Lainzer Tunnel: Gesetz gekippt, Zugbetrieb gefährdet?

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Die Norm, auf der der Bewilligungsbescheid für den Oberbau fußte, wurde vom VfGH aufgehoben. Gutachten gelten nicht länger als "sakrosankt".

Wien. Der Lainzer Tunnel in Wien, der West- und Südbahn verbindet, ist bereits seit Dezember 2012 in Betrieb. Nun aber drohen ernsthafte Probleme. Nicht wegen der Tunnelgenehmigung selbst, die ist rechtskräftig. Aber Anrainer zogen gegen die Genehmigung des Oberbaus vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Der Oberbau, zu dem die Starkstromleitung oder Dämpfungsmaßnahmen gehören, ist aber für den Zugbetrieb essenziell. Und die Höchstrichter entschieden nun in dem der „Presse“ vorliegendem Urteil, dass die Genehmigung auf einem illegalen Gesetz fußt.

Konkret geht es um die Frage, ob die Behörde Gutachten nachprüfen muss, die der Antragsteller einer Eisenbahnstrecke – in diesem Fall die ÖBB – vorlegt. Im letzten Satz des § 31a (1) Eisenbahngesetz heißt es nämlich: „Für das oder die Gutachten gilt die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit.“ Der VfGH schloss daraus, dass die Behörde bloß offenkundige Fehler im Gutachten aufgreifen könne, dieses aber ansonsten nicht prüfen dürfe. Problematisch, zumal das Gutachten ja nicht von unabhängiger Stelle, sondern vom Errichter der Bahnstrecke in Auftrag gegeben wurde. Die Richter leiteten deswegen im vergangenen Jahr ein Gesetzesprüfungsverfahren ein. Und nun entschieden sie, den strittigen Satz im Gesetz mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Denn diese Vorschrift sei mit dem Rechtsstaatsprinzip „unvereinbar“, so der VfGH (G 118/2012-11).

Droht ein Fahrstopp?

Noch nicht entschieden wurde, was nun mit dem Genehmigungsbescheid selbst geschieht. Auch dieser müsste im Licht der nunmehrigen VfGH-Entscheidung aber aufgehoben werden, meint Verwaltungsrechtsprofessor Bernd-Christian Funk im Gespräch mit der „Presse“. Und dann stünde die Lainzer Bahnstrecke also plötzlich ohne Genehmigung dar. Doch es gibt Möglichkeiten, einen Fahrstopp zu verhindern. So könne die Behörde (zuständig ist das Verkehrsministerium) bereits jetzt einen neuen Bescheid erlassen, sagt Funk. Also noch, bevor der alte Bescheid aufgehoben wird. Beim neuen Bescheid müsste das Verkehrsministerium sich aber an die neue Rechtslage nach der teilweisen Gesetzesaufhebung halten – und das Gutachten inhaltlich überprüfen. Problematisch werden könnte es freilich, wenn die Behörde bei dieser Prüfung Mängel im von den ÖBB eingereichten Gutachten finden würde – und deswegen nicht so schnell einen neue Genehmigung ausstellen kann. Dann könnte ein Fahrstopp drohen, zumal die Aufhebung des alten Bescheids durch den VfGH schon bald erfolgen dürfte.

Auf jeden Fall hat die nunmehrige Gesetzesaufhebung Wirkung über den Anlassfall hinaus. Anrainer haben nun bessere Chancen, sich gegen den Bau von Eisenbahnstrecken zu wehren. Bisher seien die vom Antragsteller eingereichten Gutachter „quasi sakrosankt gewesen“, formuliert es Funk. Das sei nun vorbei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2013)

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