Analyse: Häupls geheime Bezirksstrategie

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Projekte für die Basis in jedem Bezirk, Rückeroberung der Grätzel und Schützenhilfe für Bezirke im Clinch mit den Grünen: Dies sind die Leitlinien der SPÖ-Klubklausur.

Wien. Heuer ist alles anders. Die traditionelle jährliche Klubtagung der Bürgermeisterpartei Michael Häupls findet nicht (wie gewohnt) im burgenländischen Rust statt, sondern geht am kommenden Donnerstag und Freitag im Colosseum XXI, einer Veranstaltungshalle im 21. Bezirk, über die Bühne. Die Begrüßungsworte spricht nicht der burgenländische Landeshauptmann, Hans Niessl, sondern der Floridsdorfer Bezirkschef, Georg Papai. Und entgegen den Erwartungen werden ab Donnerstag keine neuen Leuchtturmprojekte für Wien präsentiert, sondern die (großteils roten) Bezirke mit Initiativen und konkreten Projekten demonstrativ gehegt und gepflegt – wie die entsprechenden Unterlagen zeigen, die der „Presse“ bereits vorliegen.

Abkehr von Prestigeprojekten

Alle roten Stadträte wurden von Häupl beauftragt, die Leitlinien ihres Ressorts auf ganz konkrete Projekte für zwei bis drei Bezirke herunterzubrechen. Am Ende, so die Vorgabe, müsste es konkrete, angreifbare Projekte in jedem der 23 Wiener Bezirke geben: „Deshalb gab es in den vergangenen Wochen einen enormen Koordinationsaufwand“, ist in roten Kreisen zu hören, „weil sich alle Stadtratsbüros miteinander abstimmen mussten“. Immerhin hätte es für einige Bezirke mehr als genügend Projekte gegeben, während in manchen Bezirken eine Flaute geherrscht habe. Deshalb hätte man feilschen müssen, wer welche Projekte streicht und wer dafür ein neues Projekt in einem anderen Bezirk auf die Beine stellen muss.

Worum geht es Häupl? Einerseits um die Rückeroberung der Grätzel, die Häupl im Zuge der SPÖ-Parteireform nach einem Minus von fast fünf Prozentpunkten bei der Wien-Wahl vorgegeben hat. Die Wiener sollen an ganz konkreten lebensnahen Projekten sehen, wofür die Politik der SPÖ steht, ist zu hören. Beispielsweise soll gezeigt werden, was die Ressorts unter günstigem Wohnen oder mehr Lebensqualität (bessere Luft) verstehen – heruntergebrochen auf konkrete Projekte für einen Bezirk.

Zweite Stoßrichtung: Häupl will den Bezirken (also der roten Basis) explizit seine Wertschätzung und Rückendeckung signalisieren – wegen deren oftmaligen Auseinandersetzungen mit der grünen Verkehrsstadträtin, Maria Vassilakou, die grüne (Prestige-)Projekte oft durch (rote) Bezirke blockiert sieht und hier durchgreifen möchte, ist in SPÖ-Kreisen zu hören. Nicht nur damit soll die Unzufriedenheit in den roten Bastionen (den großen, bevölkerungsreichen Bezirken) besänftigt werden – nachdem diese seit Langem klagen, dass für innerstädtische Prestigeprojekte wie z. B. die Mariahilfer Straße mehr als genug Geld vorhanden ist, die Außenbezirke aber leer ausgehen würden.

Besänftigung der SPÖ-Basis

Neben der Rückeroberung der Grätzel samt Besänftigung der roten Basis und Rückendeckung im Streit mit den Grünen auf lokaler Ebene gibt es weitere bemerkenswerte Fakten bei der heurigen SPÖ-Klubtagung. Interessant ist, dass die Tagung ausgerechnet im 21. Bezirk veranstaltet wird, also dem bei der Wahl knapp vor der FPÖ gehaltenen Heimatbezirk des ambitionierten Wohnbaustadtrats Michael Ludwig. Und dass die Eröffnung bzw. Begrüßung damit von Bezirkschef Georg Papai durchgeführt wird, der als eine Art politischer Ziehsohn Ludwigs gilt. Manche sehen in dem Tagungsort außerhalb der Bobo-Innenstadtbezirke ein weiteres Signal Häupls an die rote Basis, die ihre Unzufriedenheit in jüngster Zeit immer öfters artikuliert hat. Nicht nur bei der Frage der Willkommenskultur.

Nebenbei: Dass die Klubtagung nicht wie bisher in Rust stattfindet, hatte SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch bereits im Vorfeld mit Kosten- und Termingründen argumentiert. Auch wenn er erklärte, es sei nicht das erste Mal, dass jene Klubtagung, bei der die SPÖ Weichenstellungen bzw. Großprojekte bekannt gibt, nicht in Rust stattfindet – Faktum ist, dass viele Genossen nach der Bildung der rot-blauen Koalition im Burgenland gefordert haben, den Tagungsort Rust zu boykottieren. Nebeneffekt für die (nach Rot-Blau im Burgenland) zornigen Wiener Genossen: Man muss Niessl nicht ausladen.

AUF EINEN BLICK

Die traditionelle SPÖ-Klubtagung, bei der gern Großprojekte präsentiert werden (z. B. Spital Nord, Gratiskindergarten) findet heuer nicht wie gewohnt im burgenländischen Rust statt, sondern am Donnerstag und Freitag direkt in Wien. Präsentiert werden nach „Presse“-Informationen konkrete Projekte für jeden Wiener Bezirk, mit denen auch die rote Basis besänftigt werden soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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