Sängerknaben: "Situation könnte bedrohlich werden"

Duestere Zukunft fuer Wiener
Duestere Zukunft fuer Wiener(c) APA (BARBARA GINDL)
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Walter Nettig, Chef der Sängerknaben, über Finanzprobleme und Stänkerer in der ÖVP. "Die finanzielle Situation könnte bedrohlich werden." Ein "Presse"-Interview.

Die Presse: Sie warnen vor einem Ende der Wr. Sängerknaben, wenn der Bund (wie vom Rechnungshof gefordert) Miete für das Palais im Augarten verlangt. Das klingt nach Übertreibung.

Walter Nettig: Ich war nie ein Mensch, der so oft Feuer schreit, bis die Feuerwehr nicht mehr kommt. Die Situation könnte bedrohlich werden. Denn wenn ich etwas verstehe, dann ist es, eine Bilanz zu lesen.

Geht es den Sängerknaben finanziell so schlecht, dass sie sich nicht einmal mehr die Miete leisten können?

Die Wiener Sängerknaben sind eine gut geführte Institution, aber die finanziellen Mittel sind sehr knapp. Wenn wir künftig jährlich fast 200.000Euro Miete zahlen müssen, geht sich das aber nicht mehr aus. Dazu kommt, dass der Präsident und der Vorstand persönlich für die finanzielle Situation haften.

Sie haften mit Ihrem Privatvermögen?

Bis zum letzten Euro.

Warum ist die finanzielle Situation so angespannt?

Wir haben eine Volksschule und eine Oberstufe eingeführt, wir haben die Qualität gesteigert. Zu meiner Zeit waren wir in der Hofburg rund 120 Buben in einem Schlafsaal. Heute gibt es Zweibettzimmer, ein Schwimmbad, einen Fußballplatz etc.

Der Rechnungshof schlägt mehr Auftritte der Sängerknaben vor, um mehr Einnahmen zu bekommen. Ein gangbarer Weg?

Was will man noch von einem Kind herausholen? Sie müssen stundenlang üben, müssen die Schule besuchen etc. Unter meiner Führung wird es sicher nicht mehr Auftritte geben.

Vor wenigen Monaten wurde die Sängerknabenkonzerthalle im Augarten eröffnet, die rund 15 Millionen Euro gekostet hat. Sind Klagen über zu wenig Geld nicht vermessen?

Für die Konzerthalle im Augarten hatten wir mit dem Kunstförderer Peter Pühringer, der auch die Wiener Philharmoniker unterstützt, einen Sponsor. Er hat eine Stiftung zum Bau der Konzerthalle gegründet und hat die Kosten übernommen.

Ist die Halle den Sängerknaben geschenkt worden?

Ja. Dem Steuerzahler ist keine finanzielle Belastung entstanden.

Und die Betriebskosten? Müssen sie subventioniert werden?

Diese deckt die Stiftung.

Die Konzerthalle war teuer, ist aber nicht ausgelastet. Soll sich das ändern?

Davon gehe ich aus. Es wird uns zusätzliche Einnahmen bringen, wenn wir den Saal für Veranstaltungen vermieten.

Welche Veranstaltungen? Clubbings?

Kulturelle Veranstaltungen vom ImPulsTanz-Festival über hochkarätige Konzerte bis zur modernen Musik, auch Jazz. Man kann dort fast alles durchführen.

Ende August treten Sie als Sängerknaben-Präsident zurück. Wer wird Ihr Nachfolger?

Ich möchte den Passus streichen, dass es ein ehemaliger Sängerknabe sein muss. Wer sagt, dass es nicht einmal eine Frau sein kann?

Sie waren einflussreicher VP-Politiker, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, Unternehmer und Zuckerrohrschneider in Australien. Hat Ihnen jeder dieser Jobs Spaß gemacht?

Es gab Aufgaben, die ich im Laufe der Zeit abgegeben habe, weil sie mich nicht befriedigt haben.

Zielt das auf die Wiener VP ab?

Nein, es beantwortet aber die vorige Frage. Als Präsident der WKW hatte ich mit den Stadträten und Bürgermeister Helmut Zilk ein gutes Verhältnis, seit 15 Jahren auch mit Michael Häupl. Das war für die Wiener Wirtschaft wichtig. Ich habe viele Anliegen in Gesprächen mit der Stadtregierung durchgebracht. Das war nicht überall gern gesehen – auch in meiner Partei.

VP-intern wurde kritisiert, Sie seien in Wirklichkeit ein Roter – Häupl stehe Ihnen näher als die ÖVP.

Was hat ein Bürger davon, wenn ich auf dem Heldenplatz gegen die Roten schimpfe? Meine Aufgabe war es, mich um die Wirtschaft zu kümmern. Das habe ich getan. Und überhaupt: Wie viele von den Stänkerern in der ÖVP, die nichts beigetragen haben, haben wie ich eine Firma aufgebaut und etwas geleistet? Allzu viele kenne ich nicht.

Zur Person

Walter Nettig, Präsident der Wiener Sängerknaben, wird sich Ende August in den Ruhestand zurückziehen. Damit endet eine schillernde Karriere. In seiner Kindheit war Nettig Wiener Sängerknabe, mit 19 wanderte er nach Australien aus, um auf einer Zuckerrohrplantage zu arbeiten. 1958 eröffnete er in Traiskirchen sein erstes Fotogeschäft, das er zu einer großen Kette ausbaute, die er Anfang der 1990er-Jahre verkaufte. Er war langjähriger Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, einflussreicher Wiener VP-Politiker und Wirtschaftsbeauftragter der Stadt Wien. [Michèle Pauty]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2013)

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