Rettung: Blaulichtorganisationen unter Druck

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THEMENBILD: RETTUNG / SANIT€TER / ROTES KREUZ(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Wiener Gebietskrankenkasse beauftragt immer häufiger private Unternehmen mit Krankentransporten – das Rote Kreuz muss darum nun Sanitäter kündigen. Ob das Rettungswesen in Gefahr ist, und wie es nun weitergeht.

Wien. Das Rote Kreuz muss 35 Sanitätern kündigen, weil immer häufiger private Dienstleister Krankentransporte abwickeln. Auch andere Blaulichtorganisationen geraten unter Druck. Private seien billiger, argumentiert die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). Die Qualität stimme dafür nicht, kritisieren die Blaulichtorganisationen. Patientenanwaltschaft und die Politik forcieren eine Reform des Rettungswesens. Was das bedeutet.

1. Welche Organisationen machen in Wienderzeit welche Fahrten?

Prinzipiell muss zwischen Rettungsdiensten und Krankentransporten unterschieden werden. Bei Rettungsfahrten geht es um Notfälle. Das ist den Blaulichtorganisationen vorbehalten. Zu 60 Prozent werden diese von der Wiener Berufsrettung erledigt. Die restlichen 40 Prozent teilen sich das Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Johanniter, die Samariter, das Grüne Kreuz und der Sozialmedizinische Dienst. Krankentransporte sind jene Fahrten ins Spital oder nach Hause – aber keine Notfälle. Das übernahmen bisher zu einem Gutteil die sechs Blaulichtorganisationen – in den vergangenen Jahren aber auch immer häufiger private Fahrtendienste.

2. Was ist nun der Unterschied, ob eine Blaulichtorganisation oder ein Privater fährt?

Die Unterschiede zeigen sich tatsächlich in Qualität und Geld. Bei Blaulichtorganisationen fährt ein ausgebildeter Sanitäter mit. Für deren Fahrzeuge gelten ganz andere Hygienevorschriften – die etwa beim Transport von infektiösen oder frisch operierten Patienten nicht unwesentlich sind. Bei privaten Fahrtendiensten reicht es, wenn sie ein Mietwagen- oder Taxigewerbe betreiben – sonst haben sie keinerlei medizinische Ausbildung. Auch im Preis gibt es Unterschiede. Ein privater Fahrtendienst kostet 18,78 Euro. Ein Transport mit einer Blaulichtorganisation 66,76 Euro. Vergangenes Jahr wurden 323.695 Krankentransporte abgewickelt. Das sind doppelt so viele wie noch im Jahr 2012 – die Kosten haben sich in dieser Zeit auf rund 8,1 Millionen vervierfacht. Das liegt in erster Linie daran, dass die Tarife für die Privaten angehoben wurden. Die Rettungstransporte sind im selben Zeitraum im Übrigen deutlich weniger geworden – das liegt auch daran, dass man deutlicher zu unterscheiden versucht, wer eine Rettungsfahrt und wer einen Transport braucht.

Die Leistungen wurden von der Wiener Gebietskrankenkasse übrigens bisher nicht ausgeschrieben – obwohl sie das laut Rechtsexperten, die die „Presse“ befragt hat, müsste. Direktvergaben sind nur bis 100.000 Euro zulässig. Die WGKK ist der Meinung, dass das Vergaberecht nicht anzuwenden ist, weil die meisten Vertragspartner schon seit mehr als 40 Jahren für sie tätig sind.

3. Ist die Versorgung durch die Rettung in Wien denn nun überhaupt noch gewährleistet?

Prinzipiell: Ja. Noch. Rettungsdienste und Krankentransporte sind zwar zwei Paar Schuhe, wenn allerdings die Blaulichtorganisationen Personal sparen müssen, sind auch weniger Wägen auf der Straße, die für beides einsetzbar sind. Das könnte für Engpässe sorgen. Weiters betreuen diese ausgebildeten Sanitäter auch Großevents in Wien – das ist nur möglich, weil der Pool an gut ausgebildeten Einsatzkräften noch groß ist.

4. Wie geht es jetzt für die Blaulichtorganisationen weiter?

Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) hat einen Runden Tisch mit der WGKK, der Gewerkschaft und Blaulichtorganisationen einberufen. „Ich versichere, es als meine Aufgabe anzusehen, die hohe Qualität sicherzustellen“, sagte Frauenberger am Donnerstag. Fonds-Soziales-Wien-Chef Peter Hacker ist als Projektkoordinator eingesetzt. Reformen des Rettungswesens brauche es aber dringend: Grundsatzfragen der Organisation, Abläufe und Prozesse sowie Fragen der künftigen Finanzierung sollen in den kommenden Wochen und Monaten neu definiert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2017)

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