Wenn die Mülltonnen überquellen

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Wie viel mehr Abfall entsteht nach Weihnachten? Wie funktioniert die Mülltrennung? Wie werden Rest- und Sondermüll verarbeitet? Warum gibt es so viele nicht verbrauchte Lebensmittel?

Alle Jahre wieder quellen nach den Weihnachtsfeiertagen die Mülltonnen über. Im Folgenden die wichtigsten Informationen zum Wiener Mist und zum Abfallsystem.

1. Ist Weihnachten auch das Fest des Mülls?

Schon. Aber nicht in dem Ausmaß, wie es die überquellenden Tonnen glauben machen. Tatsächlich fallen bis Dreikönig nur etwa fünf Prozent mehr an als sonst, sagt Peter Frybert von der zuständigen Wiener MA 48. Das Problem ist, dass am Christtag plötzlich alle gleichzeitig ihren Müll wegwerfen. Die Folge: Die Tonnen gehen über. Deshalb ist Weihnachten für die Müllabfuhr auch ein kurzes Fest: Schon am 26. Dezember waren alle 1000 Mitarbeiter schon wieder im Einsatz. Auch am Samstag wurde gearbeitet. Die normale Entleerung verschiebt sich also um nur einen Tag nach hinten.

Frybert stimmt allerdings nachdenklich, dass Weihnachten auch das Fest der nicht verbrauchten Lebensmittel ist. Zehn bis 20 Prozent des Abfalls seien genießbare Lebensmittel, vieles davon nicht einmal geöffnet. „Viele kaufen zur Sicherheit mehr, offenbar nach dem Motto: Kauf drei, zahl zwei, schmeiß eins weg.“

2. Wie entsorgt man den Weihnachtsmüll sachgerecht?

Ein Problem sind jedes Jahr Schachteln, die leer in der Tonne landen. Also: Entweder falten oder mit anderem Papier füllen. Sonst quellen die Tonnen binnen kürzester Zeit über, und die Abholwagen transportieren ziemlich viel Luft, was nicht gerade umweltfreundlich ist.

Christbäume gehören weder in den Restmüll noch in den Biomüll, sondern zu einer Christbaumsammelstelle. Dann landen sie als Biohackgut in einem Biomassekraftwerk. Die Sammelstellen findet man im Internet unter www.wien.gv.at/ma48.

3. Wie viel Müll produziert jeder Wiener pro Jahr?

In Wien fällt pro Jahr eine Million Tonnen Müll an. Das sind etwa 600 Kilo pro Einwohner und Jahr, oder 1,6 kg pro Tag. Die Hälfte, also 500.000 Tonnen, ist Restmüll. Die Abfälle werden in 210.000 Restmülltonnen und 170.000 Altstofftonnen gesammelt und von 265 Müllabfuhrwagen abgeholt. Am meisten Müll fällt dann an, wenn viele Leute in der Stadt sind: also im März, April und Oktober.

4. Was passiert mit dem Müll, nachdem er eingesammelt wird?

Ein bis zwei Mal am Tag müssen die Müllautos die eingesammelte Ladung loswerden und steuern eine der drei Müllverbrennungsanlagen an, zum Beispiel die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Anlage in der Spittelau. Dort werden die Abfälle in den Müllbunker gekippt, durchmischt und in zwei Müllkesseln verbrannt. Wobei nur ein Drittel der Anlage diesem Vorgang dient, im restlichen Bereich werden die Abgase in mehreren Stufen gereinigt. Auch am Flötzersteig und in der neuen, im September eröffneten Anlage Pfaffenau wird Restmüll verbrannt, in der Anlage Simmeringer Haide Sondermüll.

Das besondere an Wien ist die Tatsache, dass die Müllverbrennungsanlagen mitten in der Großstadt stehen, was die Nutzung für Fernwärme schon früh möglich gemacht hat. Aus gesundheitlicher Sicht seien die Emissionen der Anlagen unbedenklich, sagt Ruth Strobl von der Wiener Fernwärme. „Österreich hat eines der strengsten Gesetze. Und unter unseren Mitarbeitern ist ein richtiger Wettbewerb entstanden, welche Anlage die geringsten Werte erzielt.“ Im Durchschnitt würden die gesetzlich erlaubten Grenzwerte um 90 Prozent unterschritten.


