Ärzte drohen nach Kürzungen mit Streik

Der Wiener Ärztekammer-Präsident, Thomas Szekeres, wirft dem Krankenanstaltenverbund „Vertragsbruch“ vor.
Der Wiener Ärztekammer-Präsident, Thomas Szekeres, wirft dem Krankenanstaltenverbund „Vertragsbruch“ vor.(c) HERBERT NEUBAUER / APA / picture
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In den Wiener Gemeindespitälern sollen 40 Nachtdiensträder gestrichen und großflächig Schichtdienste eingeführt werden. Die Ärztekammer schäumt und ortet einen „Vertragsbruch“.

Wien. Einen „glatten Vertragsbruch“ und „amateurhaftes Vorgehen“ wirft Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres dem Krankenanstaltenverbund (KAV) vor. Dieser spare „auf Teufel komm raus“ und bedrohe die Patientenversorgung akut. Man kehre „entweder auf den Pfad der Kooperation zurück, oder es wird Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks geben“, sagte Szekeres am Montag bei einer Pressekonferenz. Zuvor war bekannt geworden, dass in den Wiener Gemeindespitälern mit 1. September 40 Nachtdiensträder (von 350) ersatzlos gestrichen und rund die Hälfte der restlichen Dienste in 12,5-Stunden-Schichtdienste umgewandelt werden. „Das ist entgegen der Vereinbarung von 2015 ein mit der Ärzteschaft nicht abgestimmtes Vorgehen“, sagt Hermann Leitner, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien.

„Diese Maßnahmen sind seitens des KAV ohne vorherige Evaluation oder Diskussion mit den betroffenen Abteilungen beschlossen worden“, ergänzt Szekeres. „Auch die Notfalleinrichtungen werden nicht – wie ursprünglich vereinbart – ausgebaut, sondern sind ebenfalls von diesen Reduktionen betroffen.“ Damit werde das System „kaputtgespart“. Szekeres: „Der Verdacht, dass der KAV amateurhaft geleitet wird, verdichtet sich immer mehr.“ Denn diese Maßnahmen hätten „eine massive Reduktion der medizinischen Leistungsfähigkeit der Spitäler einschließlich der Pflegewohnheime zur Folge und seien sachlich nicht begründbar.

„Lediglich eine Provokation“

Die Ärztekammer fordere daher den KAV auf, entsprechende Fallzahlen vorzulegen, um die Kürzungen zu rechtfertigen. Sonst würden diese Einsparungen „lediglich eine Provokation der Politik und der Leitung des KAV an das ärztliche Personal“ darstellen. Die Folge wären „Kampfmaßnahmen“, wie Szekeres betont. „Selbstverständlich müssten diese Maßnahmen von der Mehrheit der betroffenen Ärzte mitgetragen werden. Aber wir zweifeln nicht an ihrer Kampfbereitschaft und werden zeitnah eine entsprechende Umfrage durchführen.“ Betroffen sind von den reduzierten Nachtdiensträdern vor allem das SMZ Ost (minus 12,5), die Rudolfstiftung (minus acht) das Krankenhaus Hietzing (minus 6,5) und das Wilhelminenspital (minus sechs). Im Otto-Wagner-Spital fallen drei Räder weg, im Kaiser-Franz-Josef-Spital 2,5 und in Floridsdorf eines.

Auch die Umwandlung von Nachtdiensten (mit 25 Stunden) in 12,5-Stunden-Dienste werden das SMZ Ost, das Krankenhaus Hietzing, das Otto-Wagner-Spital und das Wilhelminenspital am stärksten zu spüren bekommen. Diese Dienste werden von den meisten Ärzten abgelehnt, weil ihrer Meinung nach unter den vielen Dienstübergaben, bei denen es zwangsläufig zu Informationsverlusten kommt, die Patientenversorgung leidet. Zudem fürchten sie Einkommensverluste, weil sie weniger Überstunden machen können. „Besonders bemerkenswert“ an den Einsparungen des KAV findet Vizepräsident Leitner den Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe. Denn „einschneidende Veränderungen“ würden typischerweise immer „zu Ferienbeginn oder am 23. Dezember“ verkündet. Was für keine besonders gute Unternehmenskultur spreche. Hinzu komme, dass der KAV diese Maßnahmen treffe, ohne Parallelstrukturen im niedergelassenen Bereich aufzubauen.

Den „Führungsstil“ des KAV kritisiert auch Wolfgang Weismüller, Personalvertreter der Ärzte im KAV und Vorsitzender des Personalgruppenausschusses Ärzte. Der KAV wolle die wöchentliche Arbeitszeit der Ärzte um jeden Preis von wöchentlich rund 55 Stunden auf 42 reduzieren, was zu einer „unglaublichen Arbeitsverdichtung“ führe und die Aufrechterhaltung des Spitalsbetriebs gefährde. Für „nicht paktfähig“ hält Gernot Rainer, Obmann der Ärztegewerkschaft Asklepios, die Generaldirektion des KAV und will zusammen mit der Ärztekammer „neue Proteste planen, um sich zu wehren“.

„Wartezeiten werden verkürzt“

Der KAV weist die Anschuldigungen auf Nachfrage zurück. Durch Reduktion der Nachtdiensträder stünden für Patienten „besonders in Nachmittagsstunden deutlich mehr Ärzte zur Verfügung“.

Dadurch würden Wartezeiten reduziert und die individuelle Behandlung gestärkt. Zudem hätten weniger Nachtdienste auf die Patienten keine negativen Auswirkungen, „denn auch sie schlafen in der Regel nachts während ihrer Spitalsaufenthalte“. Für Notfälle sei weiterhin eine „uneingeschränkte ärztliche Versorgung vorhanden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2016)

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