Valerie: Aktionismus a la Schwedenbombe

Aktionismus Valerie Wienerlied
Aktionismus Valerie Wienerlied(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Sängerin Valerie bittet heute zum Sing-along des Wienerlieds mit Kollegen aus anderen Sphären. Ihr neues Album dreht sich um Schlaflosigkeit.

Nicht wenige ihrer Verehrer haben sich im Vorjahr ein wenig gewundert. Valerie hatte sich für den Songcontest beworben, ging mit einem hübschen Fatalismuschanson namens „Comme ça“ in die Ausscheidung. An dessen hoher Qualität scheiterte das Stimmvolk. Aber das war voraussehbar. Warum tat sie sich das überhaupt an? „Ach, ich sah das gar nicht als Wettbewerb. Und es war ein guter Motor dafür, mein neues Album voranzutreiben“, beteuert die Chansonnière in der kuscheligen Bar des noblen Imperial-Hotels.

Sie ist ein bisserl weit weg vom Daumen-rauf-Daumen-runter-Zeitgeist. Das ist durchaus positiv. Wie schon bei ihren legendären Salons bringt sie die Leute zusammen. Aber will sie heute Abend wirklich das Wienerlied in einem Sing-along im Wiener Konzerthaus retten? Kann das ihr Ernst sein? „Ach, in dieser Ansage schwingt doch Ironie mit“, seufzt sie auf den gewagten Slogan angesprochen. „Als wir diesen Slogan kreierten, lag gerade so ein Rettungsaktionismus in der Luft. Schwedenbomben und so.“

Das derzeit laufende Wean-hean-Festival wird wohl nicht gerade über die Terminwahl für Valeries große Wienerliedgala begeistert sein. „Die schauen wahrscheinlich wirklich ein bisserl scheel auf uns rüber. Wir verorten das Wienerlied in einem sehr viel größeren Spektrum. Wienerlied ist auch Pop und Jazz für uns.“ Valerie hat so gestandene Größen wie Agnes Palmisano und die Neuen Wiener Concert-Schrammeln genauso eingeladen wie Novizen im Wienerischen, etwa Birgit Denk und die Playbackdolls.

Zudem werden 5/8erl in Ehren und Stefan Sterzinger die Idee einer popmusikalischen Verortung des Wienerlieds plausibel machen. Lieder von Qualtinger und Bronner, von Hermann Leopoldi und last but not least von Valerie selbst stehen auf der Setliste. Für die inhaltliche Klammer innerhalb der heterogenen Lieder wird der imaginäre Taxler Poldi sorgen.


Die in Moskau aufgewachsene Sängerin hat seit Kurzem eine Schwäche fürs Wienerische. Geschärft wurde dieser Heimatsinn durch Konzerte in Deutschland, wo Valerie merkte, „dass unser Humor und Feinsinn dort verständnismäßig an seine Grenzen stößt.“ Was sind für sie die herausragenden Merkmale des wienerischen Liedes? „Es ist vor allem die Haltung. Es mag alles im Argen liegen, für den Wiener geht es trotzdem irgendwie weiter. Da ist eine Doppelbödigkeit in den Liedern, die sämtliche Generationen verbindet. In allen Geschichten, auch in den traurigen, besteht die Möglichkeit einer überraschenden Wende. Und wenn es „nur“ das Manöver ist, den Gatten zu erschießen...“ Gewisse Parallelen zwischen Wienerlied und Chansons sieht Valerie im Werk von George Brassens. „Er ist mein größtes Vorbild. Er singt von den Verliebten auf dem Parkbankerl genauso wie über die traurige Tatsache, dass sich 95 Prozent der Frauen beim Sex fadisieren.“

Für ihr neues Album, „Les Nuits Blanches“, fokussiert sie ein anderes im Bett auftretendes Phänomen: die Schlaflosigkeit. „Das mit der Schlaflosigkeit begann schon in meiner Kindheit. Ich weiß nicht, was der Auslöser dafür war. Vielleicht hab ich mir die zugezogen, weil es jede Nacht seltsame Klopfgeräusche gab. Wir vermuten, dass es die Wanzeninstallationen des KGB waren. Damals wurden ja praktisch alle abgehört.“

Virtuos spielt Valerie mit den Klischeetraumbildern, wie sie einst ein Sigmund Freud analysiert hat. Zur sedierenden Musik hört man seliges Schnarchen. Solche Situationen zaubern ein Kräuseln auf Valeries Stirn. „Prinzipiell bin ich kein neidiger Mensch, aber in Momenten, in denen alle selig büseln, nur ich nicht, kommt tatsächlich finsterer Schlafneid auf.“

Auf einen Blick

Das „Wiener Salettl“ ist als eine Art Sonderprojekt aus Valeries Salon entstanden: Heute Abend laden Valerie und Freunde zum Wienerlied-Sing-along ins Wiener Konzerthaus, ebenso am 24. September: jeweils 19.30 Uhr, Großer Saal.
Neues Album: „Les Nuits Blanches“ kommt zunächst als Schallplatte (Preiser) heraus. Die CD folgt erst im Herbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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