Fall Aslan G.: Auslieferungsbeschluss aufgehoben

Das Wiener Oberlandesgericht gab der Beschwerde des angeblichen russischen Sechsfachmörders Folge. Nun muss erneut das Straflandesgericht entscheiden.

Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat den Beschluss, mit dem das Straflandesgericht Anfang Mai die Auslieferung des angeblichen Sechsfachmörders Aslan G. an Russland für zulässig erklärt hatte, aufgehoben. Der gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingebrachte Beschwerde von Verteidiger Nikolaus Rast leistete das OLG in nicht öffentlicher Sitzung Folge.

Die Auslieferungssache wurde wegen menschenrechtlicher Bedenken von einem Drei-Richter-Senat (Vorsitz: Leo Levnaic-Iwanski) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mehrere verlässliche Quellen hätten "wiederholte Verletzungen gegen Artikel 3 MRK (das Verbot der Folter, Anm.) durch den Zielstaat im Bereich des Strafvollzugs festgehalten", heißt es in dem OLG-Beschluss.

Konkret bezieht sich das Gericht bei dieser Einschätzung auf eine Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Moskau, den elften Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik, die Länderinformation über Menschenrechte in Russland, den Amnesty Report 2013 betreffend Russland sowie eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Jänner 2012. Einer Auslieferung wird bemerkenswerter Weise aber nicht grundsätzlich entgegengetreten. Das OLG sieht sich "vielmehr veranlasst, den ersuchenden Staat zur Einhaltung bestimmter Verfahrensgarantien als Bedingung für den Fall der Auslieferung zu verpflichten".

Das OLG trägt deshalb dem Erstgericht auf, im ergänzenden Verfahren eine "diplomatische Zusicherung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation" einzuholen, die Aslan G. für den Fall seiner Auslieferung dazu berechtigt, sich danach jederzeit an die diplomatische Vertretung Österreichs zu wenden. Der Botschaft wiederum sei der Ort seiner Inhaftierung bekannt zu geben und ein unangemeldetes, zeitlich unbegrenztes Besuchsrecht ohne jegliche Überwachungsmaßnahmen zu garantieren.

Genau dasselbe hatte just derselbe OLG-Senat in der schon seit längerem anhängigen Auslieferungssache Anatoly R. verlangt. Dieser - ebenfalls russischer Staatsbürger - hatte unter einem falschen Namen in Wien gelebt und bei einer Baufirma gearbeitet. Er wurde im Februar 2014 nach einem gezielten Hinweis von einer Sondereinheit der Polizei festgenommen, weil er in Sibirien der berüchtigten "Trunov-Brigade" angehört haben und von 1997 bis 2004 neben Auftragsmorden auch für Schutzgeld-Erpressungen, Waffenhandel und Bestechung von Amtsträgern verantwortlich gewesen sein soll, ehe er sich ins Ausland absetzte. R. bestreitet das und sieht sich als Kritiker, der Korruption aufgedeckt habe und dafür nun von der russischen Justiz "mundtot" gemacht werden soll.

Die vom OLG in der Causa Anatoly R. verlangte und tatsächlich beigebrachte schriftliche "Garantieerklärung" rief allerdings die Generalprokuratur auf den Plan, die dagegen eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes einbrachte. Tatsächlich wurde die auf Basis der russischen "Garantierklärung" für zulässig erachtete Auslieferung von Anatoly R. Mitte April vom Obersten Gerichtshof (OGH) aus formalen Gründen aufgehoben und dem OLG ein "gesetzeskonformes Vorgehen" aufgetragen.

Im Hinblick darauf zeigte sich der Rechtsvertreter von Aslan G. am Donnerstag verwundert, dass das OLG offenbar weiterhin eine mit einer schriftlichen Garantieerklärung verbundene Auslieferung an Russland für einen gangbaren Weg hält. "Wenn das OLG selbst menschenrechtliche Bedenken feststellt, gibt es eine einzige Möglichkeit: Er darf nicht ausgeliefert werden", betonte Verteidiger Rast gegenüber der Austria Presseagentur.

Chef einer kriminellen Vereinigung?

Aslan G. war Ende Jänner im Zuge einer Zielfahndung am Hauptbahnhof festgenommen worden. Die russischen Behörden wollen ihm den Prozess machen, weil er ihrer Darstellung zufolge als Chef einer kriminellen Vereinigung zwischen November 2012 und Oktober 2013 sechs Menschen von Mitgliedern seiner Bande mit Kalaschnikow-Sturmgewehren bzw. Maschinenpistolen beseitigen ließ. Bei zwei weiteren, angeblich von Aslan G. in Auftrag gegebenen und im Dezember 2012 und Juni 2013 verübten Anschlägen kamen die drei ins Visier geratenen Personen mit dem Leben davon. Der auf organisierte Kriminalität spezialisierten Mafia-Bande werden außerdem die Morde am nordossetischen Vizepremier Kasbek Pagijew und am Bürgermeister der Hauptstadt Wladikawkas, Witali Karajew, aus dem Jahr 2008 zur Last gelegt.

Aslan G. bestreitet vehement, an der Spitze einer mafiösen Vereinigung gestanden und Mordaufträge verteilt zu haben. Er sei Opfer einer zufälligen Namensgleichheit, die Anschuldigungen gegen ihn politisch motiviert und von Moskau gesteuert, versichert der 44-Jährige.

(APA)

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