Twin City Liner: Ein Schiff schlägt Wellen

Angler Twin City Liner
Angler Twin City Liner(c) Philipp Splechtna
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Touristen lieben ihn, doch bei Anglern sorgt der Twin City Liner für Unmut: Sein Wellenschlag wirke sich verheerend auf den Fischbestand aus. Am Badeschiff bringt der Katamaran den Pool zum Überschwappen.

Am Sonnendeck drücken sich Passagiere gegen den starken Fahrtwind. Sie genießen den Geschwindigkeitsrausch. Der Twin City Liner saust nach Bratislava. Die Kapitänsbrücke des Schnellkatamarans wirkt wie das Cockpit eines Flugzeugs. Auf der Armatur leuchtet in kurzen Abständen der Radar auf. Schaltknöpfe blinken. Rene Vasiljevic, der 23 Jahre alte zweite Kapitän, behält den Steuermonitor im Auge und erklärt die Geschäftsidee des Twin City Liner: „Wir fahren vom Schwedenplatz in Wien direkt nach Bratislava. Den Donaukanal runter, so umgehen wir die Schleuse Freudenau. Das Prinzip Wien–Bratislava war ja eigentlich schon da, das hat's schon lange gegeben. Es gibt ja auch andere, die nach Bratislava fahren, die mit den Raketen, mit den Tragflügelbooten, die fahren vom Handelskai weg, müssen aber durch die Schleuse Freudenau.“

Seit 2006 können Kunden des Twin City Liner in einer guten Stunde die Strecke zwischen den Innenstädten von Wien und Bratislava zurücklegen. Die Stadt Wien und ihre Unternehmen bewerben mit großem Aufwand den Twin City Liner als Symbol für das Zusammenrücken der beiden Städte. Die Stadtregierung sieht dabei Wien als Wirtschaftszentrum und Motor der Centrope-Region. Doch die Schiffsverbindung ist nicht so neu, wie es scheint. Seit 1964 können Ausflügler mit Tragflügelbooten der vormals tschechoslowakischen, heute slowakischen Schifffahrtsgesellschaft LOD zwischen Bratislava und Wien verkehren.


Konkurrenz. Waren zuerst die Tragflügelboote Raketa I und Raketa II im Einsatz, konkurriert der Twin City Liner nun mit der dritten Generation dieses Schiffstyps. Die Tragflügelboote müssen für das Durchschleusen bei Freudenau Wartezeiten von mindestens 20Minuten – manchmal auch an die eineinhalb Stunden – in Kauf nehmen. Aus technisch-nautischen Gründen können sie nicht vom Donaukanal losfahren. LOD bewirbt nun ihr Handicap als besonderes Erlebnis für Fahrgäste. An Bord des Tragflügelbootes „Meteor“ erklärt Kapitän Marek Lašák, dass LOD wegen der intensiven Werbung für den Twin City Liner anfangs unter starkem Konkurrenzdruck stand. Jetzt seien die Geschäftsfelder abgesteckt: Die Kunden der LOD-Tragflügelboote sind eher Einheimische aus Wien und Bratislava, jene des Twin City Liner Städtetouristen aus anderen Ländern.

Die zwischen Wien und Bratislava verkehrenden Schnellboote düsen auf österreichischer Seite durch den Nationalpark Donauauen. Die Ufer der Donau säumen kleine, hölzerne Fischerhütten. Auch bei Simmering stehen am Ufer des Donaukanals Fischerhütten mit ihren „Dauben“, den quadratischen Netzen. „Ich weiß, dass sehr viele Angler ihre Hütten am Donaukanal verkaufen wollen, weil eine vernünftige Fischerei nicht mehr betreibbar ist“, berichtet Helmut Belanyecz, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF), und fragt, ohne den Hinweis auf die Antwort schuldig zu bleiben: „Aber wer kauft die? Jeder weiß, was sich dort abspielt.“


Ärger auf dem Badeschiff. An die Mündung des Wienflusses zum Donaukanal hin, direkt beim Stadtzentrum, kommen regelmäßig bis zu 30 Angler, um ihre Ruten auszuwerfen. Früher waren es mehr, sagt einer der City-Angler. Viele gehen jetzt bei Nussdorf angeln. Dem Angler, der seinen Platz auf der Seite der Wienmündung hinter der Wiener Urania gefunden hat, fiel auf, dass früher an dieser Stelle tausende Nasen schwammen. Heuer hat er hier keinen einzigen Fisch dieser Art gefangen.

