Wiental-Radweg nach nur einem Monat wieder gesperrt

Euro fuer Halbjahresradweg
Euro fuer Halbjahresradweg(c) APA/THOMAS RIEDER (THOMAS RIEDER)
  • Drucken

Vor der Wahl eröffnete Wien das 5,3 Millionen teure Prestigeprojekt im Wienfluss-Flussbett. Ab Montag ist der "Bike-Highway" wieder gesperrt. Radfahrer und Verkehrsplaner staunen.

Der 1. Oktober war ein schöner Tag für die rot-grüne Zusammenarbeit in Wien. Gemeinsam mit den Gemeinderäten Christoph Chorherr und Sabine Gretner eröffneten die Stadträte Rudolf Schicker (Verkehr) und Ulrike Sima (Umwelt) den spektakulären Radweg durch das steinerne Bett des Wienflusses. Der Zeitpunkt war gut gewählt, die Gemeinderatswahl stand kurz bevor. Unter großem Medieninteresse verkauften die Beteiligten den neuen „Bike-Highway“ als Meilenstein für den Radverkehr. Ein Monat später spricht darüber niemand mehr. Mit 1.November ist das Befahren des 5,3 Millionen Euro teuren Prestigeprojekts nämlich schon wieder verboten.

Bis einschließlich 20.März darf der Abschnitt zwischen Kennedybrücke (U4-Station Hietzing) und Auhof dann nicht mehr befahren werden. Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Nutzung der Verbindung auch im Sommer nur bei Tageslicht erlaubt ist, stellt sich heraus, dass der vermeintliche Hochleistungsradweg nicht einmal die Hälfte des Jahres geöffnet hat. Die Debatte um die Zweckmäßigkeit des Großprojekts geht inzwischen so weit, dass selbst die unermüdlichsten Kämpfer für mehr Radkultur in der Stadt das Betonband im Flussbett infrage stellen.

Nachtsperre hemmt Berufsverkehr

Einer von ihnen ist Hans Doppel von der Radlobby Argus. Er kritisiert, dass die Kosten für den Radweg (den sich die Radfahrer mit Spaziergängern und Hundehaltern teilen) in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Das Argument der Stadt, das Flussbett aus Haftungsgründen nicht dauerhaft freigeben zu können, sei fadenscheinig. In praktisch allen Tourismusregionen hätte man für das Befahren von Privatwegen entsprechende Versicherungen abgeschlossen. Das Vorgehen der Stadt kommuniziere eine fatale Symbolik, nämlich: „Wir stehen zum Radverkehr nur dann, wenn es keine Probleme gibt. Sobald es aber haarig wird, ist es schlagartig vorbei mit der Courage der Stadtväter.“ Doppels Fazit: Bleiben die knappen Öffnungszeiten des Wienfluss-Radwegs bestehen, gebühre dem „unverhältnismäßig teuren“ Projekt das Prädikat fragwürdig.

1,5 Mio. Euro kostete das Prestigeprojekt pro Kilometer. An der Oberfläche ist ein Kilometer Radweg ab 130.000 Euro zu haben. Entsprechend vorsichtig sind deshalb inzwischen die politisch Verantwortlichen. Fragen danach, ob der Preis in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen (bzw. der Dauer der Benutzbarkeit) steht, will weder das Büro von Verkehrsstadtrat Schicker („dafür ist das Ressort Sima zuständig“) noch jenes der Angesprochenen beantworten. Stattdessen müssen Beamte die seinerzeit getroffenen Entscheidungen ihrer weisungsbefugten Ressortchefs rechtfertigen. Beispielsweise mit dem Argument, dass der Radweg am Wochenende von Erholungssuchenden schon jetzt gut angenommen werde. Die Frage, warum es überhaupt notwendig war, parallel zur U4 und zum Radweg in der Auhofstraße einen „Highway“ zu errichten, bleibt unbeantwortet.

Anders ist das bei der Bedeutung der Verbindung für den Berufsradverkehr, den die beiden Stadträte Schicker und Sima im Zuge der Eröffnung besonders hervorstrichen. Während einer Befahrung stadtauswärts von der Kennedybrücke bis Auhof (Werktag, 9Uhr, wolkenlos und trocken) kamen dem Autor gerade einmal fünf Radfahrer entgegen. Michael Meschik, der sich am Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur auf Radverkehr spezialisiert hat, wundert diese Beobachtung nicht. Er macht die knappen Nutzungszeiten dafür verantwortlich. „Man stelle sich nur vor, die Stadt käme auf die Idee, wichtige Einfall- und Pendlerrouten wie beispielsweise die Triester Straße bei Dunkelheit für den Autoverkehr zu sperren.“ Eine praxisorientierte Nutzung für Berufstätige wäre unmöglich.

Kein Geld für Beleuchtung

Das für die Sperre zuständige Amt für Wasserbau stellt das gar nicht in Abrede. Hier argumentiert man mit dem Thema Sicherheit. Das Bett des Wienflusses ist nämlich als Überschwemmungsgebiet deklariert. Bei schweren Gewittern könne der Wasserstand innerhalb von zehn Minuten um einen halben Meter steigen, weshalb ein eigener Sicherheitsdienst engagiert wurde, der Benutzer im Anlassfall warnen soll. Im Winter hingegen sei das Aufbringen von Streumitteln aus ökologischen Gründen nicht möglich, und: Auf eine Beleuchtung während der Nacht wurde (oder gerade wegen der hohen Baukosten) aus budgetären Gründen verzichtet.

Das ist mitunter ein Grund, warum Oliver Dunjic den Wienfluss-Radweg fast nur in seiner Freizeit nutzt. Der Student aus Hietzing bewältigt ganzjährig alle Wege mit dem Rad, darunter auch die Strecke zur Uni. Aber: Neben den Sperren im Winter und bei Dunkelheit empfindet er auch die Routenführung als unpraktisch. Ins Flussbett hinein kommt man nämlich nur über eine der wenigen Rampen. Zeitvorteile bringt die Verbindung lediglich jenen, die sie vom Anfang bis zum Ende befahren (was im Berufsverkehr kaum jemand tut). Dunjic: „Für mich sind die Radwege an der Oberfläche praktischer.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.