Protest: Anrainer wollen die Schmelz "zurückerobern"

Protest: Anrainer wollen die Schmelz
Protest: Anrainer wollen die Schmelz "zurückerobern"(c) www.freiraum-schmelz
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Die Initiative "Frisch" will eine Öffnung des Kleingarten- und Sportareals im 15. Bezirk durchsetzen und fordert ein besseres öffentliches Wegenetz. Die "Geschichte des Zubauens" des riesigen Grünraums soll enden.

Wien. Es scheint, als stünde diese Bürgerinitiative auf verlorenem Posten. Freiraum? Grünflächen? Offene Räume, Platz für tobende Kinder und Sportler, die nicht in Vereinen organisiert sind? Existiert auf der Schmelz, einem der wenigen Grünräume im dichten Fünfzehnten, kaum. Kinder spielen auf kleinen Hackschnitzelflächen zwischen Beton, Hobbyläufer drehen Achter zwischen Kleingärten und abgesperrten Sportflächen. Jugendliche sitzen auf einzelnen Bänken am Rande dieser Wege.

Die Schmelz scheint weitgehend verbaut. Kommt eine Initiative, die mehr Grün, mehr Freiraum fordert, nicht viel zu spät? „Man glaubt ja nicht, selbst als Anrainer, wie viel Platz es da gibt“, sagt Edith Wildmann von der Bürgerinitiative „Frisch Freiraum“ und führt über das Gelände. Verlässt man die öffentlichen Flächen und spaziert auf dem verpachteten Gelände, findet man sie tatsächlich: riesige, ungenutzte Sportflächen, Wiesen, Spazierwege und Sitzbänke, die von einer Vergangenheit zeugen, in der diese Räume öffentlich zugänglich waren. Auf den Flächen des SPÖ-nahen Sportverbandes Askö etwa. Der Verein nutzt auf der Schmelz drei Hektar, die bis vor wenigen Jahren öffentlich waren, heute aber Mitgliedern vorbehalten sind.

Auch die Bauten sind mehr geworden. In den 1990er-Jahren sind im Norden des Areals, entlang der Gablenzgasse, Wohnbauten entstanden. Derzeit wird ein Studentenheim gebaut, das im Herbst bezogen werden soll. Dieser Bau – und die Baustelle, gegenüber des Spielplatzes – waren für die Anrainer der Auslöser, „Stopp“ zu sagen. „Die Geschichte der Schmelz“, sagt Wildmann, „ist eine Geschichte des Zubauens. Ich könnte nicht ertragen, hätte ich nicht versucht, etwas dagegen zu tun.“

„Es geht um kreative Lösungen“

Der Initiative geht es aber nicht um eine radikale Umgestaltung. „Auch nicht darum, den Sportlern oder Kleingärtnern Platz zu nehmen. Es geht um eine gute, gemeinsame Nutzung“, sagt Wildmann. Die Ideen reichen von einer Öffnung der Sportflächen zu jenen Zeiten, in denen sie Studenten oder Vereine nicht nutzen, bis zu einer klugen „Durchwegung“. Oder darum, selten genutzte Flächen umzugestalten. „Das wäre das Tollste, wenn dieses Feld“, sagt Wildmann und führt über ein abgelegeneres Fußballfeld des Askö, „als freie Wiese, auf der Kinder spielen, genutzt werden könnte.“

Eine Idee, die der Bezirk unterstützt. „Ich sehe das grundsätzlich positiv. Mehr Möglichkeiten für die Bevölkerung sind immer wünschenswert“, sagt Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal (SPÖ). Allerdings rechtlich ist die Sache klar: Die Flächen sind von der BIG verpachtet, wer sie nutzen darf, entscheidet Askö bzw. Universitätssportinstitut (USI). Er werde sich bemühen, so Zatlokal, alle Player an einen Tisch zu bringen. Auch die Initiative will sich um eine Kooperation bemühen. „Es geht um einfache, kreative Lösungen.“ Und um einen lebenswerteren Bezirk: Der Grünlandanteil liegt im Fünfzehnten bei geringen 12,7 Prozent.

Das war nicht immer so, einst war die Schmelz eine der größten Grünflächen Wiens. Im 19.Jahrhundert reichte das Areal längs vom Gürtel bis zur Huttengasse (heute Schnellbahn), quer von der Gablenzgasse bis zur Hütteldorfer Straße. Auch das umliegende Gebiet war damals weitgehend unverbaut. Bis 1918 war das Areal ein Exerzierplatz der k.u.k. Armee, danach entstand die damals größte Kleingartenanlage Europas in städtischem Gebiet. Im 20.Jahrhundert wurde das Areal sukzessive verbaut. Zwischen 1919 und 1924 entstand dort der erste Gemeindebau des Roten Wien, in den 1970ern haben sich die Sportler angesiedelt. „Vor einem halben Jahr hatte man da noch freie Sicht“, sagt Wildmann von der Dachterrasse eines USI-Gebäudes aus. Nun verstellt diese das neue Studentenheim. Dessen Bau hat schon zuvor für Proteste gesorgt. Zunächst waren dort, anstelle des alten ASKÖ-Gebäudes, ein neues, behindertengerechtes Sportzentrum und eine Tiefgarage vorgesehen.

Keine weiteren Bauten geplant

Dieser Plan, die Tiefgarage, wurde nach Protesten verworfen. „Aus heutiger Sicht“, sagt Zatlokal, „würden wir dem Bau des Studentenheims nicht mehr zustimmen.“ Erst, so Zatlokal, sei von einem Zentrum für Sportler mit Behinderung, für medizinische Tests, die Rede gewesen. „Davon ist nichts übrig geblieben.“ Die Geschichte der Schmelz, von der Gstätten über den Ort der jährlichen Frühjahrsparade für Kaiser Franz Joseph bis zum verbauten Sport- und Freizeitraum, ist auch Thema der Schmelz-Führungen eines Historikers, die die Initiative veranstaltet. Anrainer sammeln Unterschriften und historische Aufnahmen des Areals. Auch kulturelle Aktivitäten – teilweise mit dem Schutzhaus „Zukunft“ des Kleingartenvereins – sind geplant. Neben der Öffnung geht es darum, dass die Schmelz nicht weiter verbaut wird. Das, so Zatlokal, sei ohnehin nicht geplant, denn: „Aus Sicht des Bezirks gibt es keine bebaubare Fläche mehr.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2013)

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