Ermordung hunderttausender Juden eine Hauptrolle gespielt hatten.

Das offizielle Lettland bemühte sich im Vorfeld der diesjährigen Demonstration, „Missverständnisse“ über den Gedenktag auszuräumen. Es sei „verrückt“, die Legionäre als Kriegsverbrecher zu bezeichnen, sagte Lettlands Präsident Andris Berzins, das Außenministerium bestellte ausländische Diplomaten ein, um ihnen die geschichtlichen Zusammenhänge zu erklären.

Doch während die Zahl der Veteranen, die ihrer Kameraden gedenken, aus natürlichen Gründen immer kleiner wird, instrumentalisieren lettische Rechtsradikale den Tag zunehmend für nationalistische Parolen.

Außenminister Edgars Rinkevics sagte, dass es nicht schwer sei, für die historischen Tatsachen Verständnis zu finden. Anders verhalte es sich mit den „Aussagen und Handlungen gewisser Politiker“.

Er betonte, dass der 16. März kein offizieller Feiertag sei, und dass Regierungsvertreter an der Kundgebung nicht teilnähmen. Dies war eine Bedingung für die Aufnahme der rechtsradikalen „Nationalen Allianz“ (NA), die davor stets zahlreich aufmarschiert war, in die regierende Koalition.

Minister „zufällig“ im Ausland

Parteichef Raivis Dzintars beteiligte sich am Umzug, die NA-Minister hingegen nicht. Justizminister Gaidis Berzins hatte seinen Kindern „schon vor Langem eine Auslandsreise versprochen“, auch Kulturministerin Zaneta Jaunzeme war „zufällig“ außer Landes.

Der von der russischen Minderheit dominierte Stadtrat in Riga hatte aus Sicherheitsgründen alle Kundgebungen verboten. Doch die Veranstalter legten vor Gericht Einspruch ein und bekamen die Bewilligung für die Demonstrationen in der lettischen Hauptstadt.

Auf einen Blick

Während des Zweiten Weltkriegs zog Nazi-Deutschland rund 140.000 Letten zur Waffen-SS ein, größtenteils zwangsweise. 50.000 von ihnen starben an der Front. Die baltischen Einheiten können nicht grosso modo verantwortlich gemacht werden für Kriegsverbrechen. Freiwilligentrupps darunter spielten jedoch eine zentrale Rolle bei der Ermordung hunderttausender Juden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2012)

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