Der Auftrag, die – nun durch Baustopp verhinderte – Anti-Terror-Mauer auf dem Ballhausplatz zu errichten, kam aus dem Kanzleramt.
Wien. „Alles Gute! Gutes Gelingen! Viel Erfolg!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Bundeskanzler Christian Kern Anfang August von den Bauarbeitern auf dem Ballhausplatz – nachdem er ihnen Mineralwasser vorbeigebracht hatte. Von dieser Szene gab es dann ein Video. Wusste Kern, was eigentlich genau vor seinem Büro „gelingen“ sollte? Laut jüngsten Angaben aus dem Bundeskanzleramt (BKA): nein. Das ist interessant. Denn bevor der Bau der Anti-Terror-Mauer – eben der Bau, der nun gestoppt wurde – begonnen hatte, hatte das Kanzleramt den Auftrag zur Mauererrichtung gegeben.
Als Kanzleramtsminister Thomas Drozda in Kerns Auftrag am Donnerstag medienwirksam das Ende des laut Planung 80 Zentimeter hohen, mehr als 40 Meter langen Anti-Terror-Walls verkündete, trat er sozusagen von seinem eigenen Vorhaben zurück. Ein Vorhaben, das er selbst nicht in dieser Dimension überblickt habe, gab er später bekannt.
Das ist wieder interessant. Denn es war unter anderem die für Bauangelegenheiten und Raummanagement zuständige Sektionschefin des Kanzleramts, die den Auftrag unter Dach und Fach brachte. So schrieb sie am 29. Juni dieses Jahres in einem (der „Presse“ vorliegenden) Mail an die Bundesimmobileingesellschaft (BIG) – und übrigens auch an andere Kanzleramtsbeamte: „Ich kann hiermit bestätigen, dass das BKA die Kosten für die ,Mauer‘ unter diesen Umständen übernehmen wird, da das BMI (Innenministerium, Anm.) dies als eine unerlässliche Sicherheitsmaßnahme erachtet.“
Somit erhebt sich die Frage: Wie kann das BKA nicht informiert sein, wenn es die eigenen Spitzenbeamten waren, die grünes Licht gaben? Dazu meint Drozda-Sprecher Nedeljko Bilalic: „Eine so sensible Frage hätte einer politischen Diskussion bedurft.“ Man hätte erwarten dürfen, dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), dessen Experten ja für die Sicherheit verantwortlich seien, die Initiative ergreifen würde und die Sache an Kern und Drozda heranträgt. Die Kanzleramtsbeamten hätten nur zugestimmt, weil Sicherheitsexperten dies vorgeschlagen hätten.
Stockender Informationsfluss
Schon wieder interessant. Denn Sobotka hat zuletzt wissen lassen, dass ursprünglich die Errichtung von Pollern (diese sollten gemäß den nun verworfenen Plänen das Mauerkonzept ergänzen) präferiert worden sei. Erst auf Vorschlag der Wiener Magistratsabteilung 28 (Straßenbau) sei die Mauererrichtung ins Spiel gekommen. Und das BKA habe sich für eine Umsetzung des MA-28-Vorschlags starkgemacht. Offenbar „schafften“ es all diese Überlegungen aber nicht intern bis „hinauf“ in die Chefetage des Kanzleramts. Und auch nicht zu Kanzler Kern.
Klar ist aber auch: Nicht nur das Kanzleramt (zumindest auf Ebene seiner Spitzenbeamten), sondern eine ganze Reihe von Behörden, Ämtern und Ministerien waren in die Entstehungsgeschichte des (verhinderten) Mauerbaus involviert. Dies beweist ein von der MA 28 Ende 2016 angefertigter (der „Presse“ ebenfalls vorliegender) Aktenvermerk. Aus diesem ergibt sich, dass damals bei einer „Projekts- und Einbautenbesprechung“ unter anderem das Aufstellen von „Granitmauern (inklusive Unterbrechungen) vor dem Bundeskanzleramt“ besprochen wurde. Dazu wurden schriftliche Stellungnahmen von zum Beispiel Innenressort, Kanzleramt, BIG, Polizei, etlichen Magistratsabteilungen und auch der für Grundflächen der die Präsidentschaftskanzlei zuständigen Burghauptmannschaft eingeholt. Apropos: Auch vor der Präsidentschaftskanzlei sollte eigentlich eine Mauer errichtet werden. Mutmaßlich wird auch dies nicht geschehen. Sicher ist es nicht. Der Sprecher der Burghauptmannschaft, Reinhold Sahl, auf ebendiese „Presse“-Frage: „Ich weiß es nicht.“
Indessen gab es am Freitag zahlreiche Reaktionen zu der Mauergroteske. ÖVP-Chef Sebastian Kurz sagte: „Ich finde es gut, dass nicht gebaut wird.“ Man hätte sich die Kosten ersparen können. Kosten, die freilich der Steuerzahler trägt, den die von der BIG eingesetzte Baufirma Porr ließ die „Salzburger Nachrichten“ bereits wissen: „Für uns wird das keine wirtschaftlichen Nachteile nach sich ziehen, da unsere Verträge genau regeln, wie in derartigen Fällen vorzugehen ist.“ Die Höhe der Kosten muss erst berechnet werden. 325.000 Euro hätte das Kanzleramt beisteuern sollen. Weiteres Geld sollte aus den Budgets von Innenressort, Präsidentschaftskanzlei und der Stadt Wien fließen.
Mahrer, Strache für Poller
Der Spitzenkandidat der Wiener ÖVP für die Nationalratswahl, Karl Mahrer, meldete sich ebenfalls zu Wort. Er verwies auf die Poller-Lösung in der Herrengasse. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache forderte Poller für Einkaufsstraßen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2017)