Muzicant schlägt 'Museumsquartier' auf Morzinplatz vor

Morzinplatz Muzicant Museumsquartier
Morzinplatz Muzicant Museumsquartier(c) FLORIAN SPIELAUER (Florian Spielauer)
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IKG-Präsident Ariel Muzicant schlägt auf dem Morzinplatz einen Neubau von Jüdischem und Wien Museum vor. Stadtplanungs-Chefin Maria Vassilakou plant eine Bürgerbeteiligung für das ganze Areal.

Wien. Wie lässt sich der Morzinplatz einem Nichtwiener beschreiben? Vielleicht so: Der Morzinplatz hat viel Vergangenheit (dort stand das Hotel Metropol, das Gestapo-Hauptquartier, wo Gefangene gequält und getötet wurden) und so gut wie keine Gegenwart. Seine Attraktion ist eine Tankstelle mit Shop, und meist werden seine Rasenrechtecke dem benachbarten Schwedenplatz zugerechnet. Schlagzeilen macht er nur, wenn die in den Seitengassen feiernden Jugendlichen zu laut werden.

Zumindest war das bis vor knapp zwei Jahren so. Seit aber die zähe Suche nach einem Platz für ein neues Wien Museum eröffnet wurde, taucht der Morzinplatz oft als Standort auf. Aktuell gibt es sogar einen noch spektakuläreren Vorschlag: Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), der den Morzinplatz im Vorjahr für ein neues Jüdisches Museum ins Spiel brachte, will beide Museen am Morzinplatz kombinieren – und würde dort auch noch das IKG-Archiv und das Simon Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien unterbringen wollen. „Es gibt zwischen den Einrichtungen viele Synergien. Es wäre eine Art zweites kleines Museumsquartier“, so Muzicant zur „Presse“. Und: Es gebe bereits Ideen für die Finanzierung sowie Gespräche mit Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny.

(c) Jakub Smagacz

So stellen sich zum Beispiel Studierende der TU Wien eine "kulturelle Infrastruktur" auf dem Morzinplatz vor (Projekt: Jakub Smagacz, Sommersemester 2010).

Im Stadtratbüro kennt man die Idee, betont aber unisono mit dem Büro von Vizebürgermeisterin und Stadträtin Maria Vassilakou, es sei bloß eine von vielen. Tatsächlich halten viele Akteure das Projekt für eher unrealistisch. So fände die Direktorin des Jüdischen Museums, Danielle Spera, einen Neubau zwar „extrem reizvoll“, aber nach der Funktionssanierung des Standorts in der Dorotheergasse für finanziell „out of reach“. Auch Wien-Museum-Direktor Wolfgang Kos, der neben dem Verbleib am Karlsplatz den Morzinplatz als Standort präferiert, ist mäßig begeistert: „Als Nachbar wäre das Jüdische Museum vorstellbar, aber eine Verschmelzung unter einem Dach wäre sehr problematisch. Denn auch das Jüdische Museum hat eine eigene, starke Identität und Marke. Ein neues Wien Museum muss als Solitär dastehen und als solcher erkennbar sein.“ Darüber hinaus gibt es die heikle Frage des Platzbedarfs – einerseits liegt unter dem Platz eine Tiefgarage, deren Betreiber zudem ein Baurecht hat, über dessen Aufgabe die Stadt mit ihm noch nicht gesprochen hat. Andererseits wurde bereits öfter moniert, dass der überschaubare Morzinplatz schon mit den Platzansprüchen des Wien Museums (10.000 bis 14.000 QuadratmeterNutzfläche) überfordert sei. Wie, fragen Kritiker, soll sich ein Museumsquartier ausgehen?

(c) Die Presse

Brücke über den Kai

Auf die Antwort wird man länger warten müssen. Zwar drängt Kos auf eine rasche Entscheidung, aber der Kulturstadtrat will den Diskussionsprozess abwarten, den Maria Vassilakou in Gang setzt. Die grüne Stadtplanungs-Chefin sammelt derzeit Ideen für den gesamten Donaukanalabschnitt von Urania bis Salztorbrücke – und davon gibt es reichlich. Immerhin hat das Areal eine Tradition als Gedankenspielwiese (siehe Bild). Es gehe darum, Schwedenplatz, Morzinplatz, Donaukanal und auch die rasch in Hochhaus-Höhen wachsende Seite des zweiten Bezirks als Gesamtheit zu betrachten, so Vassilakou.

Das Material soll im Herbst, vermutlich im Oktober, im Wien Museum ausgestellt werden. „Die Schau wird von Diskussionsveranstaltungen begleitet und soll Auftakt für einen breiten partizipativen Prozess, eine Bürgerbeteiligung sein“, sagt Vassilakou. In der zweiten Jahreshälfte 2012 soll dann ein Leitbild erstellt werden: „Erst dann wird man sagen können, ob der Morzinplatz überhaupt verbaut werden soll – es kann auch das Gegenteil herauskommen.“ Beteiligt an dem Prozess ist auch eine von Bezirkschefin Ursula Stenzel (VP) initiierte, überparteiliche Arbeitsgruppe im ersten Bezirk. Deren Leiter, Architekt Stephan Unger, nennt „die Bausteine“, aus denen sich das Projekt Morzinplatz für sie zusammensetzt: Der Platz könnte durch eine Verbreiterung der Treppen zur Ruprechtskirche ein sichtbares Entree in den ersten Bezirk werden, eine Brücke über den verkehrsreichen Franz-Josefs-Kai die Verbindung zum Wasser verbessern. Weiterer „Baustein“: ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen.

Brücke über den Kai, Wien Museum, Entree zur City – Klaus Steiner kennt all diese Begriffe seit Jahrzehnten. Der langjährige, renommierte Rathaus-Stadtplaner war in den Neunzigern Wiens erster Donaukanalkoordinator – zumindest bis klar wurde, dass die Stadt das Projekt wieder auf Eis legte. Auf die Frage, warum die Stadtplanung beim Morzinplatz/Schwedenplatz bisher untätig blieb, muss er fast lachen. „Ohne Druck von außen ist die Stadtplanung bei keinem einzigen großen städtebaulichen Projekt je von selbst aktiv geworden. Stadtplanung vollzieht, was die Wirtschaft fordert.“ Auch beim Museumsneubau werde es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, ob es einen Investor gebe. Persönlich sei er für eine Form der Bebauung des Morzinplatzes. Denn: „Nur Platzgestaltung allein ist in Wien fast immer gescheitert.“

Es gebe, ergänzt Steiner, aber auch eine spekulative, historische Antwort, warum das Areal nach 1945 unberührt blieb: In der Nazi-Zeit sei von hier aus eine „Prunkentwicklung“ hin zur Donau angedacht gewesen – „vielleicht hat man das Areal deshalb nach dem Krieg links liegen lassen“. Und auch weiterhin werde der Schweden/Morzinplatz, von kosmetischen Veränderungen abgesehen, unangetastet bleiben, vermutet Steiner: „Ich glaube, dass es am Ende viel Vorbereitung und viele Zeitungsberichte gegeben haben wird – und sonst nur heiße Luft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2011)

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