Alte Christbäume und Müll: Der Verfall der Votivkirche

Votivkirche Verfall
Votivkirche Verfall(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Votivkirche ist seit Jahren eine Baustelle. Doch nicht nur die schleppend verlaufenden Bauarbeiten lassen das Ringstraßengebäude desolat wirken, auch abgelagerter Müll lässt die Kirche verwahrlosen.

Wien. Wer vor zehn Jahren nach Wien gezogen ist, der hat die Votivkirche nie anders gesehen als so: eingerüstet, mit einem riesigen Plakat über dem Haupteingang. Das variiert dafür – von Autowerbung bis zu Frauen im Bikini. Wer vor 30Jahren nach Wien gezogen ist, kann allerdings auch nichts anderes erzählen. Auch damals war die Votivkirche schon eingerüstet. Nur Plakat gab es damals keines davor.

Die Kirche ist eine ewige Baustelle. Eine Sehenswürdigkeit schon an sich, weil die Renovierung mittlerweile länger dauert als ihre Errichtung. Dabei zählt das von 1856 bis 1879 – das sind 23 Jahre – erbaute Gebäude zu den wichtigsten neugotischen Bauten weltweit. Regelmäßig sind Touristen vor der Kirche zu finden. Die dürften sich wundern, dass die Beschreibung im Reiseführer so gar nicht mit der Realität übereinstimmt.

Rund um die Kirche liegen Bierdosen, Dachziegel sind wie Schutthaufen vor den Toren verstreut. Zwischen den Wänden wachsen kleine Bäume hervor, es liegen Planen, Papierfetzen, Flaschen herum und sogar etwas, das aussieht wie eine Klimaanlage.

„Dürfte liegen geblieben sein“

Einer, den das besonders ärgert, ist Peter Weinhäupl, Kaufmännischer Direktor des Leopold-Museums: „Ich führe auch immer wieder Gäste aus dem Ausland hierher. Da sind Kunsthistoriker dabei, die glauben nicht, was sie sehen.“ Vieles an der Baustelle stört ihn. Die lieblos montierten Plakatwände, der verfallene Zaun, der mit Brettern verbarrikadierte Zugang zum Haupteingang. Dahinter steht noch eine Holzhütte vom winterlichen Christbaumverkauf. Sogar die Preisliste hängt noch.

„Das dürfte eigentlich nicht sein. Dem werde ich sofort nachgehen“, sagt Harald Gnilsen, Leiter des Bauamts der Erzdiözese Wien im Gespräch mit der „Presse“. Gnilsen ist seit 17 Jahren im Amt und für die 450 Baustellen der Erzdiözese in der Stadt zuständig. Das Chaos um die Votivkirche sei ihm aber neu. „Da dürfte etwas liegen geblieben sein“, sagt er. Er sieht die Ursache für das Chaos aber auch bei Passanten, die vor der Kirche ihre Sachen ablagern würden – nicht zu vergessen bei den Asylwerbern und ihren Unterstützern (siehe Artikel unten rechts), die von Dezember 2012 bis vergangenen März die Kirche besetzt haben, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. „Da ist es rund gegangen“, sagt Gnilsen.

Schleppende Renovierung

Doch nur auf Besetzer kann das Chaos nicht zurückzuführen sein. Ein Sprayschriftzug ist mit 2004 datiert, auch die verfallenen Zäune, die Kisten vollgestopft mit Bauhandschuhen, die Stapel an Rohren sind wohl kaum mit mutwilliger Beschädigung zu rechtfertigen.

Dass die Renovierung der Kirche generell nur schleppend vorangeht, hat jedoch nicht nur mit dem Projektumfang zu tun (die ganze Fassade inklusive Dach gehört renoviert), sondern ist finanzieller Natur. Rund 30 Millionen Euro wurden für die Renovierung mit 20 Jahren Laufzeit ab 2001 veranschlagt. 25 Prozent der Kosten übernehmen dabei die Stadt Wien, fünf bis zehn Prozent der Bund. Beide haben auch schon Geld für die einzelnen Bauphasen (demnächst soll an der Rückseite weitergearbeitet werden) zugesagt – nur nicht gesagt, wann das Geld fließen wird. Die Subventionszusage sei nämlich an kein Datum gebunden. Ausgezahlt werde pro Bauetappe – und dann, wenn Bund und Land Geld zur Verfügung haben. „Solange ich nicht weiß, wann ich mit den Zahlungen rechnen kann, kann ich keine Arbeiten planen“, sagt der Bauamtsleiter. Wie lange er bereits auf das Geld wartet, will er nicht sagen. „Manchmal kann das Jahre dauern.“ Auch wenn sich jeder bemühe. Zuletzt wurde im Sommer 2012 an der Kirche gearbeitet. Wann es weitergehen wird, ist noch offen.

40 Jahre Bauarbeiten

Doch selbst wenn Geld fließt, ist die Renovierung noch lange nicht abgeschlossen. Rund zehn Jahre wird sie noch dauern. Dann könnte die Kirche nach mehr als 40 Jahren Renovierungszeit wieder in einem annehmbaren Zustand sein. Die Dauer aber hat noch andere Gründe. Erst 1996 ist an der Kirche erstmals gearbeitet worden. In den 13 Jahren davor ist – obwohl das Gerüst vorhanden war – de facto nichts passiert. Was Gnilsen rückblickend mit einer schlechten Organisation erklärt. Grundsätzlich sei nämlich jede Kirche selbst für das Baumanagement verantwortlich. „Die Pfarre hat sich damals zu viel vorgenommen“, sagt Gnilsen. 2001 hat schließlich die Erzdiözese die Planung und das Baumanagement übernommen.

Ein wichtiger Termin, zu dem die Kirche im Blickfeld sein wird, steht jedenfalls bald an. 2015 feiert Wien das 150-jährige Bestehen der Ringstraße. Da, so Gnilsen, werde man noch Gespräche mit der Stadt Wien führen. Damit der prominente Ringstraßenbau rund um die Feiern nicht in ein falsches Licht gerückt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Besetzer muessen raus
Wien

Asylwerber: Besetzer müssen erneut umziehen

Bis Ende Juni müssen die ehemaligen Votivkirchenbesetzer aus dem Servitenkloster ausziehen. Die Caritas sucht ein neues Quartier für die verbliebenen 63 Männer.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.