Gernot Blümel: "In der ÖVP steckt das Regierungsgen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ihr Obmann will die Wiener ÖVP zur Opposition erziehen. Im April folgt eine Grundsatzreform.

Die Presse: Die Wiener ÖVP plakatiert seit Ihrer Bestellung „Mut zur Veränderung“. Können Sie inzwischen sagen, was das konkret heißt?

Gernot Blümel: Es geht dabei einerseits um die internen Strukturen der Partei, andererseits um die inhaltliche Ausrichtung. Einiges ist bereits passiert. Aufgrund des Wahlergebnisses haben wir um ein Drittel weniger Ressourcen. Deshalb mussten wir uns leider auch von einigen Mitarbeitern trennen.

Von wie vielen?

Es geht um rund ein Drittel des Personals. Bis 2017 werden wir die Personalkosten von zwei Millionen, die es im Wahljahr waren, auf circa eine reduzieren.

Und wo haben Sie gekürzt?

Zwei Beispiele: Wir können uns nicht mehr für jeden Bezirk einen hauptberuflichen Bezirksgeschäftsführer leisten. Für Anfragen von Bezirksräten und Bürgern gibt es jetzt einen gemeinsamen Helpdesk bei der Landespartei. So kann man Themen, die die Bürger bewegen, auch besser bündeln. Weiters haben wir die Kommunikation von Klub und Landespartei zusammengelegt – das macht eine Person – Iris Müller-Guttenbrunn, die auch stellvertretende Klubdirektorin und stellvertretende Landesgeschäftsführerin ist.

Es gibt Gerüchte, dass die Partei – um zu sparen – aus ihrem jetzigen Büro auszieht. Stimmt das?

Am jetzigen Standort haben wir zu viel Fläche, das ist zu teuer. Der Landesgeschäftsführer prüft die Varianten: Fläche abgeben oder ausziehen, wobei es auch eine Möglichkeit wäre, etwa in der Lichtenfelsgasse 7 (Anm.: ÖVP-Bundespartei)einzuziehen. Mitte des Jahres soll die Entscheidung stehen. Es muss sinnvoll und günstiger sein.

Und welche Veränderungen sind nun abseits des Spardrucks geplant?

Bisher war die Arbeitsweise des Klubs im Rathaus und im Nationalrat dieselbe. Mit dem Unterschied: Im Bund sind wir in der Regierung und in Wien in der Opposition. In den vergangenen Jahren hat die Wiener ÖVP leider eher wie eine Regierungspartei agiert. Das Regierungsgen steckt tief in ihr drin. Wir müssen den Paradigmenwechsel zur Oppositionspartei schaffen, den Finger in die Wunde legen. Mit den islamischen Kindergärten ist uns das auch schon ganz gut gelungen. Wir müssen weniger Umsetzungs- und mehr Thematisierungspartei sein.

Das heißt, es geht weniger um realistische Vorschläge als vielmehr darum aufzufallen?

So würde ich das nicht sagen. Aber eigene Vorschläge müssen nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet sein, so wie es eine Regierungspartei macht. Generell hat die Wiener ÖVP Strukturen, die zu einer größeren Partei gehören als sie es jetzt ist: Wissen Sie, wie viele Sitzungen wir jährlich haben? An die 2500. In etwa hundert wird Substanzielles beschlossen. In den restlichen 2400 Sitzungen diskutiert man untereinander übereinander. Für eine große Partei, die viel mitzureden hat, ist es sinnvoll, sich oft zu treffen. Wenn man neun Prozent hat, ist es unnötig, es statutarisch tun zu müssen.

Sie planen eine Grundsatzreform der Partei. Können Sie schon die Richtung skizzieren?

Der Parteitag ist für Anfang April geplant. Wir werden davor Vorschläge für Leitlinien online zur Abstimmung stellen und Reformdialoge mit den Mitgliedern führen. Auch interaktiv wird es einiges geben. Zum Beispiel sollen die Mitglieder uns Handyvideos schicken, in denen sie erklären, wie die Wiener ÖVP in zehn Jahren aussehen soll.

Was von den Reformen wird der Bürger von außen merken?

Wir werden uns ein neues Leitbild geben. Und ich glaube, es ist nötig, sich dabei vom Grundsatzprogramm der Bundespartei abzuheben. Nicht im Sinne von Widerspruch, sondern von Reduktion: Ich will mich auf Grundbegriffe beschränken. Aus meiner Sicht wären das Freiheit und Sicherheit. Freiheit, weil in der Stadt der Wunsch, sein Leben ohne Zwänge gestalten zu können, ein größeres Thema ist als in ruralen Bereichen. Mit Sicherheit meine ich Ordnung im Sinne von Hegel: Der Staat ist die Verwirklichung der Freiheit. Ohne Ordnung keine Freiheit.

