Nachtleben: Schlechte Zeiten für Wiener Clubs

Ob es auch in Zukunft die legendären Partys im Garten der Pratersauna geben wird, ist ungewiss.
Ob es auch in Zukunft die legendären Partys im Garten der Pratersauna geben wird, ist ungewiss.(c) Clemens Fabry
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Mit Ende Jänner schließt die Pratersauna. Sie ist aber nur einer von vielen Clubs, denen es derzeit schlecht geht. Die Szene leidet unter Geldmangel und Konkurrenzkampf.

Wien. Was der Techno-Club Berghain für Berlin ist, das ist die Pratersauna für Wien. Oder vielmehr: Das war die Pratersauna für Wien. Mit Ende Jänner schließt der Kultclub vorerst seine Türen.

Zum Abschied feiert die „PraSa“ unter dem Motto „Time to say Goodbye, January is closing month“ einen Monat lang sich selbst. Jeden Freitag und Samstag werden die Klassiker unter den früheren Eventreihen eine Nacht lang wiederbelebt. Ab März 2016 übernimmt der Inhaber der Dots-Gruppe, Martin Ho, das Lokal. Er hat zwar versprochen, dass „Ideologie und Grundcharakter der Pratersauna“ beibehalten werden, Szenekenner glauben aber nicht daran. Sie fürchten, dass die Pratersauna nach der Übernahme als Partylocation bald ausgedient haben wird.

Das Ende der Club-Ära

Die Pratersauna ist aber nicht das einzige Sorgenkind unter Wiens Clubs: Der Camera Club, eröffnet 1971, ist seit Mitte des Jahres dauerhaft geschlossen. Das Flex schrammte im Vorjahr knapp an der Insolvenz vorbei. Der Ost Klub am Schwarzenbergplatz musste 2014 wegen Anrainerbeschwerden zusperren. Für Ende 2014 war die Eröffnung des Elektro-Clubs Jessas am Petersplatz geplant. Dazu kam es nie. Sogar die Grelle Forelle, die von den FM4-Hörern wiederholt zum Club des Jahres gewählt worden ist, verkleinert ihre Tanzfläche. Das Konzept Disco wird zurückgefahren, dafür wird auf Konzerte gesetzt – und ab Sommer 2016 starten die Betreiber ein Restaurant.

Warum haben es die Clubs derzeit so schwer, ist das Zeitalter der großen Wiener Clubs womöglich endgültig vorbei? „Das Problem ist die schlechte Planung der Veranstalter“, sagt Bono Goldbaum – er ist selbst Veranstalter, DJ und Produzent. Es werde, meint er, für die Clubbetreiber immer schwieriger, den richtigen Mix aus neuen, interessanten Projekten und Kommerz zu finden.

Die Wiener Szene habe sich laut Goldbaum in den vergangenen Jahren zu stark an einigen wenigen gehypten DJs orientiert, statt vielversprechenden Newcomern eine Bühne zu bieten. Die großen Acts würden extrem hohe Gagen von 10.000 bis 15.000 Euro verlangen. Das bekommen die Veranstalter auf Dauer natürlich zu spüren. Und nicht nur die DJs wollen bezahlt werden. Zusätzlich hebt die Stadt Wien eine Vergnügungssteuer von 15 Prozent pro verkaufter Eintrittskarte ein. Auch das wirkt sich auf die Preise aus. 14 Euro Eintritt plus teure Getränke sind vor allem dem studentischen Publikum oft zu viel. Es weicht auf Bars und Lokale aus, wo es keinen Eintritt zahlen und nicht vor den Türen Schlange stehen muss.

Auch der Umgang der jungen Leute mit Musik hat sich in den letzten Jahren verändert. „Ich habe den Eindruck, dass es gerade in Wien stark nachgelassen hat“, sagt Goldbaum. Viel weniger Menschen würden heute wegen der Musik in Clubs gehen. Das sei vor allem der Kommerzialisierung des Programms geschuldet. Wenn überall dieselbe massentaugliche Musik ohne künstlerischen Anspruch läuft, dann verliert das Publikum langfristig das Interesse.

Mut zum Nischenpublikum

Dass es zu viele Clubs und Lokale in Wien gibt, glaubt Bono Goldbaum jedoch nicht. „Aber alle konzentrieren sich auf die gleichen paar Headliner, die sicher funktionieren.“ Wenn alle ein ähnliches Programm haben, dann konkurrieren auch plötzlich alle miteinander. Clubs, die nicht von großen Sponsoren unterstützt werden, können in diesem Konkurrenzkampf nicht mithalten, gehen pleite und müssen zusperren. „Würden die einzelnen Clubs sich wieder trauen, ein Nischenpublikum zu bedienen, könnten sie nebeneinander existieren, ohne sich gegenseitig die Gäste wegzunehmen“, sagt Goldbaum. Die Hauptstadt könnte so als Partydestination wieder an Reiz gewinnen.

Auf einen Blick

Schluss. Im Jänner sperrt die Kantine im alten Zollamt zu. Das ganze Gebäude soll abgerissen werden. Das Lokal wurde erst im Oktober 2014 eröffnet, war aber nur als zeitlich begrenzter Pop-up-Club geplant. Zum Abschied gibt es am 16. Jänner eine große Abrissparty.

Neueröffnung. Gleich danach wollen die Betreiber der Kantine einen neuen Club eröffnen. Wo genau dieser sein wird, ist derzeit noch streng geheim. Es dürfte sich aber um eine Location in der Innenstadt handeln. Der Stil der Kantine im Zollamt soll beibehalten werden.

Pop-up. Im dritten Bezirk wird im Jänner ein weiterer Pop-up-Club seine Türen öffnen. Das Marx-Project lädt schon zu Silvester zum Psychedelic New Year, die offizielle Eröffnung findet am 2. Jänner statt. Drei Monate lang soll in der Marx-Halle gefeiert werden, im April wird der Club wieder schließen.

Außenseiter. Das Jetzt am Parhamerplatz in Hernals gibt es mittlerweile schon seit 1990. Im Jahr 2016 könnte es durch den Mix aus Pub und Club zu Wiens neuer In-Location werden. Zusätzlicher Bonus: Der Eintritt ist frei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2015)

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