5. Reicht der Wiener Müll für die Fernwärmeproduktion?

„In Wien gilt die Prämisse: Wir kümmern uns um unseren eigenen Mist“, sagt Ruth Strobl. Das heißt, dass anders als etwa in Deutschland, wo Müll zum begehrten Gut geworden ist, dieser nicht zugekauft wird. Auch nicht aus Neapel – das ist ein Gerücht. In Summe reicht der Müll für etwa ein Drittel der Wiener Fernwärmeproduktion, die wiederum ein Drittel des Wiener Wärmemarkts abdeckt. Im Sommer genügt die Müllverbrennung, um Warmwasser und Heizwärme für die Fernwärme zu produzieren. Im Frühling und Herbst kommt die so genannte Kraft-Wärme-Kopplung dazu, bei der Abwärme aus der Stromerzeugung genutzt wird. Nur in Spitzenzeiten bei Minusgraden muss die Fernwärme auf öl- oder gasbefeuerte Heizkessel zurückgreifen.

6. Was landet alles auf der Mülldeponie?

Ab 1. Jänner 2009 gilt für Wien die Deponieverordnung, gemäß der kein unbehandelter Restmüll mehr abgelagert werden darf. Weiterhin auf die Deponie Rautenweg kommen Asche und Schlacke aus den Müllverbrennungsanlagen. Sie werden mit Beton vermischt und als Schlackenbeton auf der Deponie verbaut.

7. Warum überhaupt Mülltrennen? Kommt nicht eh alles zusammen?

Nein, das sei ein populärer Mythos, sagt Peter Frybert von der MA 48. „Schließlich kostet die getrennte Sammlung genug Geld. Was getrennt ist, bleibt getrennt.“

8. Was passiert mit den getrennten Stoffen? Werden sie verkauft?

Sammelpartner der Gemeinde Wien ist die Firma ARA (Altstoff Recycling Austria), die die verschiedenen Stoffe zur Weiterverarbeitung weiterleitet – hauptsächlich in Österreich. „96 Prozent der Verpackungen werden in Österreich verwertet“, sagt ARA-Sprecher Christian Mayer. „Wir könnten nicht von Nachhaltigkeit sprechen und dann alte Kunststoffflaschen in den Fernen Osten transportieren.“ Zwar wandern Wiener Plastikflaschen in den Südosten – allerdings nur bis ins burgenländische Müllendorf. Dort wurde 2007 die Recyclinganlage „Pet to Pet“ eröffnet, die von der österreichischen Getränkewirtschaft geführt wird. Hier werden alte Pet-Flaschen, die zuvor in der Abfallbehandlungsanlage „48er-Zelt“ sortiert wurden, so sauber gereinigt, dass sie zu neuen Getränkeflaschen werden können.

Bei Glas ist das einfacher, das wird seit jeher für neue Flaschen und Gläser verwendet; größter Abnehmer ist ein Unternehmen in Pöchlarn. Aus altem Metall kann ziemlich viel werden: Weißblechverpackungen à la Raviolidose wandern zum Beispiel in die Hochöfen der Voest. Papier wird Papier, Biomüll wird kompostiert und landet auf den Feldern.

9. Apropos Mülltrennen: Wie gut sind wir wirklich?

Österreich ist wirklich ein Musterland: Im europäischen Durchschnitt werden 67 Prozent der Verpackungen wieder verwertet, in Österreich sind es 87 Prozent, sagt ARA-Sprecher Mayer. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. So sammelte 2007 jeder Wiener 15 kg Glas, jeder Tiroler 35 kg. Und während die Wiener durchschnittlich nur 2,3 kg Metall zur Sammelstelle trugen, kommen die Vorarlberger auf 6,7 kg. Für eine Großstadt liege aber auch Wien im Spitzenfeld, sagt Peter Frybert. Großen Nachholbedarf gebe es aber in Sachen Plastikflaschen. Da dürfe es ruhig noch ein bisserl mehr sein.

AUF EINEN BLICK

Müll in Wien: Zu Weihnachten fällt in der Hauptstadt nur um fünf Prozent mehr Müll an als sonst. Überraschend viele noch genießbare Lebensmittel finden sich im Abfall, nämlich zehn bis 20 Prozent. Insgesamt produziert jeder Wiener pro Jahr 600 Kilogramm Müll – das sind eine Million Tonnen. Am meisten Müll fällt in den Monaten März, April und Oktober an.

Müllentsorgung in Wien: Der Müll wird zu drei Müllverbrennungsanlagen gebracht, wo er durchmischt und verbrannt wird. Auf einer Mülldeponie darf ab 1. Jänner kein unbehandelter Restmüll mehr abgelagert werden. Getrennter Müll kommt zur ARA (Altstoff Recycling Austria). 96 Prozent der gesammelten Verpackungen werden in Österreich weiterverarbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2008)

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