Wiens Bürgermeister Häupl findet bei der Klubklausur der Stadt-SPÖ kritische Worte in Richtung des Koalitionspartners.
Am Donnerstagvormittag hat im burgenländischen Rust die dreitägige Klubtagung der Wiener SPÖ begonnen. Zum Auftakt des Arbeitstreffens der Rathaus-Genossen setzte es gleich einmal Spitzen gegen den grünen Koalitionspartner. Der erste Tag Stand ganz im Zeichen der EU-Wahl, am Programm fanden sich u.a. die Reden von Bundeskanzler Werner Faymann und Bürgermeister Michael Häupl.
Das Motto des Treffens lautet heuer "Wien regieren. Österreich stärken. Europa verändern". "Die Entscheidungen, die hier getroffen werden, sind für die Wienerinnen und Wiener in der Regel sehr von Vorteil", begrüßte Klubchef Rudolf Schicker die Parteifreunde in der Tennishalle des Seehotels Rust.
Gratis Nachhilfe für Wiener Schüler
Bei aller Überzeugung, dass die Stadtregierung eine deutliche rote Handschrift trage, konnte Schicker um ein paar Sticheleien gegen die Grünen nicht umhin. Deren "Spontanideen" a la Aufhebung der Wintersperre für Schanigärten seien unüberlegt, Projekte wie die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung oder die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße hätte man selbst professioneller umgesetzt - denn: "Wir sind Profis in der Kommunalpolitik."
Mit Spannung darf erwartet werden, welche Projekte die SPÖ-Stadträte dieses Jahr vorstellen werden. Die Präsentation ist für Freitag anberaumt. Bürgermeister Häupl überraschte aber bereits am Donnerstag mit einer Ankündigung: In der Bundeshauptstadt werde es künftig gratis Nachhilfe für alle Pflichtschüler geben, die diese brauchen.
"Grüne wollen nur ihre Bobos bedienen"
Die Nachhilfe-Ankündigung ist für Häupl eine Maßnahme, um die Bundeshauptstadt in Sachen Bildung und Lebenschancen fit für die Zukunft zu machen. Darüber hinaus gehe es etwa um (soziale) Sicherheit - etwa um Kriminalitätsbekämpfung oder Alten- und Krankenversorgung - bis hin zur Bereitstellung leistbaren Wohnraums angesichts des Wachstums der Stadt. "Es gibt niemanden sonst, der sich darum kümmert", so Häupl. Denn die Konservativen würden nur die Interessen der Hauseigentümer bedienen, "und die Grünen wollen ihre Bobos bedienen, alles andere ist ihnen wurscht", fand das Stadtoberhaupt durchaus kräftige Worte in Richtung Koalitionspartner.
Eine Spitze gegen den Juniorpartner gab es vom Stadtoberhaupt auch in Sachen Mobilität. Die Sozialdemokratie sei eine Vertreterin des öffentlichen Verkehrs. Es gehe aber nicht darum, das Autofahren zu vermiesen, sondern Anreize für Alternativen zu setzen. "Aber wer meint, dass er sich gegen den Ausbau wesentlicher öffentlicher Verkehrsträger wie etwa U-Bahnen zu stellen hat, weil er meint, es ist gescheiter, die Leute fahren mit dem Radl, der wird in uns tatsächlich einen argumentativen Gegner finden. Denn da machen wir nicht mit", richtete Häupl den Grünen - wohl in Anspielung auf deren Skepsis in Sachen Bau einer U-Bahnlinie U5 - aus.
