Wiener Jobmarkt: Langzeitarbeitslose als Hauptproblem

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Schwache Konjunktur und Zuwanderung sorgen auf dem Wiener Arbeitsmarkt für einen Verdrängungswettbewerb. Vor allem ältere Jobsuchende tun sich schwer. Die Zahl der über 50-jährigen Arbeitslosen stieg in Wien um 22,9 Prozent.

Wien. „Noch stärker in neue Arbeitsplätze investieren. Da lass' i ned locker“, lautet ein Wahlkampf-Slogan von Bürgermeister Michael Häupl. Doch was kann Häupl konkret tun? Während in vielen Ländern Europas die Arbeitslosigkeit zuletzt zurückgegangen ist, steigt sie in Österreich. Von allen Bundesländern sieht die Situation in Wien besonders schlecht aus, wie die gestern, Donnerstag, veröffentlichten Zahlen des Arbeitsmarktservice zeigen.

Ende September suchten in ganz Österreich 391.417 Menschen einen Job, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 6,1 Prozent. In Wien erhöhte sich die Zahl der Jobsuchenden auf 147.311 – das sind 119.354 vorgemerkte Arbeitslose (plus 17,1 Prozent) und 27.957 Schulungsteilnehmer. Die „Presse“ nimmt die Wien-Wahl zum Anlass, die Herausforderungen auf dem Wiener Arbeitsmarkt zu analysieren.

Zuwanderung: „In Wien haben wir seit Mitte 2012 praktisch kein Wirtschaftswachstum. Trotzdem gibt es mehr offene Stellen. Das ist eigentlich positiv“, sagt Wifo-Experte Peter Mayerhofer. Doch es ziehen jedes Jahr deutlich mehr Menschen nach Wien, als hier neue Jobs geschaffen werden.

Viele Deutsche zieht es nach Wien

Wien gehört zu den am schnellsten wachsenden Städten der Europäischen Union und ist nach Berlin die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum. Es sind aber nicht nur Osteuropäer, die es nach Wien zieht, sondern es gibt auch eine große Wanderungsbewegung von Deutschland und österreichischen Bundesländern nach Wien. So leben bereits über 50.000 Deutsche in Wien. Die Deutschen sind nach den Serben und Türken in Wien die drittgrößte Bevölkerungsgruppe mit ausländischer Herkunft. Zugenommen haben zuletzt auch die Einpendler. Laut Statistik Austria gibt es in Wien 30.000 Einpendler. Dabei handelt es sich um Menschen, die ihren Hauptwohnsitz meist in der Slowakei oder in Ungarn haben, aber in Wien beschäftigt sind. Dies sorgt auf dem Arbeitsmarkt für einen Verdrängungswettbewerb.

Derzeit hat Wien knapp 1,8 Millionen Einwohner. In 15 Jahren sollen es zwei Millionen sein. Bei den Zuwanderern handelt es sich meist um junge Menschen, die einen Job suchen.

Langzeitarbeitslose: „Das große Problem auf dem Wiener Arbeitsmarkt sind die Langzeitarbeitslosen“, sagt IHS-Experte Helmut Hofer. Und hier sind besonders ältere Menschen betroffen. Im September stieg in Wien die Zahl der über 50-jährigen Arbeitslosen um 22,9 Prozent. Bei den Jobsuchenden unter 25Jahren hingegen gab es ein Plus von 5,2 Prozent. Das AMS zahlt Unternehmen, die einen älteren Langzeitarbeitslose einstellen, einen Zuschuss zu den Lohn- und Lohnnebenkosten von bis zu 20.000 Euro. Doch die Unterstützung wird nicht im erhofften Umfang angenommen. Viele Firmen stellen trotz Zuschuss lieber Jüngere ein, weil sie glauben, dass diese produktiver sind als ältere Langzeitarbeitslose. In Wien gibt das AMS mittlerweile Millionen für sozialökonomische Betriebe aus. Diese beschäftigen Langzeitarbeitslose wie etwa das Restaurant Inigo in der Wiener Innenstadt.


Qualifizierung: Zur Verbesserung der Konjunktur könne die Stadt Wien wenig beitragen, sagen Ökonomen. Hier sei Wien zu sehr von der allgemeinen Lage in Österreich abhängig. Die Stadt Wien könne aber weitere Qualifizierungsmaßnahmen setzen. Denn Wien hat so viele Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte wie kein anderes Bundesland. „Bei der Schaffung von Jobs für Hochqualifizierte hat Wien einige Initiativen gesetzt“, sagt IHS-Experte Hofer.

Bildungsmaßnahmen für Geringqualifizierte „brauchen Zeit“, so Hofer. Hier müsse man schon in der Schule ansetzen. Die individuellen und ökonomischen Folgekosten von Jugendlichen, die ihre Schule oder Lehre abbrechen, sind immens. Die Betroffenen sind meist arbeitslos oder finden nur einen schlecht bezahlten Job.


Flüchtlinge: Im Gegensatz zu Deutschland und anderen EU-Ländern brauchen Flüchtlinge in Österreich einen positiven Asylbescheid, um jeden Job annehmen zu können. Doch ein Asylverfahren kann ein langer Prozess sein und Monate dauern.

Daher hat der ganz große Andrang von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt noch nicht eingesetzt. Es zeigt sich aber schon jetzt, dass die anerkannten Flüchtlinge am liebsten in Wien leben wollen. Ende September waren österreichweit fast 19.000 anerkannte Flüchtlinge beim AMS als arbeitssuchend vorgemerkt. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 50 Prozent. Von den 19.000 leben zwei Drittel in Wien.

Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2015)

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