Wenn man Ihre Personalentscheidungen ansieht – Elisabeth Olischar als nächste Klubchefin, Markus Wölbitsch als Landesgeschäftsführer – fällt auf: Beide kommen aus derselben Firma, sind jung, man kennt sich aus der JVP. Schaffen Sie eine Art homogene Führungsclique?

Ich verstehe, wenn das von außen so aussieht, aber ich habe schon im Bund immer gesagt, dass wir jünger und weiblicher werden müssen. Die Wiener ÖVP war bis jetzt eher heterogen.

Sie haben vorhin die islamischen Kindergärten erwähnt. Mein Eindruck war: Die Vorstudie und deren Präsentation durch den Integrationsminister war Oppositionsarbeit, wie Sie sie beschrieben haben – auch, weil man sich dabei auf Wien beschränkt.

Das finde ich nicht. Professor Aslan hat die Studie der Stadt mehrmals angeboten. De facto war allen klar, dass es durch den Gratiskindergarten ein Problem gibt. Wegen dessen Einführung brauchte es mehr Plätze, die die Stadt durch Förderung von privaten Vereinen zur Verfügung gestellt, aber nicht kontrolliert hat. Von mir aus kann man übrigens die Studie gern auf ganz Österreich ausdehnen.

Hätte es diese Vorstudie auch gegeben, wenn Wien rot-schwarz regiert würde?

Ich gehe schon davon aus.

Finden Sie eigentlich den Gratiskindergarten eine gute Idee?

Die Frage ist, ob Wien sich das leisten kann.

Sie kennen die Budgetlage. Würden Sie ihn abschaffen?

Nein, ich habe kein Problem mit dem Gratiskindergarten.

Die Wiener ÖVP hat der Stadtregierung 30 Fragen zu den muslimischen Kindergärten gestellt. In Punkt zwölf fragen Sie: Warum kann ein islamischer Kindergärten eine Zulassung und Förderungen bekommen? Das klingt so, als hätten Sie generell ein Problem mit islamischen Kindergärten.

Die Frage zielt darauf ab, dass sich die Träger – anders als katholische oder jüdische – nicht als islamisch deklarieren. Ein Problem ist aber, dass offenbar manche Träger islamische Inseln in der Gesellschaft schaffen wollen und vermitteln, dass religiöse Riten über staatlichen Gesetzen stehen.

Ist der Islam für Sie das Haupthindernis der Integration?

Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Religion Teil der Lösung ist, sofern religiöse Riten nicht dem Gesetz widersprechen. Aber wahr ist: Ich kenne aus den Medien nur islamischen Terrorismus, keinen jüdischen oder katholischen. Das fließt halt in die Wahrnehmung ein.

Das heißt: Sie halten es für gerechtfertigt, den Fokus der Studie allein auf den Islam zu legen?

Man muss sich darauf konzentrieren, wo es Probleme gibt. Aber noch einmal: Nicht der Islam per se ist das Problem, sondern wie er gelebt wird.

Wie groß schätzen Sie den Anteil dieses problematischen Islams in Österreich?

Keine Ahnung, das wäre unseriös.

Weil Ihnen individuelle Freiheit wichtig ist: Gehört dazu, dass man seine Kinder konservativ muslimisch erziehen lassen darf?

Sicher, solange wir uns auf dem Boden der Verfassung und Gesetze befinden. Dazu gehört die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Aber was Haltungen betrifft, sind Religion und Gesetz häufiger nicht deckungsgleich. Von Gesetzes wegen dürfen Homosexuelle Kinder adoptieren, sich verpartnern etc. Damit hat aber auch die katholische Kirche ein Problem.

Ich bin Katholik und sehe mich in keinem Widerspruch zu den Menschenrechten.

Wären Sie für ein Verbot der Vollverschleierung in der Schule?

Total.

ZUR PERSON

Gernot Blümel hat die Wiener ÖVP nach ihrer Wahlniederlage im Oktober übernommen. Der 34-Jährige ist Landesparteiobmann und nicht amtsführender Stadtrat. Zuvor war er Generalsekretär der Bundes-ÖVP. Als solcher hat er den „Evolutionsprozess“ der Volkspartei organisiert, die heuer ein neues Grundsatzprogramm beschlossen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2015)

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