Die Bürgermeisterpartei von Michael Häupl beginnt am heutigen Donnerstag ihre traditionelle jährliche SPÖ-Klubklausur im burgenländischen Rust. Während der erste Tag im Zeichen der EU-Wahl steht, wird es am Freitag für Wien spannend. Dann präsentiert jeder SP-Stadtrat seine Leuchtturmprojekte. Also Projekte, die der Wiener SPÖ wieder die Themenführerschaft bringen sollen – die zeigen sollen, wofür die Partei heute steht. Mit diesen Prestigeprojekten wird die SPÖ in den Wahlkampf für die Wien-Wahl 2015 ziehen – so hat es SP-Chef Häupl vorgegeben. Für die Stadträte geht es darum, ihren Chef nachhaltig zu beeindrucken. Immerhin könnte die SPÖ 2015 einen Stadtratsposten verlieren – in dieser Situation will jeder vor Häupl glänzen. Doch wie sieht die bisherige Bilanz der jeweiligen Stadträte aus? „Die Presse“ ist dieser Frage nachgegangen.von Gerhard Bitzan und Martin Stuhlpfarrer Fabry
Den undankbarsten Job hatte Finanzstadträtin Renate Brauner. Die Schulden der Stadt sind durch die Wirtschaftskrise massiv gestiegen, es gab dramatische Ausfälle bei den Steuereinnahmen, während die Kosten für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (vorgezogene bzw. neue Bauprojekte etc.) explodierten. Die Folge: Rekordschulden in Wien (4,5 Milliarden Euro), während die Stadt im Jahr 2016 ein Nulldefizit erreichen muss. Bisher bewegt sich Wien allerdings im geplanten Budgetpfad – die neuen Schulden werden jährlich kontinuierlich zurückgefahren, sodass 2016 ein Nulldefizit zwar sehr schwierig, aber durchaus realistisch ist. Zusätzlich baut Brauner langsam die umstrittenen Franken-Kredite der Stadt ab. Das passierte allerdings nur durch öffentlichen Druck. Als Finanzstadträtin hat Brauner aber eine beispiellose Gebührenlawine zu verantworten. Anstatt zu sparen, wurden die Wiener in allen Bereichen ordentlich zur Kasse gebeten. Als Chefin der Wiener Linien hat Brauner dafür mit den U5-Planungen ein wichtiges Projekt wiederbelebt. Die Presse
Den (für die SPÖ) politisch heikelsten Job hat Sandra Frauenberger. Die Stadträtin für Integration, Frauen und Märkte muss für die Häupl-Partei das emotionale Integrationsthema managen. Damit die FPÖ 2015 in Wien nicht die 30-Prozent-Marke sprengt. Bisher hat Frauenberger diesen Job recht gut erledigt – das Ausländerthema ist nicht mehr so präsent wie früher. Das liegt an mehreren Projekten, aber auch an Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP). Unter Frauenberger wurden zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um Migranten besser zu integrieren (Integrationsbegleitung, Wiener Vertrag für Neuzuwanderer), sie werden nun auch in die Pflicht genommen. Frauenberger hat auch versucht, mit Sachlichkeit (Fakten und statistische Zahlen z. B. Zuwandererkommission, Integrationsmonitor) Emotionen aus diesem Thema zu nehmen. Fest steht: Der massive Aufwärtstrend der FPÖ mit dem Ausländerthema in Wien wurde in Umfragen und Wahlen zumindest (bisher) gestoppt. Stanislav Jenis
Völlig andere Probleme hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Durch Integrations- und Sicherheitsmaßnahmen zieht das Thema Ausländer für die FPÖ im Gemeindebau nicht mehr so gut wie früher. Dafür kämpft Ludwig mit heftiger Kritik wegen explodierender Mieten. Das betrifft zwar hauptsächlich den privaten Wohnungsmarkt, der gerät aber unter Druck, sobald die Stadt (zu) wenig geförderte Wohnungen anbietet. Zuerst hat sich Ludwig vom grünen Koalitionspartner das Mietenthema abnehmen lassen, hat es aber wieder zurückgeholt. Ludwig hat aber Smart-Wohnungen (besonders günstige Mietwohnungen) gegen steigende Mieten eingeführt. Mit Brauner hat er die Wohnbauinitiative gestartet, womit Wien trotz knappen Geldes 6300 zusätzliche Wohnungen bauen kann.
