Facebook-Initiative soll Greißlerlegende retten

Frau Ott hofft auf neue Kundschaft für ihre Greißlerei. [
Frau Ott hofft auf neue Kundschaft für ihre Greißlerei. [ (c) Initiative „Wir retten Frau Otts Feinkostladen“
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Der 86-jährigen Frau Ott droht wegen eines Gerüsts vor ihrer Greißlerei in der Neustiftgasse das Aus. Eine Facebook-Initiative will die Nahversorgerin retten. Hinter der Aktion stehen Spitzenkandidatinnen der Wiener Neos.

Wien. Sie ist eine Legende des siebten Bezirks. Und wohl jeder, der dort in den vergangenen Jahrzehnten lange Nächte verbracht hat, der hat mit der resoluten Frau Ott schon beim frühmorgendlichen Wurstsemmerl geplaudert. Oder sich von ihr das Sonntagsfrühstück retten lassen. Schließlich steht die 86-jährige Greißlerin seit 52 Jahren im Geschäft in der Neustiftgasse 58. Täglich, auch an Sonn- und Feiertagen, sperrt sie um 4.30 auf und schließt erst um 19.30 wieder. Das geht, weil Renée Ott zwei Konzessionen besitzt: eine als Imbiss, eine als Handelsbetrieb.

Nun aber droht ihr das Aus. Seit rund zwei Wochen steht ein Baugerüst vor ihrem Geschäft, „eine Katastrophe“, sagt sie. Denn seither mache sie rund 30 Prozent weniger Umsatz. Nachdem das Gerüst bis Jahresende stehen soll, bedrohe das die Existenz ihres Geschäfts. Zumal dieses ohnehin schleppend laufe: Die Stammkunden, sagt sie, seien ja alle tot, und die jungen, die gingen zum Supermarkt. Weil Frau Ott, ihre Sprüche, mit denen sie die Nachtschwärmer begrüßt, aber Kultstatus genießen, wurde jüngst die Facebook-Aktion „Wir retten Frau Otts Feinkostladen“ gestartet. Innerhalb von zwei Tagen unterstützten mehr als 2000 Facebook-Nutzer die Initiative.

Politikerinnen starten Aktion

Hinter der Initiative stehen Beate Meinl-Reisinger und Claudia Gamon, zwei Kundinnen von Frau Ott, die gegenüber der Greißlerei arbeiten. Aber nicht nur das: Meinl-Reisinger und Gamon sind Spitzenkandidatinnen der Wiener Neos, und für die Partei ist Renée Ott auch politisch interessant: Öffnet sie doch auch am Sonntag, „und sie ist ein Beispiel für Leute, die im Alter noch aktiv sind“, sagt Meinl-Reisinger. So beziehen sich die Neos auch in Reden immer wieder auf Frau Ott. Die Initiative, so betont Meinl-Reisinger, sei aber keine politisch motivierte Neos-Aktion, sondern aus Sympathie für die 86-Jährige entstanden. Dafür, dass ihr Geschäft in den nächsten Monaten nicht übersehen wird, soll ein Transparent in der Neustiftgasse sorgen. Frau Ott freut das freilich. „Ja ja, schön, dass die das machen“, sagt sie. „Nur, die Leut müssen halt auch kommen!“ Noch bemerke sie davon nämlich nichts.

Es scheint, als sei eine Facebook-Initiative zur Rettung alter Marken und Betriebe kein reiner Erfolgsgarant. Die Sanierung von Niemetz ist schließlich trotz massiver Online-Kampagne gescheitert, die Firma wurde verkauft. Allerdings: Schwedenbomben gibt es weiter, die Produktion in Wien soll erhalten bleiben. Auch das Tschisi-Eis ist nach der großen Aktion im Internet in die Regale zurückgekehrt. Aber Gerüchten nach soll hinter der Kampagne nicht pure Leidenschaft für Eis, sondern bloß geschicktes Marketing stecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)

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