Tarek Leitner: Bernhards etwas anderes Wien

Tarek Leitner Bernhards etwas
Tarek Leitner Bernhards etwas(c) EPA (Herbert P. Oczeret)
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Heldenplatz? Bräunerhof? "ZiB"-Moderator Tarek Leitner meidet typische Thomas-Bernhard-Stätten. Und zeigt die eher unbekannten Spuren des Schriftstellers in der Stadt. Ein Cityguide.

Ich gehe schon lebenslänglich nur widerwillig spazieren, ich bin immer widerwillig spazieren gegangen (...)“, sagt Thomas Bernhards Ich-Erzähler in seinem Roman „Wittgensteins Neffe“. Darf man trotzdem? Auf den Spuren des Autors durch Wien spazieren? Immerhin hat Bernhard das Gehen immer wieder thematisiert, und immerhin spaziert da einer, der Bernhards Werk kennt, schätzt und des Öfteren öffentlich daraus liest: Tarek Leitner, Moderator der „Zeit im Bild“, den viele einen „Bernhard-Kenner“ nennen. Er selbst bezeichnet sich als „geneigten Leser“.

Leitner spaziert über das weitläufige Areal des Otto-Wagner-Spitals auf dem Wilhelminenberg. Hier, in Steinhof, wurde der schwer lungenkranke Bernhard behandelt. In Steinhof spielt aber auch Bernhards Roman „Wittgensteins Neffe“ (1982): Der Ich-Erzähler (ein Alter Ego Bernhards) und Paul Wittgenstein, ein Neffe des Philosophen Ludwig und Freund Bernhards, werden zufällig gleichzeitig hier behandelt.

Endlich hat Leitner gefunden, wonach er gesucht hat: Den von außen ein wenig schäbigen „Pavillon Hermann“. Hier ist der Ich-Erzähler des Romans unter den todgeweihten Lungenkranken stationiert, auch heute beherbergt der Pavillon die „1. interne Lungenabteilung“. Zur selben Zeit wird Wittgenstein einige Pavillons weiter in der „Irrenanstalt“ behandelt.

Vom Steinhof geht es weiter nach Währing in die Gentzgasse. Hier spielt „Holzfällen“, mit dem, wie Leitner sagt, seine „Bernhard-Infektion“ begonnen hat. Mit etwa 15 Jahren hat er in der Bibliothek seiner Eltern das Buch entdeckt, mit einer roten Schleife rundherum. „Dieses Buch ist beschlagnahmt“ stand darauf. (Der Komponist Gerhard Lampersberg glaubte sich in einer Romanfigur wiederzuerkennen, klagte, die Exemplare wurden beschlagnahmt). „Da hab ich mir gedacht, das muss interessant sein“, sagt Leitner. Von der ersten Seite an sei er gefesselt gewesen von Bernhards Denkmustern und Beobachtungen. „Das sind Gedanken, die man selbst denkt, aber nicht so formuliert. Plötzlich spricht da einer feine Schattierungen der Gefühlswelt an, die man selbst hat.“ Besonders plastisch sei ihm das Ende in Erinnerung, „als sich der Ich-Erzähler aus dieser oberflächlichen versteinerten Gesellschaft hinausrettet und die Gentzgasse entlang in die Innenstadt läuft“.

Keine Bernhard-Pilgerstätten. Für Leitner, einen gebürtigen Linzer, war „Holzfällen“ „auch ein Wien-Kennenlernen. Das muss eigentlich eine verheerende Wirkung auf einen Jugendlichen haben, Wien durch die Bernhardsche Prosa kennenzulernen“, sagt er lachend. Vor wenigen Tagen hat der ZiB-Moderator in der Galerie Westlicht aus Bernhards Prosa gelesen, im Zuge der Ausstellung „Thomas Bernhard. Das führt alles zu nix“ von Sepp Dreissinger, die nur noch heute (11–19 Uhr) zu sehen ist. (Ab 15.Mai wird die Schau im Bernhard-Haus in Ohlsdorf gezeigt.)

Nächste Station der Bernhard-Tour ist die Friedensbrücke, über die die Hauptfiguren in „Gehen“ „in penibler Regelmäßigkeit“ spazieren. Nicht weit von der Friedensbrücke liegt das „Café Zögernitz“, das einer der Protagonisten in „Die Billigesser“ aufsucht, „weil das Zeitungsangebot dort besser war als in der WÖK (Wiener öffentliche Küche), in der er die ,Billigesser‘ beobachtet“.

Gentzgasse? Friedensbrücke? Café Zögernitz? Mit Bernhard assoziiert man gemeinhin andere Orte. Heldenplatz. Burgtheater. Café Bräunerhof. Von diesen „Bernhard-Pilgerstätten“ hat sich Leitner immer bewusst ferngehalten. „Ich bin ja kein Fan“, sagt er. „Als Fan wird man kritiklos. Ich bin Bernhard-Leser und Theatergeher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2011)

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