Kranke Straftäter: Reform rückt nahe

Das Gefängnis Garsten, OÖ (Bild: Fitnessraum für Häftlinge), könnte die Abteilung für abnorme Rechtsbrecher verlieren.
Das Gefängnis Garsten, OÖ (Bild: Fitnessraum für Häftlinge), könnte die Abteilung für abnorme Rechtsbrecher verlieren.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Umgang mit psychisch kranken Straftätern ist seit Jahren reformbedürftig. Nun liegt ein Entwurf für ein neues Gesetz vor. Demnach sollen forensisch-therapeutische Zentren entstehen.

Wien. Die derzeitige Regelung zur Unterbringung „geistig abnormer Rechtsbrecher“ in „Anstalten“ (Gesetzestext) stammt aus den 1970-er-Jahren. SPÖ-Justizminister Christian Broda hatte sich damals als Reformer betätigt. Das hatte zuletzt auch der aktuelle Amtsinhaber, Justizminister Wolfgang Brandstetter, vor. Doch er kann sich das Inkrafttreten neuer Normen zum Maßnahmenvollzug (die Unterbringung wird als Maßnahme bezeichnet) in der vorzeitig endenden Legislaturperiode nicht mehr auf seine Fahnen heften. Aber: Am Dienstag wurde ein Expertenentwurf präsentiert.

Im Bereich Straf- bzw. Maßnahmenvollzug wurden Reformen lange Jahre verschleppt. Expertenvorschläge gibt es jede Menge, sie warten nur auf die politische Umsetzung. Geht es nach Brandstetter und nach seinen Experten, wird der staatliche Umgang mit Personen, die „unter der Einwirkung einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung“ (so die neu vorgeschlagene Bezeichnung) Straftaten begehen, viel genauer geregelt. Eben diese Personen, nämlich Täter, die zurechnungsunfähig sind, sollen künftig in forensisch-therapeutischen Zentren untergebracht werden. Als Paradebeispiel gilt das bereits existierende Zentrum Linz-Asten.

Saubere Trennung

Diese Regelung soll auch für jene gelten, die zwar zurechnungsfähig sind, aber zur Tatzeit unter dem Einfluss der erwähnten Störung gestanden sind. Zur Erklärung: Diese beiden Täter-Kategorien kennt auch das aktuelle Strafrecht.

Geht es nach den Reformvorschlägen, soll künftig sauber getrennt werden – zwischen eben diesen Zentren und den bestehenden Gefängnissen. Beides, also Gefangenenhaus und Therapiezentrum unter einem Dach, soll vermieden werden. Das würde derzeit etwa die Justizanstalt Krems-Stein oder jene in Garsten (Oberösterreich) betreffen. Somit sei der Bau weiterer Zenten unabdingbar, so das Justizressort. Wie viele dies sein sollen und wo diese errichtet werden, steht noch nicht fest. Auch die Finanzierung ist noch nicht gesichert, sei aber machbar, so der Ressortchef optimistisch. Dass die Zeit drängt, zeigen die Zahlen: Derzeit sitzen bundesweit 922 Personen im Maßnahmenvollzug, „Tendenz steigend“, sagte am Dienstag Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs. Er präsentierte gemeinsam mit dem Minister den besagten Expertenentwurf für das neue MVG – wie das Maßnahmenvollzugsgesetz künftig in Kurzform heißen soll.

Dass dieses Gesetz, genau so wie nun vorgeschlagen, in Kraft tritt, meinen nicht einmal unverbesserliche Optimisten. Es ist auch gar nicht so gedacht. Brandstetter: „Was ich will, ist eine große, öffentliche Diskussion.“ Eine Begutachtung des MVG-Entwurfs gehe sich vor der Nationalratswahl (15. Oktober) ohnedies nicht mehr aus, ließ der Minister durchblicken. Dass die Karten nach Wahl wieder neu gemischt werden, versteht sich von selbst. Geht es nach Brandstetter, soll freilich auch unter der neuen Regierung der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden. „Das würde ich gern tun“, sagt er. Und beantwortet so die Frage, ob er auch dem neuen Kabinett als Justizminister angehören möchte.

Hürden nicht gelockert

Wer kommt für den Maßnahmenvollzug in Frage? Täter, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, diese Regelung gilt auch aktuell. Eine Anhebung dieser Hürde auf mehr als drei Jahre wurde zuletzt zwar von Experten vorgeschlagen, das Ministerium ging da aber nicht mit – nicht zuletzt unter dem Eindruck des Brunnenmarkt-Falls (siehe nebenstehenden Artikel).

Gemeint ist jener Mann aus Kenia, der eine Frau mit einer Eisenstange erschlagen hatte, zuvor aber nicht in Gewahrsam genommen wurde bzw. keine Bewährungshilfe erhielt, obwohl er etwa wegen Drogendelikten bereits verurteilt worden war.

Wenn die dem Täter angedrohte Freiheitsstrafe drei Jahre nicht übersteigt, so darf es aber nur bei „besonderer Gewaltgeneigtheit des Täters“ zu einer Unterbringung kommen. Grundsätzlich währt eine solche Maßnahme solange, bis der Täter als weitgehend ungefährlich gilt (offenes Ende). Bei Vermögensdelikten soll eine Unterbringung nur erlaubt sein, wenn der Täter als besonders gefährlich gilt.

Vom Ansatz her verfolgt der Minister derzeit die Linie: „So viel Sicherheit wie nötig, so viel Behandlung wie möglich“. Auch für die neuen Einrichtungen soll gelten: „Nach innen eine Klinik, nach außen ein Gefängnis.

Erweitert werden sollen auch Alternativen zur Anhaltung in einem therapeutischen Zentrum. Hier kommt eine Unterbringung in einer überwachten Wohneinrichtung oder eine Überwachung mittels Fußfessel in Frage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2017)

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