Spital Nord: Wien zieht die Notbremse

(c) Architekt Wimmer
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Die Stadt Wien sucht einen Generalunternehmer, beendet die Gespräche mit dem Bieterkonsortium Porr/Vamed/Siemens - und hält damit das Thema aus dem Wahlkampf heraus. Die Opposition spricht von Dilettantismus.

WIEN. Knalleffekt in der Causa Krankenhaus Wien Nord: Nach monatelangen ergebnislosen Verhandlungen mit einem Bieterkonsortium und heftigen politischen Debatten mit der Opposition zieht die Stadt Wien jetzt die Notbremse. „Die Verhandlungen mit dem Konsortium Porr/Vamed/Siemens werden beendet, ein Generalunternehmer für das Spitalprojekt wird europaweit ausgeschrieben“, gab Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely am Mittwoch bekannt.

Der Grund dafür sei, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) das Projekt Krankenhaus Nord als förderungswürdig eingestuft habe und Wien einen kostengünstigen Kredit über 300Mio. Euro gewähren wird. Damit änderten sich die Grundlagen des Spitalsprojekts, eine Neuausschreibung sei jetzt sinnvoller.

Das Konsortium bekommt für die bisher erbrachten Leistungen (Probebohrungen, Grundwasseruntersuchungen) 9,2Mio. Euro. Schadenersatzforderungen seien vertraglich ausgeschlossen, sagt der Chef des Krankenanstaltenverbundes (KAV), Wilhelm Marhold.

Was bedeutet das für den Spitalszeitplan? „Keinerlei Verzögerung“, glaubt Marhold. Im Moment laufen Vorbereitungsarbeiten, in den nächsten Monaten werde das bisherige Industriegrundstück an der Brünner Straße in Floridsdorf für den Bau hergerichtet. Ende 2010, Anfang 2011 erfolge die europaweite Ausschreibung für einen Baugeneralunternehmer. Dieser werde voraussichtlich im Sommer 2011 beauftragt, somit sei eine Teilinbetriebnahme des Spitals 2015 möglich.

Rückblende: Vor etwa fünf Jahren hat die Stadt Wien die Neuerrichtung eines Krankenhauses nördlich der Donau beschlossen, weil dieses Gebiet medizinisch unterversorgt ist. Damals wurde die Entscheidung getroffen, die Ausschreibung so zu formulieren, dass ein Bieter bereits ein Grundstück mitbringt bzw. darüber verfügen kann. Experten äußerten sich von Anfang an skeptisch zu dieser Ausschreibungsform. Tatsächlich blieb letztlich nur das Bieterkonsortium Porr/Vamed/Siemens übrig.

Die Verhandlungen mit den Bietern stockten, die ursprünglich angepeilten Baubeginn- und Fertigstellungstermine (Teilinbetriebnahme: 2012) verzögerten sich deutlich, und auch die Kosten stiegen deutlich an. Die Rathausopposition ortete alsbald Chaos, Schlamperei und Verschwendung. Als die Stadt dann vor einigen Wochen das umstrittene Grundstück in Floridsdorf selbst kaufte, stand nach Ansicht von Juristen auch die ursprüngliche Ausschreibung auf rechtlich denkbar schwachen Füßen.

Die am Mittwoch verkündete Kehrtwende hat für die Stadt mehrere Vorteile: Einerseits ist damit Beschwerden gegen die bisherigen KAV-Ausschreibungen die Grundlage entzogen; zweitens ist das Thema vorerst nicht Bestandteil politischer Debatten und kann den Wahlkampf für die Wien-Wahl im Oktober nur mehr am Rande stören.

825 Mio. Euro Kosten

Die Opposition spricht zwar angesichts der neuen Entwicklung um das Spital von Dilettantismus, fürchtet drastische Kostenerhöhungen und stellt die Frage, warum die Stadt nicht früher diese Schritte gesetzt habe. Aber letztlich sind Grüne und VP grundsätzlich für den Bau des Krankenhauses; außerdem haben sie selbst eine Neuausschreibung gefordert.

Apropos Geld: Die Gesamtkosten für den Bau und Einrichtung liegen bei 825 Mio. Euro – auf Preisbasis 2007. Damit werden bis zur Inbetriebnahme im Jahr 2015 die Kosten – allein durch die Inflation – sicher auf über eine Milliarde Euro steigen. Stadträtin Wehsely, die am Mittwoch sichtlich froh war, das Thema Krankenhaus Nord vorerst einmal vom Tisch zu haben, hob übrigens noch einen anderen Aspekt hervor. Durch die EIB-Mitfinanzierung würden auch Experten der EU-Bank das Projekt begleiten und bis zur kompletten Rückzahlung überwachen. „Das gibt den Wiener Bürgern zusätzliche Sicherheit.“ Kommentar, Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)

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