Der Twin City Liner sorgt für Ärgernis. Unmut regt sich auch auf dem Badeschiff. Das Bar- und Veranstaltungsschiff mit Freibad ist bei der neuen Schiffsstation am Donaukanal verankert. Der Nachbar ist nicht erbost über die Konkurrenz durch den Gastronomiebetrieb „Motto am Fluss“, das auf der Schiffsstation angesiedelt ist. Der Twin City Liner selbst ist Stein des Anstoßes. Wenn der Katamaran zur Anlegestelle kommt, schwappt durch die Schubwirkung der Pool am Badeschiff über. Sechs Mal am Tag. „Er beschert uns täglich in etwa einen Wasserverlust von 40.000Litern, beheiztem Hochquellwasser aus dem Schwimmbad, das in den Donaukanal gespült wird“, sagt Gerold Ecker, Besitzer des Badeschiffs.

Fernab der Donau, im Büro des Fischer-Dachverbandes im 23.Wiener Gemeindebezirk, formuliert ÖKF-Präsident Belanyecz seine Hauptkritik an den Schnellkatamaranen: „Der Wellenschlag des Twin City Liner verursacht bei den Jungfischen erhebliche Schäden.“ Der Wellenschlag ziehe warmes Wasser aus den Schotterbuchten ab, in denen die Jungfische ihr Futter in Form von Plankton finden. Das warme Wasser in den Buchten vermischt sich mit dem kalten Donauwasser, das Plankton verflüchtigt sich, erklärt der oberste Vertreter der Fischereivereine: „Die Jungfische stehen ohne Nahrung im kalten Wasser.“ Lediglich 15Prozent der Schotterbuchten im Naturschutzgebiet seien noch funktionstüchtig und gerade in diesen wenigen verbliebenen Brutstätten wirke sich der Wellenschlag des Twin City Liner verheerend aus. „Der Fischbestand geht drastisch zurück. Der Twin City Liner ist dafür nicht die einzige Ursache, aber im Gebiet des Nationalparks ist er für das Schlimmste verantwortlich“, meint Belanyecz.

In der Zentrale der DDSG Blue Danube am Handelskai ist Flottenkapitän Otto Szabo ganz anderer Meinung: „Der Fischbestand in diesem Donauabschnitt geht nicht zurück, also müssen auch die Jungfische überleben.“ Früher hat es dort keine Kormorane gegeben, argumentiert Szabo, heute fliegen viele Kormorane im Donaugebiet, weil sie anscheinend genügend Fische vorfinden. Aufgrund der Kläranlagen bessere sich die Wasserqualität, konstatiert Szabo. Es gebe nun auch wieder mehr Fische im Donauwasser.


Widersprüche. Tausende Fracht- und Ausflugsschiffe sind jährlich auf der Donau zwischen Wien und Bratislava unterwegs. „Der ganz starke Schaden tritt erst auf, seit die Twin City Liner mehrmals täglich zwischen Wien und Bratislava hin- und herrasen. Dieser permanent hohe Wellenschlag wirkt sich wesentlich stärker als die etwa 14.000 bis 15.000 Schiffe pro Jahr aus“, ist Belanyecz überzeugt. Frachtschiffe rufen einen vergleichsweise geringen Wellenschlag hervor, hätten wissenschaftliche Studien gezeigt, und auch die Tragflügelboote lösen kleinere und kürzere Wellen als der Twin City Liner aus.

Die Idee, vom Herzen der Stadt loszufahren, sei zwar bestechend, wurde aber ohne Rücksicht auf die Ökologie umgesetzt – zudem ist, gemäß Belanyecz, beim Nationalparkgesetz das Problem des Wellenschlags übersehen worden. Im Gegensatz dazu findet DDSG-Kapitän Szabo, dass die Fischer beim Tierschutz widersprüchlich argumentierten: „Sie wollen, dass die Kormorane abgeschossen werden. Sie regen sich über den Twin City Liner nur auf, weil er etwas Neues ist.“ Nach Ansicht des Donaukapitäns verkennen die Angler den wesentlichen Unterschied: „Die Twin City Liner haben einen schnellen, aber keinen starken Wellenschlag.“

Von dieser Kontroverse zwischen Anglern und Kapitänen um die Art des Wellenschlags bemerken die Passagiere während der kurzweiligen Fahrt mit dem Twin City Liner wenig. Einzig Durchsagen professioneller Sprecherstimmen im voll klimatisierten Passagierraum weisen die Fahrgäste hinter dem eleganten Panoramafenster auf die Fischerhütten an den Ufern hin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2010)

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