"Wiener Wohnen"-Ausschreibungen: Ärger mit System

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Rahmenverträge zur Gemeindebausanierung sorgen regelmäßig für Probleme. Aktuell stehen Vergaben im Wert von 395 Millionen Euro in der Kritik.

Wien. „Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt.“ In der medialen Berichterstattung taucht der Satz regelmäßig im Zusammenhang mit Auftragsvergaben aller möglichen Gebietskörperschaften auf. In der Hauptstadt steht derzeit eine Ausschreibung von Wiener Wohnen im Zentrum des Interesses der Ermittler. Wie fast immer dreht sich auch bei der Durchleuchtung dieses Auftrags für Malerarbeiten (Volumen: 65 Mio. Euro) alles um die Frage: Ging es mit rechten Dingen zu?

Eine Frage, der Prüfbehörden nach Recherchen der „Presse“ im Umfeld der Wiener Gemeindebauverwaltung fast schon auffallend oft nachgehen. Nicht immer ist es die Staatsanwaltschaft, die die Bücher einer der wichtigsten Firmen des Rathauses durchleuchtet. Im Fokus stehen ganz aktuell auch Ausschreibungen für Baumeistertätigkeiten und die Sanierung von Kaminen. Beim Vergabekontrollsenat (VKS) sind Verfahren zur Nichtigerklärung anhängig. Beschwerdeführer sind stets Unternehmer, die sich übervorteilt fühlen. Bei allen Vergaben geht es um Aufträge zum Zweck der Aufwertung, Sanierung oder Instandhaltung von Wohnungen im städtischen (= öffentlichen) Eigentum. Bei allen Vergaben handelt es sich um sogenannte Rahmenverträge in erheblichem Ausmaß. Der von Wiener Wohnen geschätzte Auftragswert der beim VKS beeinspruchten Ausschreibungen beläuft sich auf exakt 395.340.052,15 Euro. Mehrwertsteuer exklusive.

Vor allem die Vergabe der Baumeisterarbeiten beobachtet die Branche derzeit mit Argusaugen. Die Angebote der Bieter sind inzwischen eingelangt, einige von ihnen wollen die Öffnung jedoch verhindern. Es besteht der Verdacht, dass jener Handwerkerpatron, der auch bei den Ermittlungen zu den Malerarbeiten im Zentrum steht, ebenfalls unter den Anwärtern ist. Bei der letzten öffentlichen Verhandlung beim VKS wollen ihn Beobachter jedenfalls als Kiebitz ausgemacht haben.

Schäden in Millionenhöhe

Einen möglichen Grund, warum die Probleme mit den Rahmenverträgen von Wiener Wohnen fast schon systematisch auftreten, erfährt man, wenn man mit den Inhabern von kleinen und mittleren Betrieben unter Zusicherung der Anonymität spricht. Dann erzählen Handwerksmeister von Preisabsprachen der großen Betriebe, dem Hinausdrängen der Kleinen und dem Problem, dass für die riesigen Baulose (Anm.: Aufträge) von Haus aus nur einige wenige Anbieter infrage kommen. Anstatt für das Ausmalen eines Stiegenhauses mehrere Angebote von Kleinfirmen aus dem Grätzel miteinander zu vergleichen, vergibt die Stadt Wien lieber ganze Bezirke pauschal.

Dabei kommen die aktuellen Schwierigkeiten keineswegs überraschend. Zwei weitere Vergaben von Rahmenverträgen aus der Vergangenheit sind sogar gerichtsanhängig. In einem Fall geht es um Fliesenlegerarbeiten im Wert von 50 Mio. Euro. Der Vorwurf: Die beiden Großbieter, die schließlich zum Zug kamen, hätten mit unzulässig hohen Rabatten von bis zu 40Prozent fernab marktüblicher Preise Konkurrenz unmöglich gemacht. Durch die Beauftragung von Subfirmen aus dem Ausland wäre jeglicher Wettbewerb umgangen worden. Einer der beiden Beschuldigten ist jener Großhandwerker, der aktuell auch wegen der Malerarbeiten in der Kritik steht. Der Akt liegt derzeit beim Verwaltungsgerichtshof.

Beim Kartellobergericht (KOG) bekämpft die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) den Rahmenvertrag für Installateurarbeiten (Wert: 200 Mio. Euro) bei Wiener Wohnen. Die Wettbewerbshüter verfügen ihrer Meinung nach über Beweise, dass es im Vorfeld zu Absprachen innerhalb der Branche gekommen sei. Der Schaden für den Auftraggeber betrage 46 bis 62 Mio. Euro. Unter den beschuldigten Unternehmen befinden sich die Firmen mehrerer SPÖ-Bezirksgrößen. In erster Instanz sah das Gericht die Bagatellgrenze nicht überschritten, da Gegenangebote – zumindest theoretisch – noch möglich waren.

Trotz des regelmäßigen Ärgers will Wiener Wohnen die Praxis der Großausschreibungen beibehalten. Für jeden Kleinauftrag Angebote einzuholen und diese zu vergleichen sei zu aufwendig. Man arbeite jedoch laufend daran, die gelebten Vergabemodalitäten zu verbessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2013)

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