Fragwürdige Wiener Volksbefragung

(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Suggestivfragen sind problematisch, das Thema Citymaut könnte dem Stadtrecht widersprechen. Gegen illegale Fragen kann man sich in Wien im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht wehren.

Wien. Dieser Tage bekommen alle wahlberechtigten Wiener Post von der Stadt. Verschickt wird der Stimmzettel für die Volksbefragung, die vom 11. bis zum 13. Februar stattfindet. Es bleibt also noch etwas Zeit zum Nachdenken über die richtigen Antworten. Nur böse Zungen behaupten, dass diese Denkarbeit bereits von der Stadt Wien abgenommen wurde.

Denn die Fragen sind so formuliert, dass der Wähler in eine bestimmte Richtung gelenkt werden könnte. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat aber bereits zu einer 1997 abgehaltenen Volksbefragung in Graz-St.-Peter erklärt, dass Suggestivfragen verboten seien. Fragestellungen müssten „klar und eindeutig“ formuliert sein, „damit Manipulationen hintangehalten und Missverständnisse so weit wie möglich ausgeschlossen werden können“, so der VfGH.

Besonders beeinflussend erscheint in Wien die Schulfrage: „Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt. Sind Sie für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Wien?“ Abgesehen davon, dass ausgerechnet diese schulspezifische Frage einen Grammatikfehler beinhaltet („der entscheidende Erfolgsfaktor darstellt“), lenkt sie den Wähler wohl zu einem Ja auf dem Stimmzettel. Hingegen scheint die Citymaut nicht gewünscht zu sein. Denn der Stimmzettel verweist darauf, dass bereits durch andere Maßnahmen der Autoverkehr „deutlich reduziert werden konnte“. Hausbesorger „mit modernem Berufsbild“ möchte man wohl auch gern haben. Die Kosten dafür werden auf dem Stimmzettel nicht erwähnt, diese sind dafür bei dem (offenbar nicht so sehr gewünschten) Nachtbetrieb der U-Bahnen ein großes Thema. Diese Maßnahme würde fünf Millionen Euro kosten und die Fahrtrouten der Nachtbusse beeinträchtigen, wird gewarnt. Beim „Führerschein“ für Kampfhunde wird hingegen ausdrücklich betont, dass dieser eine „fundierte Ausbildung“ gewährleistet.

Berufung? Wien ist anders

Könnte nun auch die Wiener Volksbefragung vom VfGH für unzulässig erklärt werden? Nein, erklärt im Gespräch mit der „Presse“ Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Denn die Wiener Gesetze kennen (im Gegensatz zu anderen Bundesländern) gar keine Rechtsmittel gegen unzulässige Fragen. Nur gegen die Auszählung der Stimmen könne man sich wehren. Dazu komme, dass die Wiener Normen auch kaum Vorschriften über die Art der Fragestellungen vorsehen. In anderen Bundesländern sei hingegen vorgeschrieben, dass die Fragen möglichst kurz und ohne weitere Beifügungen zu stellen seien.

Die Volksbefragung könnte aber aus inhaltlichen Gründen im Widerspruch zum Stadtrecht stehen. Laut Stadtverfassung dürfen Volksbefragungen nämlich niemals Entgelte oder Tarife zum Thema haben. Unter diese Begriffe könnte aber die Citymaut fallen, meint Funk. Überdies dürfte laut Stadtverfassung nie über Grund- und Freiheitsrechte abgestimmt werden. Darunter könnte aber das Halten von Kampfhunden fallen, sagt der Experte. Aber auch hier gilt: Da die Fragestellung nach Wiener Recht sakrosankt ist, kann man nicht dagegen berufen.

Übrigens: Im Vergleich zur vom VfGH gerügten Volksbefragung in Graz klingen die Wiener Fragen fast noch harmlos. In Graz lautete die komplexe Suggestivfrage: „Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?“

DIREKTE DEMOKRATIE

Die Volksbefragungen in Wien und Burgenland stützten sich auf das jeweilige Landesrecht. Der Ausgang ist nicht verbindlich.

Auf Bundesebene gibt es in Österreich drei Elemente der direkten Demokratie. Wird ein Volksbegehren ausreichend unterstützt, ist das Thema im Nationalrat zu behandeln. Gesetze können aber dadurch nie erzwungen werden. Das gilt auch für Volksbefragungen, mit denen der Wille der Bevölkerung erforscht wird. Zu beschließen ist eine Volksbefragung durch den Nationalrat.

■Nur bei der Volksabstimmungkann die Bevölkerung wirklich entscheiden. Das Parlament beschließt ein Gesetz und legt gleichzeitig fest, dass darüber noch eine Volksabstimmung abzuhalten ist. Entscheidet die Bevölkerung mit Ja, tritt das Gesetz in Kraft. Sonst wird es verworfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2010)

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