Andreas Mailath-Pokorny berühren völlig andere Dinge. Er hat (nach langen Querelen) das neue Wien-Museum auf Schiene gebracht. Beim Standort hat er allerdings den Kürzeren gezogen. Es kommt nicht beim Hauptbahnhof, sondern beim alten Standort – so wie es Wolfgang Kos, Direktor des Wien-Museums, wollte. Ansonst hat Mailath-Pokorny (mit den Grünen) die Prüfung von belasteten Straßennamen in Wien umgesetzt. Der Karl-Lueger-Ring wurde (auch auf Wunsch der Uni Wien) in Universitätsring umbenannt, Wien beginnt hier, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Das lange diskutierte NS-Deserteursdenkmal wird am Ballhausplatz umgesetzt – 2013 wurde mehr Geld für die geplante Sanierung der jüdischen Friedhöfe bereitgestellt.
Einen großen Themenbereich hat Christian Oxonitsch: Jugend, Bildung, Information und Sport. Der heute 51-Jährige, der als umgänglich gilt, übernahm 2009 das Ressort von Grete Laska. Er ist in der Wiener SPÖ sehr gut vernetzt – nicht zuletzt, weil er in Häupls Heimatbezirk, Ottakring, politisch aktiv war. Außerdem war er vor dem Stadtratsjob Klubchef der Wiener SPÖ. Er wurde früher auch immer wieder als Favorit für eine mögliche Häupl-Nachfolge genannt. Inhaltlich räumte Oxonitsch mit dem von Laska hinterlassenen Chaos beim Thema Gratiskindergarten auf, erreichte bei der Kinderbetreuung das Barcelona-Ziel (33 Prozent Betreuungsgrad bei den unter Dreijährigen) und ließ auch offen Missbrauchsvorwürfe in Wiener Kinderheimen aufarbeiten (Wilhelminenberg-Kommission). In der Ausbildung von Kindergartenpädagogen wird ihm dagegen Säumigkeit vorgeworfen. Einen Dämpfer bekam Oxonitsch, als bekannt wurde, dass es bei der Sanierung des Stadthallenbades Pfusch und Missmanagement gegeben hat und das Bad vor zwei Jahren gesperrt werden musste. Das Bad soll angeblich heuer wieder voll aufgesperrt werden. Wer tatsächlich schuld an der Misere ist, ist vorerst noch nicht ganz klar. GEPA pictures
Ulrike Sima war 2010 schon sechs Jahre lang Umweltstadträtin, als sie 2010 bei der rot-grünen Regierungsbildung in Wien als mögliche Rücktrittskandidatin gehandelt wurde. Als aber die Grünen dann das Verkehrs- und Stadplanungsressort übernahmen, blieb Sima. Sie verwalte mehr, als sie gestalte, wird ihr oft vorgeworfen. Außerdem betreue sie viele „Wohlfühlthemen“: Also Sauberkeitskampagnen in der Stadt, weniger Hundekot, weniger Hundebisse, Verleihung von Umweltpreisen. Dieser Vorwurf störe sie nicht, meint Sima in Interviews. Das sei wichtig für eine saubere Stadt. In der Frage des Tierschutzes gab es zwar Kontroversen mit Tierschützern, aber mittlerweile hat Sima das Projekt eines neuen Tierschutzhauses nördlich der Donau durchgezogen und auch mit dem Tierheim in Vösendorf einen Modus Vivendi gefunden. Bei den großen Themen wie Feinstaub oder Klimaschutz ist weniger zu hören. Teils auch deshalb, weil da viele Kompetenzen beim Bund liegen.
Die frühere Integrationsstadträtin Sonja Wehsely führt nun schon seit 2007 das schwierige Gesundheitsressort. Die großen Brocken wie Spitalsreform brachte sie erfolgreich auf Schiene. Beim Thema Krankenhaus Nord gab es anfangs einige Probleme, mittlerweile sind diese einigermaßen im Griff. Derzeit gibt es bei der Umsetzung der Spitalsreform Kollisionen mit Interessengruppen wie etwa den Primarärzten. Die Geriatrie- und Psychiatriereform wurden in die Wege geleitet. Wehsely gilt als loyale SPÖ-Vertreterin.
Mit Leuchtturmprojekten und neuen Strategien will die Wiener SPÖ jene Performance erreichen, die Michael Häupl von seiner Partei eingefordert hat. Es geht dabei um die Frage, wofür die SPÖ eigentlich steht.