Mehr als 16 Prozent weniger potenzielle Einkäufer seien nach der Verkehrsberuhigung auf der Wiener Mariahilfer Straße unterwegs, zieht die Wirtschaftskammer ein Jahr nach Fertigstellung ein "bitteres Fazit".
Die Wiener Stadtpolitik hat ein Jahr nach Ende der Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Fußgänger- und Begegnungszone eine zufriedene Bilanz gezogen, die Wiener Wirtschaftskammer kann dem aber nicht zustimmen. Ihr zufolge kommen - mit Verweis auf eine jährlich stattfindende Passantenzählung - nunmehr knapp 13 Prozent weniger Menschen, um tatsächlich einzukaufen.
"Jubel, Trubel, Heiterkeit seitens der Politik - Ernüchterung und Enttäuschung seitens der Betriebe", zog Kammerpräsident Walter Ruck am Freitag in einer Aussendung ein "bitteres Fazit". "Es zeigt, wie weit mancher Politiker von der wirtschaftlichen Realität, dem Arbeitsmarkt und den Unternehmen entfernt ist", legte er nach.
Minus 16,4 Prozent Passanten, minus 13 Prozent Einkäufer
Laut der Passantenzählung sei in vier von fünf Zählbereichen auf der Einkaufsstraße die Passantenzahl nach dem Umbau teilweise deutlich zurückgegangen. Im oberen Bereich der Straße registrierte die Kammer im Zeitraum 2012 bis 2015 gar ein Minus von 16,4 Prozent. Bei den tatsächlichen Einkäufern bemerkte die Kammer einen Rückgang von knapp 13 Prozentpunkten - von 65,9 Prozent auf 53,2 Prozent. Die Zählung werde immer im Oktober durchgeführt, daher sei die Vergleichbarkeit "vor und nach dem Umbau" gegeben, versicherte ein Wirtschaftskammer-Sprecher gegenüber der Austria Presseagentur.
"Die Kaufleute beklagen Umsatzrückgänge, weil die zahlungskräftigen Käufer mit Auto weniger geworden sind", berichtete außerdem der Obmann der Wirtschaftskammer-Sparte Handel, Rainer Trefelik, in einer eigenen Pressemitteilung. Überhaupt habe sich durch den Umbau das Kaufverhalten geändert: "Viele Händler mussten ihr Sortiment umstellen, da das zahlungskräftige Publikum für die hochpreisigen Waren ausbleibt."
Kein Einfluss auf Mieten
Auf die Geschäftsmieten hätte der Umbau noch keinen Einfluss gehabt, berichtete Trefelik weiters. Diese seien annähernd gleich geblieben. Vor allem in der Gastronomie habe es einen Zuzug von neuen, "meist kleinen Unternehmen" gegeben, im Handel hingegen kaum.
Damit die Mariahilfer Straße "wieder zu alter Stärke" zurückfindet, wie Ruck und Trefelik es in den Aussendungen formulierten, fordern sie zusätzliche Querungen für den Zuliefer- und Individualverkehr und ein rasches Umsetzen von Tourismuszonen. Weiters plädierte Trefelik für das Eindämmen der Aktivitäten von Spendensammlern: "Es sind zu viele auf zu knappem Raum". Er habe zwar Verständnis, dass Organisationen Spenden sammeln: "Aber wenn sich dann jemand mit ausgestreckten Armen vor Ihnen aufbaut, ist das nicht mehr lustig."
(APA)