Der Papst zu Besuch im Land, wo Gott wohnt

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Mehr als 80 Prozent der amerikanischen Bevölkerung glauben an einen Gott. Im Gegensatz zu Europa kann es sich kein US-Spitzenpolitiker leisten, Atheist zu sein.

Wer in den USA Präsident werden will, kann viel sein: schwarz, weiß, weiblich, dick, dünn, sogar homosexuell. Nur eines darf man nicht sein: Atheist. Diese Eigenschaft ist laut einer Gallup-Umfrage die einzige, die für eine Mehrheit der Amerikaner (53 Prozent) Grund ist, nicht für einen Kandidaten zu stimmen.

In kaum einem anderen Land spielt Religiosität im öffentlichen Leben eine so wichtige Rolle wie in den USA. Das Tischgebet an Feiertagen und bei Familientreffen ist selbstverständlich, und es gilt als große Ehre, wenn man es sagen darf. Der Kirchenbesuch gehört zu einem Sonntag wie das nachmittägliche Baseball-Spiel. Und wenn das 15-jährige Film- und Popidol Miley Cyrus („Hannah Montana“) sagt, sie gehe regelmäßig in die Kirche und ihr Glaube sei „das wahre Ding“, dann lächelt man vielleicht über die Wortwahl, aber nicht über das Faktum.

Gott ist überall

Gott ist in der US-Gesellschaft überall. Vom Treueschwur, dem „Pledge of Allegiance“, der jeden Tag schon im Kindergarten aufgesagt wird und in dem von „einer Nation unter Gott“ die Rede ist; über den Präsidenten, der traditionell jede Rede mit den Worten „Möge Gott Sie schützen“ beendet; bis hin zum Dollarschein, der das offizielle Staatsmotto kundtut: „In God We Trust“.

Befragt, was sie am Vortag getan haben, sagen beachtliche 66 Prozent der Amerikaner, sie hätten gebetet. Die Fernsehnachrichten haben nur 60 Prozent angeschaut. Während in Frankreich laut der „World Values Survey“ 60 Prozent sagen, sie gingen nie zur Kirche, sind es in den USA lediglich 16 Prozent. 82 Prozent der US-Bürger sagen, sie glaubten an einen Gott.

Nach Meinung seiner Bewohner ist es tatsächlich „God's Own Country“, das Benedikt XVI. dieser Tage besucht. Doch als Vertreter Gottes wird der Besucher nicht allgemein anerkannt: Weniger als ein Viertel (22 Prozent) der US-Bürger sind Katholiken. Die Mehrheit der Christen sind Protestanten, die sich wiederum in verschiedene Gruppierungen aufteilen (Baptisten, Methodisten, Presbyterianer usw.).

Kirche und Staat sind in den Vereinigten Staaten strikt getrennt. Es gibt keinen Religionsunterricht in den Schulen; das Morgengebet wurde 1963 durch höchstrichterliche Entscheidung abgeschafft, weil es gegen den ersten Verfassungszusatz verstoße, der alle Versuche zur Einführung einer Staatsreligion verbietet.

Warum die Vereinigten Staaten um so viel religiöser sind als Europa, erklärt Peter Berger unter anderem gerade mit der strikten Trennung von Staat und Kirche. Der gebürtige Österreicher leitet das „Institute on Culture, Religion and World Affairs“ in Boston. „Der Mangel an staatlicher Unterstützung zwang die amerikanischen Kirchen dazu, miteinander zu konkurrieren und sich um die Menschen zu bemühen. Und Wettbewerb schafft starke Institutionen.“

Bush fördert religiöse Vereine

So strikt die Trennung zwischen Staat und Kirche sein mag, so fließend sind die Grenzen zwischen Politik und Glaube, vor allem unter dem aktuellen Präsidenten. George Bush, der nach Alkoholexzessen zurück zu Gott fand, schuf im Weißen Haus eine Abteilung für „faith based initiatives“. Das Büro soll sicherstellen, dass Gelder für soziale Aufgaben – Altenbetreuung, Jugendprogramme etc. – auch an religiöse Gruppen gehen. Steuergelder für Vereine, die Jugendliche über Verhütungsmittel aufklären statt Enthaltsamkeit zu propagieren, wurden gekürzt.

Auch die Präsidentschaftskandidaten wissen um die Bedeutung des Glaubens. „Ob ich bete?“, fragte Hillary Clinton bei einer Veranstaltung in Virginia. „Jeden Tag!“ Deshalb war Barack Obamas Bemerkung über die verbitterten Kleinstädter, die sich in ihrer Verzweiflung an Waffen und Gott klammerten, desaströs. Die Aussage wurde ihm als überheblich ausgelegt. Sollte er die demokratische Nominierung nicht schaffen, dann vor allem wegen dieses Satzes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2008)

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