Prostitution: Phänomen Sexarbeit in der U-Bahn

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Am Praterstern und auf dem Westbahnhof werben Sexarbeiterinnen in der U-Bahn-Station um Freier. Die Zahl der Asylwerber, die sich prostituieren, hat sich seit 2013 verdoppelt.

Der soziale Brennpunkt Praterstern hat viele Probleme – und seit Kurzem noch eines mehr. Neben Drogendealern und -süchtigen, Obdachlosen und Alkoholikern sieht man immer häufiger Prostituierte, die vor den Toiletten oder im Zwischengeschoß um Freier werben.

Erlaubt ist das nicht. Mit dem Prostitutionsgesetz 2011 wurde der Straßenstrich im Wohngebiet verboten. Zwei Überbleibsel gibt es noch in Floridsdorf und Liesing, wo im Sommer laut Polizei rund 100 Frauen auf der Straße arbeiten. Auch im einst verruchten Stuwerviertel unweit des Pratersterns verschwanden mit dem neuen Gesetz die Frauen langsam von der Straße – das letzte Stundenhotel sperrte vor wenigen Monaten zu.

Nun tauchen die Sexarbeiterinnen, die wegen ihrer unscheinbaren Kleidung oft nicht gleich als solche erkennbar sind, aber plötzlich wieder am Praterstern auf. „Ich versuche hier, Männer kennenzulernen. Mit denen fahre ich ein Stück mit der U1 auswärts, um einen ruhigen Platz zu suchen“, sagt die Rumänin Monika zur „Presse“. Sie ziehe sich bevorzugt auf der Donauinsel in ein dunkles Eck zurück. Auf die Frage, warum sie sich nicht offiziell als Prostituierte anmelde und sich einen besseren Indoor-Arbeitsplatz suche, antwortet sie: „Zu kompliziert.“ Außerdem würde sie sich auf diese Weise nur ab und zu Geld verdienen. „Wenn ich dringend etwas brauche.“

Gewalttaten zurückgegangen

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Der sogenannte U-Bahn-Strich hält aber nicht nur am Praterstern in der Leopoldstadt Einzug – auch auf dem Westbahnhof versuchen Sexarbeiterinnen, sich einen Arbeitsplatz einzurichten. „Es werden mehr Frauen, und schuld daran ist auch die Registrierkassa“, sagt Christian Knappik vom Forum sexworker.at, einer Interessenvertretung für Sexarbeiterinnen. Sexarbeiterinnen sind von dem neuen Gesetz betroffen, weil sie in der Regel Einzelunternehmer sind. Das bedeutet aber auch, dass auf dem Beleg ihr Name stehen muss. Laut Knappik würden aber viele genau das nicht wollen, sondern lieber anonym bleiben. „Man treibt die Frauen in die Illegalität“, sagt Knappik. Laut Auskunft des Finanzministeriums müssen Sexarbeiterinnen aber zumindest nicht – wie sonst vorgeschrieben – die genaue Dienstleistung angeben.

Bei der Wiener Polizei glaubt man nicht, dass sich der U-Bahn-Strich noch weiter ausdehnen wird. Man hält es eher für ein Randphänomen, das man aber beobachtet – Frauen, die so arbeiten, müssten auch mit Anzeigen rechnen. Prinzipiell ist man mit der Situation in Wien aber zufrieden. „Seit der Einführung des neuen Prostitutionsgesetzes hat sich viel zum Positiven gewandelt“, sagt Wolfgang Langer, Zuständiger für Prostitutionsangelegenheiten bei der Polizei Wien. Die kleinen schmuddeligen Lokale seien verschwunden – und durch gut kontrollierte, den hygienischen Bedingungen entsprechende Etablissements ersetzt worden. Während es 2012 noch 25 bewilligte Lokale gab, waren es mit Anfang März 332 in ganz Wien. 51 Prozent der Lokalbesitzer sind laut Statistik weiblich. „Meist sind das Frauen, die früher selbst in der Branche gearbeitet haben“, erklärt Langer.

Mit dem neuen Prostitutionsgesetz seien auch die Straftaten an Frauen deutlich zurückgegangen – die Zeiten, in denen Frauen von Zuhältern angezündet und krankenhausreif geprügelt worden sind, seien vorbei. Aufkeimende Konflikte sieht Langer aber in Zusammenhang mit den Flüchtlingen. „Manche dieser Männer haben ein anderes Frauenbild, und wir haben immer wieder Probleme“, sagt Langer. Es käme vermehrt zu Gewalt auf dem Straßenstrich, wo sich die Flüchtlinge herumtreiben, weil sexuelle Dienstleistungen dort am billigsten sind.

Asylwerber als Sexarbeiter

Was die Flüchtlinge betrifft, gibt es im Zusammenhang mit Prostitution noch ein anderes Phänomen: 4,8 Prozent der registrierten Prostituierten sind Asylwerber. Prostitution ist einer der wenigen Berufe, die auch Flüchtlinge im Asylverfahren legal ausüben dürfen. Die Zahl der gemeldeten Asylwerber, die sich prostituieren, ist seit 2013 um mehr als das Doppelte gestiegen. Es handelt sich aber überraschenderweise nicht um Frauen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, sondern fast ausschließlich um chinesische Asylwerberinnen. „Die Sexindustrie aus Asien schwappt nach Europa – das sieht man in vielen Ländern, und auch in Österreich“, sagt Langer.

Der Großteil der Prostituierten kommt aber nach wie vor aus den osteuropäischen Ländern. Die größte Gruppe stellte 2015 mit 40 Prozent Rumänien, gefolgt von Ungarn (25 Prozent) und Bulgarien (fünf Prozent). Nur drei Prozent aller Sexarbeiterinnen sind Österreicherinnen. Seit der Einführung des neuen Prostitutionsgesetzes 2011 ist die Anzahl der registrierten Prostituierten von 2431 auf 3392 um knapp 40 Prozent gestiegen. Ob es nun trotz des Versuchs, die Prostitution einzudämmen, tatsächlich mehr Frauen – oder nur mehr legale Sexarbeiterinnen – gibt, kann nicht beantwortet werden. „Wir vermuten schon, dass es mehr legale gibt, weil die Bedingungen für sie besser und die Strafen bei Nichtbeachtung schärfer geworden sind“, sagt Langer. 2015 gab es 5668 Anzeigen gegen Prostituierte und 296 gegen Lokalbetreiber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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