Amtshandlung eskalierte: Diversion für traumatisierte Angeklagte

Ein Screenshot aus dem Überwachungsvideo.
Ein Screenshot aus dem Überwachungsvideo.YouTube
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Eine Frau, die zu Silvester 2014/2015 an einer Wiener Tankstelle bei ihrer Festnahme verletzt worden war, stand nun vor Gericht. Ein Video der Amtshandlung hatte für Diskussionen gesorgt.

Nach zwei Verfahren und Dank unzähliger Gutachten ist der Akt um eine eskalierte Amtshandlung nach einer Silvesterfeier in Wien auf drei Bände angewachsen. Richterin Elisabeth Reich machte am Mittwoch am Landesgericht kurzen Prozess und zog mit einer Diversion einen Schlussstrich. Einer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung Angeklagten blieb damit ein Schuldspruch erspart. Die Festnahme wurde damals von einer Überwachungskamera erfasst und auf einem halbstündigen Video festgehalten, das sich im Internet verbreitete.

Zitternd, schluchzend und sichtlich bewegt schilderte die 49-Jährige nun, was sich am 1. Jänner 2015 auf einem Tankstellenareal am Schwedenplatz abgespielt hatte. Mit etwa einem Promille wollte sie nach einer Feier dort Brot kaufen, interessierte sich aber zu intensiv dafür, dass sich dort viele Polizisten aufhielten. Schließlich fühlte sich eine Beamtin vom Schlüsselbund der Frau bedroht und das Unheil nahm seinen Lauf.

Misshandlungsvorwürfe gegen 19 Polizisten

Die nun Angeklagte erhob in weiterer Folge Misshandlungsvorwürfe. Sie hatte unter anderem einen Bruch des Steißbeins, Prellungen von Schädel und Knie sowie Blutergüsse erlitten. Ein Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 19 verdächtige Polizisten wurde im Juli 2016 von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt eingestellt. Der Tatverdacht in Richtung einer Körperverletzung habe sich nicht konkretisieren lassen, hieß es damals. Vom Verwaltungsgericht wurde in einem eigenen Verfahren festgestellt, dass das erste Zurückreißen der Frau unverhältnismäßig war.

Die 49-Jährige - sie hatte durch das erlittene Trauma ein Jahr lang nicht arbeiten können - musste sich nun am Straflandesgericht wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie schwerer Körperverletzung verantworten. Einem Polizisten soll sie einen Faustschlag versetzt, einem anderen gegen das Schienbein getreten haben. Dass sie getobt, wüst geschimpft und sich sowohl auf der Tankstelle als auch auf zwei Inspektionen heftig gewehrt hatte, wurde von mehreren Zeugen bestätigt. Sie habe sich in einem Ausnahmezustand befunden, "wie im falschen Film" und panische Angst gehabt. Sie hätte sich nicht absichtlich gewehrt.

"Das war nicht deeskalierend"

Richterin Reich, die die Angeklagte immer wieder beruhigte, verzichtete einverständlich nach der Beschuldigteneinvernahme sowohl auf das Vorführen eines halbstündigen Video einer Überwachungskamera als auch auf die Einvernahme der zahlreichen geladenen Zeugen. Statt nach zwei Tagen wie ursprünglich vorgesehen beendete sie das Verfahren nach rund einer Stunde mit einer Diversion mit zweijähriger Probezeit sowie einem Pauschalbetrag von 100 Euro.

"Ich finde, die Beamten hätten anders vorgehen müssen. Das war nicht deeskalierend", sagte Reich, die der Angeklagten für den Beginn der Amtshandlung Putativnotwehr (vermeintliche Notwehr) zugestand und den Strafantrag bezüglich des damals ausgeführten Faustschlags auf fahrlässige Körperverletzung änderte, womit die Staatsanwältin einverstanden war. Bezüglich des Tritts gegen das Schienbein auf der Polizeiwache blieb es hingegen beim Widerstand und der schweren Körperverletzung.

Allerdings sei insgesamt eine Diversion ausreichend. "Es ist lange, lange her und die Angeklagte hat sich seither wohlverhalten", argumentierte die Richterin. "Ich finde, das ist eine sehr gute Lösung", meinte auch die Staatsanwältin, gab allerdings vorerst keine Erklärung ab, während die 49-Jährige auf Rechtsmittel verzichtete. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

(APA)

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