Wiener SPÖ: "Wir sind die Stabilität"

GEORG NIEDERMUeHLBICHLER NEUER WIENER SPOe-LANDESPARTEISEKRETAeR
GEORG NIEDERMUeHLBICHLER NEUER WIENER SPOe-LANDESPARTEISEKRETAeRAPA/HERBERT NEUBAUER
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Georg Niedermühlbichler, neuer Landesparteisekretär der Wiener SPÖ, schließt einen früheren Wien-Wahltermin nicht aus, rote Last-minute-Prestigeprojekte hingegen schon.

Sie mussten sich nach dem Rücktritt von Christian Deutsch rasch entscheiden. Fiel Ihnen das Ja leicht?

Georg Niedermühlbichler: Es war ein spontanes Ja. Der Bürgermeister und ich haben so einen guten Draht zueinander, dass er und ich gewusst haben, dass wenn er mich fragt, ich nicht Nein sagen werde.

Sie kommen aus Tirol. Dass ein Tiroler die Wiener SPÖ managt, ist ungewöhnlich.

Ich fühle mich aber zu hundert Prozent als Wiener. Der Entschluss, nach Wien zu gehen, fiel schon mit 14 Jahren auf der Wien-Woche. Mit 17 habe ich meine Lehre abgebrochen und bin mit einem Koffer in den Zug nach Wien gestiegen, um politisch aktiv zu sein. In Tirol mit einer ÖVP-Zweidrittelmehrheit war das schwierig. In Wien habe ich bei der Sozialistischen Jugend mitgearbeitet. Damals war Christian Deutsch Landessekretär und damit meine erste Bezugsperson. Politisch bin ich dann im ersten Bezirk gelandet, wo es eine ÖVP-Zweidrittelmehrheit gab. Offenbar war es mir bestimmt, in einem ÖVP-Umfeld tätig zu sein.

Das heißt, Sie verstehen die Konservativen?

Ich versuche mich immer in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Was fühlt, was denkt der – und warum? Ich würde etwa nie jemandem Ausländerfeindlichkeit vorwerfen, ohne zu wissen, ob er negative Erlebnisse hatte. Ich habe – das ist für einen Landesparteisekretär unüblich – auch mit Politikern anderer Parteien ein gutes Verhältnis. Ich habe jetzt Glückwunsch-SMS von Vertretern aller Parteien erhalten, auch von der FPÖ. Auch dort gibt es Kollegen, die an einer positiven Politik für Wien interessiert sind. Man soll niemanden ausschließen, nur weil er wo dazugehört.

Heißt das, die SPÖ sollte eine Koalition mit der FPÖ nicht prinzipiell ausschließen?

Nein, das heißt es nicht. Die FPÖ benutzt die Ängste der Menschen. Dagegen muss man auftreten. Deshalb ist es richtig, dass es mit dieser FPÖ – es gab unter Steger ja einmal eine andere – keine Koalition gibt

Verstehen Sie die FPÖ-Wähler? Vor allem die jungen Männer, die oft die FPÖ wählen?

Vielleicht finden sie einen Partytiger mit stahlblauen Augen, der sich mit jungen Mädchen umgibt, cool. Vielleicht haben diese jungen Männer Zukunftsängste, weil man ihnen vermittelt, dass ein Arbeiter heute nichts zählt. Das wird man genau analysieren müssen.

Das ist doch alles nicht neu. Warum muss die SPÖ das neu analysieren?

Ich übernehme erst jetzt diesen Posten. Und vielleicht stimmt auch nicht alles, was bisher so dahingesagt wurde.

Die FPÖ ist im Wahlkampf die eine offene Flanke der SPÖ, die andere sind die Grünen. Und die profitieren von der Koalition mehr als die SPÖ. Was hat man falsch gemacht?

Jemand, der neu in die Regierung kommt, ist spannender als jemand, der stabil arbeitet. Aber warum soll ein SPÖ-Stadtrat einen dreifachen Rittberger machen, nur damit er medial vorkommt?

Die Grünen haben mit der Mariahilfer Straße immerhin ein Projekt, das typisch für ihre Politik ist. Die SPÖ hat so etwas nicht.

