Stadt Wien will Sozialamt neu aufstellen

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Themenbild Mindestsicherung(c) Clemens Fabry
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Eine Taskforce soll die MA 40 durchleuchten und Mängel beheben. Klar ist, dass die Flüchtlingswelle die Stadt fallweise überfordert hat. Konkrete Zahlen fehlen.

Wien. Das erste deutliche Anzeichen, dass viel im Hintergrund tatsächlich nicht stimmt, kam mit dem Abgang der Chefin. Ulrike Löschl, Leiterin des Wiener Sozialamtes (MA 40) trat vergangene Woche von ihrem Posten zurück. Ihrem Abgang ist ein Rechnungshof-Rohbericht vorausgegangen, in dem es schwere Kritik an der Vergabe und Kontrolle der Mindestsicherung gab. Am Mittwoch kündigte Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (die die Agenden unlängst von ihrer Vorgängerin, Sonja Wehsely, übernommen hat) nun eine weitere Maßnahme an: Ab sofort soll eine Taskforce die MA 40 durchleuchten. Laut Frauenberger ist in der betroffenen Magistratsabteilung tatsächlich „einiges zum Nachholen“, vor allem was organisatorische Fragen anbelange.

Chef der Taskforce ist Peter Stanzl, davor Leiter der MA 24 (Sozialplanung). Ihm steht für ein Jahr ein interdisziplinäres Team aus elf bis zwölf Mitarbeitern zur Verfügung (von IT bis Juristen) – alle kommen aus anderen Abteilungen der Stadt. Wobei die Taskforce nicht ins Tagesgeschehen eingreifen werde. „Das Ziel ist es, gemeinsam mit den Mitarbeitern eine Strukturänderung vorzunehmen“, so Stanzl. Am Ende soll das Amt neu aufgestellt werden. „Wir wollen nicht kleinreden, dass es bei Kontrolle und Leistungsüberprüfung Probleme gibt“, sagte Frauenberger. Dennoch wies man einen Großteil der Vorwürfe im Rechnungshof-Rohbericht (der über die „Krone“ auszugsweise veröffentlicht wurde) zurück.

So sei an 27 Kinder Sozialgeld ausbezahlt worden, obwohl sie nicht auffindbar waren – tatsächlich, so Frauenberger, seien es nur fünf gewesen. Und es würde natürlich von jeder Person – entgegen den Vorwürfen – der Ausweis kontrolliert. Diese seien zwar manchmal abgelaufen gewesen – trotzdem aber gültig („Die Presse“ berichtete). Fehler gab man hingegen bei der Überprüfung von Daten zu. So fanden „manche Tätigkeiten nicht oder nicht rechtzeitig statt“, sagte Stanzl. Vor allem Grundbuchabfragen (oder ähnliches) „erfolgen nicht regelmäßig, oder manchmal fanden sie verspätetet statt. Da muss man jetzt schauen, ob das Einzel- oder Ressourcen- oder strukturelle Probleme sind“, so der Taskforce-Leiter.

„Gab strukturelle Probleme“

Interessant wird es, wenn der Bericht (der derzeit bei der MA 40 zur Beantwortung liegt) fertig ist. Derzeit könne sie „nicht ausschließen“, dass jemandem die Mindestsicherung in zu großer Höhe oder irrtümlich ausbezahlt wurde, so Frauenberger. Stanzl gab an, dass es auch „in Zukunft Menschen geben wird“, die zu Unrecht für ein paar Monate Mindestsicherung beziehen, weil sie etwa Einkünfte nicht melden. „Aber da gibt es ja Rückforderungen.“ Er gehe nicht davon aus, dass dieser Rückforderungsbetrag sehr hoch sei. „Ab wir sehen, dass es zumindest eine Zeit lang strukturelle Probleme gab.“

Das liegt auch an einer schlechten Datenübertragung. So werden die Daten der Stadt Wien und des AMS nur einmal im Monat abgeglichen. Im Endeffekt entsteht so ein fehlender Datenabgleich von zwei Monaten. Das möchte Stanzl ändern. „Mein Wunsch wäre ja ein täglicher Abgleich.“ Tatsächlich dürfte die Diskussion um den Rohbericht noch etwas anderes zeigen. Während die Stadt Wien sich für ihre Flüchtlingspolitik feiern ließ (und bei den Wien-Wahlen deswegen nicht erdrutschartig Stimmen verlor), war sie im Hintergrund sehr wohl mit den neuen Bewohnern überfordert.

Flüchtlinge als Bezieher

Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher ist durch die Flüchtlinge deutlich gestiegen. Erstens, weil fast jeder anerkannte Flüchtling einmal Mindestsicherung bezieht, während er Deutsch lernt. Zweitens, weil zwei Drittel aller anerkannten Flüchtlinge in Wien Arbeit suchen. Man habe aufgrund wachsender Fallzahlen auch die Anzahl der Mitarbeiter aufgestockt, was eine hohe Anforderung an die internen Abläufe dargestellt hätte, sagte Frauenberger. In Wien laufen schon länger Verhandlungen mit den Grünen für eine neue Regelung der Mindestsicherung. Die Rechnungshofkritik soll nun eingearbeitet werden. Wann das Konzept steht, wollte Frauenberger nicht sagen. Generell möchte sie die Mindestsicherung transparenter gestalten und mehr Statistiken dazu bereitstellen. Die ehemalige MA 40-Chefin ist übrigens in die MA 70 (Wiener Berufsrettung) gewechselt. Und wird dort, so Frauenberger, „wichtige Aufgaben“ übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2017)

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