Retourgang: SPÖ plant Mariahilfer Straße um

Bürgermeister Michael Häupl kritisiert den grünen Koalitionspartner.
Bürgermeister Michael Häupl kritisiert den grünen Koalitionspartner.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Wiener SPÖ kommt die Aufregung um das neue Verkehrskonzept der Mariahilfer Straße im Wahlkampf in die Quere.

Wien. Lange lautete das Motto der Wiener SPÖ beim Thema Mariahilfer Straße neu: nur nicht anstreifen. Das umstrittene Projekt wurde offiziell nicht kommentiert. Stattdessen wurde betont, es sei ein Vorhaben der grünen Planungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. An die möge man sich doch bitte schön halten.

Seit Mittwoch ist das jedoch anders. Bürgermeister Michael Häupl richtete nach seinem Urlaub Vassilakou über die Gratiszeitung „Heute“ aus, dass die SPÖ bei der Mariahilfer Straße nicht mehr lange zusehen werde. „Ich werde Vassilakou nichts diktieren – noch!“, so Häupl auf die Frage, ob man das Projekt ernsthaft noch fortführen könne. Das bisherige Schweigen der Partei zu dem Projekt erklärte er so: „Man kann nicht ununterbrochen über einen Partner drüberfahren.“ Uneingeschränkte Unterstützung klingt anders.

Tatsächlich werden intern die Weichen auf Korrektur gestellt. Dem Vernehmen nach ist in der Regierung ausgemacht, dass in zwei Wochen (diese eingerechnet) eine Lösung vorliegt, die funktionieren muss. Offiziell mischt sich das Bürgermeisterbüro nicht in die Details ein, intern hört man aus SPÖ-Kreisen allerdings bereits, wie die Veränderung aussehen soll. Erstens: Die Fußgängerzone bleibt, soll aber eine reine Fußgängerzone werden. Sprich: ohne Radfahrer.

Zweitens: die Begegnungszone. Die sei in der derzeitigen Form de facto tot. „Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht funktioniert, weil sich keiner auskennt“, heißt es aus SPÖ-Kreisen, wo man die missglückte Vorabinformation der Bevölkerung kritisiert. Der rote Plan: Die Oberfläche wird entweder noch weiter gehend als ohnehin geplant umgestaltet. Oder: Falls das nicht sinnvoll möglich ist, könnte im Extremfall der Zustand, der vor der Umgestaltung existierte, wieder hergestellt werden. Dass der 13A nicht mehr durch die Fußgängerzone fährt, sondern sie nur noch quert, ist bereits beschlossen. Und auch die Gitterabsperrungen in der Mitte in Teilen der Straßen sollen weg.

Grüne profitieren, SPÖ verliert

Unzufrieden ist man SPÖ-intern vor allem mit der Situation um die Radfahrer: Diese würden sich weder in der Begegnungszone noch in der Fußgängerzone an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten – wodurch es zu gefährlichen Situationen und Konflikten mit Fußgängern komme. Das bestätigt laut orf.at sogar die Polizei: Die Autofahrer würden sich in der Begegnungszone an die 20-km/h-Grenze halten, Strafzettel würden vor allem an Radfahrer verteilt – für Schnellfahren.

Warum die SPÖ jetzt überhaupt eingreift? Es ist – da haben die Grünen in einer ersten Reaktion auf die Bürgermeister-Kritik recht – eben Wahlkampf. Und das Thema Mariahilfer Straße hat die Bundespolitik erreicht – zur Freude von ÖVP und FPÖ. In dieser Situation meint die SPÖ die Notbremse ziehen zu müssen. Denn die grüne Klientel ist begeistert von Vassilakous Aktionen (Parkpickerlausweitung, Mariahilfer Straße) – die Grünen haben laut Wiener Umfragen zugelegt. Verlierer ist demnach die SPÖ. Der Wiener Parteispitze wird von Anhängern (und zum Teil auch von eigenen Funktionären) vorgeworfen, sich vom kleineren Koalitionspartner vorführen zu lassen. Das ist im Wahlkampf unangenehm. Auch, weil SP-Wähler Richtung FPÖ abwandern könnten.

Heikler Spagat für Häupl

Für Häupl ist es ein schwieriger Spagat. Einerseits muss er seine Wählergruppe bei der Stange halten und sich von den Grünen abgrenzen. Andererseits darf er Vassilakous Prestigeprojekt nicht öffentlich demontieren – die grüne Planungsstadträtin würde ihr Gesicht verlieren. Und der Koalitionskrach herbeigeführt. Und das wiederum wäre ein Geschenk für die Wahlkampfkonkurrenz. Vor allem, da Wien als Role Model für eine rot-grüne Bundesregierung gehandelt wird (obwohl sich das rechnerisch nicht ausgeht), und sich die Bundes-VP im Wahlkampf auf das rot-grüne Wien eingeschossen hat.

In Wien selbst ist man inzwischen aber auch wieder bemüht, die Wogen zu glätten. Die Kritik von Häupl, dass sich die Grünen mit SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner (zuständig für Wiener Linien) nicht ausreichend absprechen, lässt Vassilakou nicht gelten: Jeder Schritt sei in engster Absprache erfolgt, das gelte auch für die neue Route der Buslinie 13A. Im Brauner-Ressort selbst formuliert man etwas abwägender: Man sei eingebunden, wenngleich Fachfragen die Wiener Linien direkt mit Vassilakous Planungsressort klären würden. Und: Es sei bekannt, dass Brauner keine Freundin der geteilten Streckenführung des 13A gewesen sei.

Auf einen Blick

In den Konflikt um die Neugestaltung der Mariahilfer Straße schaltet sich nun Bürgermeister Michael Häupl persönlich ein – weil die Proteste gegen das Prestigeprojekt von Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) eine Dimension erreicht haben, die der SPÖ im Nationalratswahlkampf schaden könnte. SP-intern gibt es bereits Pläne, was geändert werden soll: Fahrverbot für Radfahrer in der Fußgängerzone, grundlegende Umplanung der beiden Begegnungszonen. Offiziell ist bisher nur, dass die Buslinie 13A künftig nicht mehr der Länge nach über die Mariahilfer Straße geführt wird, sondern sie nur mehr quert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

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