Es kommen das neue Wien-Museum, die U5, wir haben noch immer einen Gratiskindergarten. Die Herausforderung im Wahlkampf wird sein zu vermitteln: Wir sind die Stabilität in der Stadt.

Das heißt, vor der Wahl präsentiert die SPÖ kein großes Projekt mehr?

Ich glaube, es wäre nicht sinnvoll, etwas aus dem Hut zu zaubern und zu sagen, damit gewinnen wir jetzt die Wahl.

Ist Ihnen eine Neuauflage von Rot-Grün lieber als Rot-Schwarz?

Dass ich mit den Grünen gut kann, ist kein Geheimnis. Aber wir legen uns nicht fest. Zudem bin ich überzeugt, dass wir die Absolute schaffen können.

Unwahrscheinlich, aber Sie müssen es sagen.

Usain Bolt würde auch nicht zu den Olympischen Spielen 2016 fahren mit der Ansage, dass er die 100 Meter unter 15 Sekunden laufen will, wenn er sie schon unter neun gelaufen ist.

Aber die Voraussetzungen der SPÖ sind diesmal noch schlechter als beim letzten Mal. Es gibt mehr Konkurrenz und vorher vermutlich eine Wahlrechtsreform.

Mag sein. Aber Bolt schaut auch nach vorn, wenn er startet, und nicht nach rechts und links, wer neben ihm steht.

Thema im Wahlkampf wird Ihr Spezialgebiet, das Wohnen, sein: Was verspricht man konkret? Oder wartet man auf eine Mietrechtsreform im Bund?

Wir tun in Wien, was wir können, aber wir brauchen endlich die Reform und echte Mietzinsobergrenzen. Seit einem Jahr tagt die Expertengruppe. Ich verstehe nicht, warum der Justizminister die Ergebnisse nicht veröffentlicht.

Noch dringender will die Wiener SPÖ eine Steuerreform. Wie schlimm ist es für den Wahlkampf, wenn sie nicht kommt?

Natürlich bringt uns eine positive Grundstimmung gegenüber der Bundes-SPÖ Rückenwind. Gerade die Wiener SPÖ und die Bundes-SPÖ sind so eng verknüpft, dass man keine Zwei-Firmen-Strategie fahren kann. Wenn keine Reform kommt, muss man tatsächlich überlegen, ob diese Koalition im Bund weiter sinnvoll ist. Aber keiner will Neuwahlen, und ich bin zuversichtlich, dass die Steuerreform kommt.

Wie viel Rückenwind kann die SPÖ Wien intern selbst erzeugen? Ein Viertel der Genossen, sagt der Bürgermeister, sei mit Rot-Grün unzufrieden.

Natürlich dämpfen Konflikte in der Koalition – im Bund und in Wien – die Stimmung. Aber Michael Häupl hat von Anfang an betont, dass er lieber mit den Grünen über Verkehr streitet als mit der ÖVP über Bildung. Wer nachher überrascht war, hat nicht zugehört. Man vergisst auch, dass die Koalition mit der Wiener ÖVP konfliktreich war. Die hat bei Abstimmungen gegen die SPÖ gestimmt. Das haben die Grünen nie.

Hat die Unzufriedenheit auch damit zu tun, dass Widerspruch in der Wiener SPÖ nicht gern gehört wird?

Diskutiert wird viel, aber im Wohnzimmer, nicht auf dem Balkon. Es stimmt auch nicht, dass in der Partei nur Brave etwas werden. Ich selbst habe mich stark für Transparenz eingesetzt und war damit nicht immer auf Parteilinie.

Was halten Sie insofern von Ihren Tiroler Kollegen, die legales Marihuana fordern?

Das ist ein Orchideenthema, auf das ich mich sicher nicht einlasse.

Lassen Sie sich auf eine Wahlterminprognose ein? Schließen Sie eine Vorverlegung aus?

Nein, das tue ich nicht. Wir gehen zwar vom Herbst 2015 aus, aber natürlich könnte man sich mit dem Koalitionspartner einigen, dass man den Wahlkampf verkürzt und knapp vorm Sommer wählt. Das fällt für mich aber nicht unter echte Vorverlegung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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