Angewandte Wien: Kunst statt Flüchtlingen

Von außen wird sich in der Vorderen Zollamtsstraße 7 wenig ändern – innen wird alles anders.
Von außen wird sich in der Vorderen Zollamtsstraße 7 wenig ändern – innen wird alles anders.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In Wien startet der lang erwartete Umbau des alten Finanzgebäudes in der Zollamtsstraße für die Angewandte.

Wien. Für Gerald Bast, den Rektor der Universität für Angewandte Kunst, war der Mittwoch ein lang ersehnter und „ein wirklich schöner Tag“: „Und ein guter Tag beginnt mit einer Bohrmaschine“, sagt er und eröffnet den Umbau gemeinsam mit Hans-Peter Weiss, dem Chef der Bundesimmobiliengesellschaft BIG, mit ein wenig inszeniertem Stemmen an den Mauern des alten Zollamts in Wien Landstraße. Denn das Gebäude in der Vorderen Zollamtsstraße 7, das erst lang leer stand und seit vorigem Oktober ein Notquartier für Flüchtlinge war, wird nun bis 2018 für die Angewandte umgebaut.

Es wird komplett entkernt, innen sollen ein mit Glas überdachtes Atrium, ein Veranstaltungszentrum für 1000 Besucher oder eine Bibliothek entstehen, die denkmalgeschützte Fassade soll erhalten bleiben. Für die Studenten ergeben sich damit in Summe 9500 Quadratmeter an neuer Nutzfläche. Parallel dazu wird auch der „Schwanzer Trakt“ der Angewandten am Oskar-Kokoschka-Platz, aus dem die Universität vor geraumer Zeit ausziehen musste, saniert: Das Hauptgebäude der Angewandten, in Gehdistanz zum Erweiterungsbau in der Zollamtsstraße, soll damit zum Ursprungscharakter zurückgebaut werden. In Summe investiert die BIG damit 66 Mio. Euro (27 Mio. im Hauptgebäude, 39 Mio. in der Zollamtsstraße) in die Universitätsgebäude.

Innenansicht Vordere Zollamtsstrasse 7 (Rendering)
Innenansicht Vordere Zollamtsstrasse 7 (Rendering)Josef Andraschko_RIEPLKAUFMANNBAMMER ARCHITEKTUR

Diese Sanierungen und die Erweiterung seien dringend notwendig gewesen, sagt Rektor Bast. Zuletzt wurden die Räumlichkeiten der Angewandten in den 1960er-Jahren erweitert – damals zählte die Kunstuniversität gut 500 Studenten, jetzt sind es 1800. Und die Erweiterung hat sich lang verzögert: Eigentlich hätte das Haupthaus 2013 saniert und ausgebaut werden sollen – das Projekt ist an explodierenden Kosten gescheitert. Nun soll unter anderem ein Veranstaltungszentrum in der Vorderen Zollamtsstraße entstehen, bisher musste die Universität bei Veranstaltungen improvisieren oder, für Modeschauen etwa, externe Locations mieten. Auch Abteilungen wie bildende Kunst, Kunstpädagogik, die wissenschaftlich-theoretische Abteilung oder Universitätsbibliothek sollen in den Erweiterungsbau übersiedeln.

Innenansicht Vordere Zollamtsstrasse 7 (Rendering)
Innenansicht Vordere Zollamtsstrasse 7 (Rendering)Josef Andraschko_RIEPLKAUFMANNBAMMER ARCHITEKTUR

Die Flüchtlinge sind jüngst ausgezogen

Junge Kunst – bzw. Graffiti und Gekritzel, je nach Definition – sieht man, neben alten Türschildern der längst ausgezogenen Finanzbeamten, an den Wänden des alten Baus. Sie sind bei Projekten von Kunststudenten und Flüchtlingen entstanden. Bis vorige Woche haben in der Vorderen Zollamtsstraße rund 100 Menschen gelebt. Neun Monate wurde das leer stehende Gebäude als eines der größten Flüchtlingsquartiere Wiens genutzt, zu Spitzenzeiten lebten hier 800 Menschen. Da klar war, dass ab Sommer 2016 umgebaut wird, sind diese sukzessive in kleinere Unterkünfte des Roten Kreuzes oder des Fonds Soziales Wien übersiedelt. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2016)

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