Weltpremiere. Tom Cruise feierte die Uraufführung des neuen „Mission: Impossible“-Films in der Staatsoper. Die Erregung rund um das Event verrät einiges über Wiens Selbstbild.
Woran erkennt man, dass Wien gelegentlich provinziell ist? Manchmal: an übergroßer Freude. Darüber, dass zum ersten Mal seit Filmjournalistengedenken eine Weltpremiere in Wien stattfindet. Wenn selbige sonst in Los Angeles, London, Singapur oder Berlin über die Bühne gehen – warum nicht auch einmal in Wien?
Man könnte ja auch sagen: Zeit war's. Immerhin ist Wien eine europäische Großstadt, die, wie die Szenen aus „Mission: Impossible – Rogue Nation“ zeigen, auch für die Hollywood-Vorstellung von Glamour taugt. Und Österreich ein Land, das die Filmbranche jetzt schon öfter (ein paar Jahrzehnte nach den Touristen) als brauchbare Kulisse für seine Stars entdeckt hat. Filmpremieren in Los Angeles sind normal, konstatierte ein aus Hollywood angereister Journalist hoch oben auf dem mehrstöckigen Red-Carpet-Gerüst vor der Staatsoper. „Das hier ist etwas Besonderes.“
Seinem Ruf als harter, aber leutseliger Arbeiter wurde Cruise, der die Premiere selbst nach Wien gelenkt haben soll, auch diesmal gerecht. Um halb fünf begann er vor 2500 Fans in der eigens eingerichteten Zone mit dem Autogramme schreiben. Das Wetter hielt, vorbereitete „Blitz und Donner“-Titel mussten abgeblasen werden. Fast zwei Stunden ließ Cruise dann die tausend Gäste in der heißen Staatsoper warten, bis er auch mit den letzten Medienvertretern kurz gesprochen hatte.
90 Journalisten aus der ganzen Welt waren eingeflogen worden, von der australischen Frühstücksfernsehshow „Sunrise“ bis „Talking to Hollywood“ aus China. Interessierte wurden am Vormittag durch die Staatsoper geführt, die im Film umfassend schön in Szene gesetzt wurde. Vielleicht ist das einer der größten Verdienste (neben Einnahmen durch den internationalen Tross und Werbewert): dass der Blick durch die Linse der Hollywood-Kamera zeigt, wie schön es daheim ist. Und wie spektakulär die Staatsoper hinter den Kulissen.
Die Weltpremiere verspricht jedenfalls wieder viele schöne Wien-Bilder: Eine Handvoll internationaler Fernsehsender bekam Mittwoch und Donnerstag ausführliche Interviews. Der Ort wurde von einem US-Team im März vor-ausgewählt und am Ende von Cruise und Co. höchstselbst entschieden, Belvedere, Haas-Haus und Coburg haben das Rennen gemacht.
Bond im Schnee
Netter Zufall, dass just dieser Tage auch noch der neue „James Bond“-Trailer zu „Spectre“ veröffentlicht wurde, in dem man sich bei Rekordhitze an Schneeaufnahmen aus Obertilliach abkühlen kann. Wenig Trost für die heimische Seitenblicke-Mannschaft, die abgeblitzt war. „Absurd“ sei der Andrang jener gewesen, die sich für die Premiere in die Staatsoper hineinreklamieren wollten. Tatsächlich waren die tausend Tickets zum Teil für die Gäste von Regisseur und Studiobossen reserviert; Vienna Film Commission und Universal Österreich hatten ebenfalls ein Kontingent. Wobei man allerdings lieber Geschäftspartner, Kinos und andere bedachte, die den Dreh möglich gemacht hatten, als jene, die glaubten, auf den roten Teppich zu gehören. Tatsächlich geladen waren Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Minister Josef Ostermayer, Gery Keszler, Nicholas Ofczarek, Maria Köstlinger oder Armin Assinger.
Es wäre freilich nicht Österreich, gäbe es nichts zu meckern: Der Handel beklagte Einbußen wegen der zweitägigen Ringsperre. Die Wiener Tourismuswirtschaft verkündete ein „Ja zu Großevents mit internationalem Echo“, nutzte die Gelegenheit aber ebenfalls zur Klage über „Dauerbeschallung mit fast täglichen Demos und Ringsperren.“ Nichtsdestoweniger überwog die Euphorie, da vergisst man dann auch gern, dass der Star, den alle sehen wollen, im konkreten Fall einer mit fragwürdigem Leumund ist.
In Los Angeles soll gerade ein neues Studio für Scientologys Medienproduktion entstehen, das helfen soll, die Botschaft der Sekte zu verbreiten, und das nebenbei auch für Cruises eigene Filme genutzt werden soll. Gerade wegen Scientology sieht das Publikum in den USA Cruise auch zunehmend skeptisch; die Scientology-kritische Doku „Going Clear“ kommt aufgrund großen Interesses gar ein zweites Mal ins Kino. Vielleicht mit ein Grund, warum er so eine Weltpremiere ganz gern auswärts inszeniert
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2015)