Maria in Fesseln - eine Stilkritik

WIEN-WAHL: GRUeNE STARTEN ZWISCHENKAMPAGNE MIT RIESENPLAKAT
WIEN-WAHL: GRUeNE STARTEN ZWISCHENKAMPAGNE MIT RIESENPLAKATAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die Wiener Grünen plakatieren am Naschmarkt die gefesselte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Die Botschaft? Eher egal.

Die Wiener haben eine Regierung mit Sinn für Humor – oder zumindest mit dem, was man im Rathaus dafür hält. Denn kaum sind die Nachwehen von Michael Häupls 22-Stunden-Pointe verklungen, probieren es die Grünen mit Lustigsein. Wie das aussieht, kann man auf einem Plakat begutachten. Es zeigt Maria Vassilakou, mit Gaffa-Band an die Wand gepickt. Nur zaghaft löst sie eine Hand aus den Fesseln. Daneben Kindergartensätze wie „Ich soll den Häupl Michi nicht immer so ärgern“ oder „Ich soll die Pappn halten, wenn der Michi spricht“ und „Ich soll dem Häupl Michi nicht immer die Mahü unter die Nase reiben“. Was sie damit sagen will, lässt sie offen. „Die Decodierung“, so die Vizebürgermeisterin am Rande einer Pressekonferenz (s.o.) „liegt im Auge des Betrachters.“ Es gehe darum, sich in verschmitzter Weise mit ihrer Rolle und der Frau im Allgemeinen auseinanderzusetzen.

Aha. Nun ist Selbstironie nie verkehrt, aber sie kann eine Botschaft nur würzen, nicht ersetzen. Sieht man von platten Assoziationen wie den Gaffa-Band-Spielereien aus der Sadomaso-Schnulze „Shades of Grey“ ab, kommen einem bei dem Fesselungsplakat nur Botschaften in den Sinn, die nicht gemeint sein können. Oder wollen die Grünen ernsthaft mitteilen, dass sie in den vergangenen fünf Jahren ohnmächtig an die Wand „gepickt“ wurden? Oder – andersrum – dass sie sich in der koketten Opferrolle eh wohl fühlen, weil man da in der Regierung und gleichzeitig (ein wenig) Rebell sein kann? Oder will man die Wähler bloß an etwas erinnern, das sie ohnehin nicht vergessen: den Koalitionskrach?

Oder sind all die Widersprüche subtile Absicht? Schließlich spiegelt die Verwirrung grünes Verhalten wider: Man erklärt eine Regierung für gescheitert, setzt sie aber fort.

Die rot-grüne Konfliktshow

Vielleicht ist es aber auch ein Fehler, überhaupt nach einer Botschaft zu suchen. Ihr Ziel erreichen die Grünen auch ohne: Aufmerksamkeit. Darauf verstehen sie sich. Und aufs Ablenken: Es ist in der grünen Logik besser, man parodiert in den Social Media die gefesselte Maria, als man diskutiert über den Riss in der Partei. Und besser, man redet über den Koalitionskrach als über ÖVP und FPÖ. Solange die rot-grüne Konfliktshow läuft, sind alle anderen nur Statisten. So gesehen könnte sich der „Michi“ glatt bei der Maria bedanken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2015)

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