Conrad-Observatorium: Das Ohr am Puls der Erde

ConradObservatorium Puls Erde
ConradObservatorium Puls Erde(c) APA (ANDREAS TROESCHER)
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Am Conrad-Observatorium werden Erdbeben und Veränderungen im Schwerefeld der Erde exakt gemessen – und in Zukunft auch das Magnetfeld.

Glück auf“ steht auf dem Taferl, das über einer Tür hängt, die normalerweise für Besucher gesperrt ist. Sie führt in den 150 Meter langen Barbara-Stollen, das Herzstück des Conrad-Observatoriums. Diese im Alpenraum einzigartige Forschungseinrichtung ist Teil der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „In dem Stollen, der in den nicht magnetischen Wettersteinkalk getrieben wurde, hat es ganzjährig exakt 7,9 Grad“, verrät Roman Leonhardt, der Leiter des Observatoriums. Es liegt weitab von jeglicher Zivilisation – auf dem Trafelberg in rund 1000 Meter Seehöhe, inmitten von ausgedehnten Wäldern, 50 Kilometer südwestlich von Wien.

Die Lage und die besonderen Bedingungen im Berg sind notwendig, damit das Conrad-Observatorium seine Aufgabe erfüllen kann: In der 2,5 Millionen Euro teuren Anlage werden seismische, gravimetrische und in Zukunft auch magnetische Messungen an der Erde in früher ungeahnter Präzision vorgenommen. Jede Störung ist dabei Gift: Temperaturschwankungen etwa verfälschen die Messergebnisse, sie lassen sich kaum aus den Daten herausrechnen; Klimaanlagen würden störende elektromagnetische Felder verursachen. „In den Magnetometern des ZAMG am Wiener Cobenzl messen wir vieles – vor allem die Straßenbahn“, so Leonhardt schmunzelnd.

Den Messgeräten entgeht jedenfalls kaum etwas, was auf der Erde geschieht. Jährlich werden einige tausend Erschütterungen registriert, allein in Österreich waren es im Vorjahr 786. Davon waren 306 tektonische Beben – von denen gerade einmal ein paar Dutzend vom Menschen gespürt werden –, die restlichen 480 waren auf Sprengungen zurückzuführen.


Tausende Erdstöße pro Jahr. Auch das katastrophale Erdbeben in Japan hat deutliche Spuren hinterlassen: 15 Minuten nach den Erschütterungen haben die Geräte am Trafelberg verrückt gespielt: Die Erde hat sich um drei Millimeter gehoben, das hat die hochempfindlichen Sensoren sogar zum Übersteuern gebracht. Seither schwingt die Erde wie eine Glocke, und das wird sie noch ein paar Monate tun. In den Messwerten, die in Echtzeit in die ZAMG-Zentrale auf der Hohen Warte übertragen werden – am Conrad-Observatorium ist kein fixes Personal stationiert, dieses würde die Messungen nur stören –, ist das deutlich zu sehen. Und noch viel mehr: Nachweisbar sind etwa durchziehende Regenwolken, denn die Masse des Wassers in der Atmosphäre vermindert lokal die Erdanziehungskraft. Auch Luftdruckschwankungen über dem Atlantik werden registriert – diese pflanzen sich im Boden fort. Und selbst der Überschallknall eines Abfangjägers führt zu einem Ausschlag in den Diagrammen.

Wozu benötigt man so genaue Messungen über seismische Aktivitäten und die Erdschwere? Das hat zum einen ganz praktische Gründe: „Aus der Analyse schwacher Erdbeben kann man etwas über mögliche starke Beben lernen, die zu Schäden führen“, erläutert ZAMG-Direktor Michael Staudinger. Zum anderen sind die Daten notwendig für die Grundlagenforschung: Die Ausbreitung seismischer Wellen ist die einzige Möglichkeit, tief in die Erde „hineinzuschauen“ und etwas über die verschiedenen Schichten und Bruchlinien zu erfahren. Auch die Messung der Erdschwere erlaubt Rückschlüsse auf die Geodynamik, denn die Masse ist in der Erdkruste nicht homogen verteilt. Die Infrastruktur des Conrad-Observatoriums wird zudem von anderen Organisationen genutzt: Forscher z.B. der Uni Wien, der TU Wien, der Montan-Uni Leoben oder vom Institut für Weltraumforschung der ÖAW führen Experimente durch, und Firmen testen hier ihre Messgeräte.


Sonnenstürme. Ab dem Jahr 2012 soll noch eine weitere Messeinrichtung am Conrad-Observatorium dazukommen: hochgenaue Magnetometer, die das sich ständig verändernde Magnetfeld der Erde vermessen. Das rund einen Kilometer lange Tunnelsystem ist bereits fertig, das Laborgebäude entsteht heuer. Laut Wissenschaftsministerin Beatrix Karl werden 6,5 Millionen Euro investiert, davon gut zwei Drittel vom Bund, der Rest vom Land NÖ. Man will jedenfalls rechtzeitig fertig sein, wenn 2013/14 der solare Zyklus beginnt und schwere Sonnenstürme auf die Erde niedergehen. Diese verändern das Magnetfeld – was Störungen in Kommunikationssystemen verursachen und im Extremfall sogar Stromnetze zusammenbrechen lassen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2011)

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